Dynamische Stromtarife – was ist das und wem nutzen sie?
Stromkunden können heute von niedrigen Preisen an der Strombörse profitieren, wenn sie einen dynamischen Stromtarif abschließen. Das ist mit einem konstanten Strompreis nicht möglich, denn er bildet die Preisschwankungen der Börse nicht ab. Über die niedrigen Strompreise hat sich nur gefreut, wer seinen Strom direkt einkaufen kann. Bei dynamischen Stromtarifen können alle Verbraucher von der Differenz zwischen Stromangebot und -nachfrage profitieren.
Dieser Beitrag erklärt, was dynamische Tarife genau sind, wie sie funktionieren, für wen sie sich lohnen und worauf Nutzer achten müssen.
Inhalt
Was sind dynamische Stromtarife?
Üblich sind bisher Stromtarife mit festem Grund- und festem Arbeitspreis. Beide bleiben über einen längeren Zeitraum konstant, unabhängig davon, wie hoch das Stromangebot ist. Für den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage müssen die Netzbetreiber sorgen. Wenn sich einzelne Preisbestandteile über einen längeren Zeitraum ändern, passen die Versorger ihre Tarife an. Wer Stromkosten sparen möchte, sucht nach einem Anbieter mit einem günstigeren Tarif, der auch über längere Zeit stabil bleibt.
Dynamische Stromtarife haben keinen festen Strompreis. Dieser ändert sich je nach Angebot stündlich und richtet sich nach dem aktuellen Preis an der Strombörse. Sie ist der Großhandel für Strom, bei dem Stromlieferanten ihren Strom einkaufen.
Das Energiewirtschaftsgesetz definiert die dynamischen Stromtarife in § 3 Punkt 31d als “Vertrag, in dem die Preisschwankungen auf den Spotmärkten, einschließlich der Day-Ahead- und Intraday-Märkte, in Intervallen widergespiegelt werden, die mindestens den Abrechnungsintervallen des jeweiligen Marktes entsprechen”.
Am Spotmarkt wird der Strom kurzfristig gehandelt, in der Regel für den nächsten Tag (daher: Day-Ahead). Durch den zunehmenden Ausbau der Wind- und Solarenergie schwankt das Stromangebot im Laufe eines Tages. Entsprechend dieses Angebotes verändert sich auch der Strompreis an der Börse. Übersteigt das Angebot die Nachfrage deutlich, kann der Preis ins Negative fallen, das ist besonders bei windreichen oder sonnigen Tagen immer häufiger der Fall. Umgekehrt kann der Strompreis ohne Sonnenschein und Wind erheblich steigen.
Solche Schwankungen müssen die Stromversorger bei der Kalkulation eines festen Strompreises berücksichtigen. Dafür ist im Stromtarif ein Risikozuschlag enthalten. Bei dynamischen Tarifen können sie hingegen die jeweils aktuelle Preisentwicklung an ihre Kunden weitergeben. Damit profitieren Verbraucher von niedrigen Preisen an der Strombörse, tragen aber auch das Risiko der hohen Preise.
Wie funktionieren Angebote für dynamische Stromtarife?
Wie bei festen Tarifen haben auch die dynamischen Tarife einen festen Grundpreis. Der Arbeitspreis hingegen ist veränderlich und richtet sich nach dem aktuellen Börsenpreis. Margen, Netzentgelte, Umlagen, Abgaben und Steuern kommen noch hinzu bzw. sind in den Angaben der Anbieter enthalten. Der Arbeitspreis ändert sich bei den meisten Anbietern stündlich und wird in der Regel 24 Stunden vorher über ihre Website oder eine App bekanntgegeben.
Für eine genaue Abrechnung ist bei den meisten Anbietern/Angeboten ein intelligentes Messsystem (Smart Meter) erforderlich. Dieses misst den Stromverbrauch alle 15 Minuten und übermittelt ihn an den Messstellenbetreiber, der ihn an den Stromversorger weitergibt. Dadurch ist die stundengenaue Abrechnung entsprechend des jeweils aktuell gültigen Preises möglich. Anbieter für dynamische Tarife bieten die Installation des Smart Meters an oder arbeiten mit entsprechenden Lieferanten zusammen. Für den Betrieb des intelligenten Messsystems fallen zusätzliche Mietkosten an.
Die Beispielgrafik zeigt die Preisschwankung im Laufe eines Tages. An manchen Tagen fallen die Schwankungen auch deutlich höher aus.
Alternativ bieten einige Stromlieferanten eine monatliche Abrechnung an, für die kein Smart Meter erforderlich ist. Hier wird der Verbrauch manuell übermittelt und die Stromkosten werden mit dem durchschnittlichen Börsenstrompreis in dem jeweiligen Monat berechnet.
Pflicht für lastvariable oder dynamische Tarife ab 2025
Gemäß Paragraph 41a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) müssen ab Anfang 2025 alle Stromversorger in Deutschland ihren Kunden lastvariable, tageszeitabhängige oder dynamische Tarife anbieten. Diese Tarife sollen Anreize zur Energieeinsparung oder Steuerung des Energieverbrauchs schaffen. Zu dem verpflichtenden Angebot gehören Informationen über den Einbau eines intelligenten Messsystems, also eines Smart-Meters. Die Gestaltung des Angebots bleibt den jeweiligen Stromlieferanten überlassen.
Verbraucher können sich weiterhin frei für einen Stromliefervertrag mit festem oder variablem Tarif entscheiden.
Unterschiede der variablen Stromtarife
Diese variablen Stromtarife können die Versorger ihren Kunden in Zukunft anbieten.
Lastvariable Tarife bieten sich für steuerbare Geräte, wie Wärmepumpen, Ladestationen für Elektroautos und Nachtspeicherheizungen an. Sie ermöglichen den Netzbetreibern bei hoher Auslastung des Netzes, die Leistung für einzelne Geräte oder Anschlüsse zu reduzieren. Kunden erhalten im Gegenzug günstige Tarife mit reduzierten Netzentgelten. Für jedes steuerbare Gerät benötigen sie eigene Stromzähler, ein intelligentes Messsystem (Smart-Meter) ist nicht notwendig.
Tageszeitabhängige Tarife verändern den Strompreis im Laufe eines Tages zu bestimmten Zeiten. Geräte mit hohem Verbrauch, wie eine Wärmepumpe oder Wallbox, können über entsprechende Programmierung an Zeiten mit niedrigem Strompreis angepasst werden. Ein bekanntes Beispiel sind die HT- und NT-Tarife, die für Nachtspeicherheizungen gedacht waren. Variable Tarife ohne feste Zeiten orientieren sich in definierten Grenzen an der Entwicklung am Strommarkt. Ein intelligentes Messsystem ist für diese Tarife nicht zwingend erforderlich.
Dynamische Tarife ändern sich entsprechend der Strompreise am Spotmarkt an der Strombörse stündlich oder alle 15 Minuten. Diese Preise gibt der Anbieter an seine Kunden weiter. Daher ist ein intelligentes Messsystem (Smart-Meter) notwendig, um entsprechend abrechnen zu können.
Für wen lohnen sich dynamische Stromtarife?
Der Nutzen eines dynamischen Stromtarifs ist insbesondere von der Höhe und Flexibilität des Stromverbrauchs abhängig. Je höher der Verbrauch, desto höher ist das Potenzial zur Einsparung von Stromkosten mit einem dynamischen Stromtarif. Aus diesem Grund ist der Vorteil für einzelne Kunden- oder Zielgruppen sehr unterschiedlich.
Einfamilienhausbesitzer
Wer im Einfamilienhaus über eine Wallbox für das Elektrofahrzeug und eine Wärmepumpe für die Heizung verfügt, profitiert besonders durch einen dynamischen Stromtarif. Diese Personengruppe kann besonders bei den genannten Verbrauchern den Strombezug in Zeiten mit geringeren Preisen verlegen, um die Verbrauchskosten zu reduzieren. Auch andere Haushaltsgeräte, wie zum Beispiel Waschmaschine oder Geschirrspüler, können zu einer Tageszeit mit geringeren Stromkosten genutzt werden.
Wer im Besitz eines Batteriespeichers ist, kann diesen bei niedriger Solarstromerzeugung und günstigen Strompreisen laden. Damit ist man zwar unabhängiger von Zeiten mit hohen Strompreisen, muss jedoch die Ladeverluste des Speichers berücksichtigen.
Mieter
Als Mieter hat man keine eigene Wärmepumpe und nur bei einem eigenen Stellplatz die Möglichkeit, eine Wallbox zu installieren und betreiben. Daher ist die Möglichkeit, den Stromverbrauch anzupassen, auf Geräte mit hohem Stromverbrauch, wie Waschmaschine, Wäschetrockner und Geschirrspüler beschränkt. Auch Staubsauger und Bügeleisen haben für kurze Zeit einen hohen Verbrauch, der vielleicht ebenfalls in Zeiten mit günstigeren Preisen verlegt werden kann. Stromspeicher für Balkonkraftwerke können das Potenzial zur Reduzierung der Stromkosten erhöhen
Unternehmen
Dynamische Stromtarife bieten Unternehmen die Möglichkeit, flexible Verbraucher entsprechend der Strompreise zu nutzen. Je mehr Geräte vorhanden sind, die nicht zu bestimmen (Arbeits-)Zeiten oder den ganzen Tag betrieben werden müssen, desto höher ist das Potenzial, Stromkosten zu sparen. Das gilt auch für Maschinen, die nur nachts oder in den frühen Morgenstunden laufen, wie zum Beispiel die Backöfen beim Bäcker. Ein dynamischer Stromtarif kann dazu beitragen, die Stromkosten zu reduzieren. Wärmepumpen zur Heizung oder Kühlung und Ladestationen für die betrieblichen Elektrofahrzeuge bieten ebenfalls Einsparpotenziale.
Energiewirtschaft
Dynamische Stromtarife sorgen für mehr Effizienz und Flexibilität in der Energiewirtschaft. Vorhandene Kapazitäten zur Stromerzeugung werden besser ausgenutzt, wenn der Strom zu der Zeit verbraucht wird, zu der er erzeugt wird. Damit verringert sich der Bedarf, zusätzliche Erzeugungskapazitäten bereitzuhalten. Diese Tarife bieten einen Anreiz, den Stromverbrauch in Zeiten mit einer hohen Verfügbarkeit zu verlagern und leisten damit einen Beitrag zur Stabilität der Stromnetze. Der Bedarf eines Netzausbaus reduziert sich durch die bessere Auslastung.
Energielieferanten entwickeln auf der Basis dieser Tarife neue Dienstleistungen zur Optimierung des Energieverbrauchs ihrer Kunden und bringen Bewegung in den Markt.
Energiewende
Dynamische Tarife bieten zusätzliche Anreize, Strom aus Solar- und Windenergie zu nutzen und unterstützen ihren Ausbau sowie die Integration in das bundesweite Energiesystem. Sie ermöglichen Verbrauchern von den Vorteilen der Energiewende zu profitieren und sorgen damit für mehr Akzeptanz. Bisher boten ihnen niedrige Preise an der Strombörse keinerlei Vorteile.
Wo Chancen sind, gibt es auch Risiken
Die Höhe des Strompreises kann im Laufe eines Tages sehr stark schwanken. Er kann sehr niedrig sein, aber auch wesentlich höher als ein herkömmlicher fester Strompreis. Das Risiko: werden die hohen Preise nicht beachtet, erhöhen sich die Stromkosten im Vergleich zu einem festen Tarif. Für Verbraucher mit dynamischen Tarifen ist es schwieriger, die Höhe der monatlichen Stromkosten vorauszuplanen.
Für den Kunden heißt das: er muss die Strompreise zu jeder Zeit im Blick haben und seinen Stromverbrauch entsprechend organisieren. Die manuelle Planung ist sehr schwierig und aufwändig, beinhaltet sogar die Gefahr, dass Geräte mit hohem Verbrauch in Zeiten mit hohen Preisen betrieben werden.
Hilfreich und notwendig ist daher ein Energiemanagement, das große Stromverbraucher entsprechend der Strompreise automatisiert steuern kann. Viele Heim-Energiemanagementsysteme (HEMS) für Betreiber einer Photovoltaik-Anlage haben bereits eine solche Funktion oder können entsprechend erweitert werden. Lösungen für ein Smart-Home bieten ebenfalls die Möglichkeit, Haushaltsgeräte entsprechend zu steuern.
Wer einen Stromvertrag mit dynamischen Preisen abschließt, sollte sich die Vertragsbedingungen genau durchlesen und die Kündigungsfristen beachten. Durch die monatliche Abrechnung bieten einige Anbieter relativ kurze Kündigungsfristen von 14 Tagen oder einem Monat.
Fazit
Dynamische Stromtarife verändern den Markt für Stromkunden. Sie geben ihnen die Möglichkeit, ihren Verbrauch an die Preisentwicklung an der Strombörse anzupassen. Damit profitieren sie von dem zunehmenden Ausbau der Solar- und Windenergie und unterstützen die Stabilität der Stromnetze. Wer mehrere flexible und hohe Stromverbraucher betreibt, kann seinen Verbrauch verlagern und entsprechend Geld sparen. Es muss aber auch beachtet werden, dass die Strompreise nicht nur fallen, sondern auch sehr hoch steigen können. Daher ist ein gutes Energiemanagement notwendig, um das Potenzial, das die schwankenden Strompreise bieten, nutzen zu können.
Haben Sie oder hast Du schon Erfahrungen mit einem dynamischen Stromtarif?
Ihr Beitrag über dynamische Stromtarife ist sehr informativ und hilfreich! Es ist faszinierend, wie solche Tarife es normalen Verbrauchern ermöglichen, von den Marktpreisschwankungen zu profitieren. Welche Tipps würden Sie geben, um den besten Anbieter für einen dynamischen Tarif auszuwählen?
Das ist ein sehr informativer Beitrag über dynamische Stromtarife und ihre Vorteile in Bezug auf die Preisschwankungen am Strommarkt. Es ist beeindruckend, wie genau du die Unterschiede zu festen Tarifen herausgearbeitet hast und die Relevanz solcher Tarife für Verbraucher klar machst. Hast du auch Beispiele für Anbieter von dynamischen Tarifen?