§ 14a EnWG: Der Weg zu einem flexiblen Stromnetz und einer erfolgreichen Energiewende
Gastbeitrag von Carlo Lazar, Aidon Oy
In Deutschland nimmt die Energiewende Fahrt auf. Mehr Haushalte setzen auf erneuerbare Energien, Elektroautos und Wärmepumpen. Doch wie können wir diese Entwicklungen vorantreiben, ohne das Stromnetz zu überlasten? Hier kommt § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ins Spiel. Er gilt bereits seit dem 1. Januar 2024 für alle neuen Geräte, die ans Stromnetz angeschlossen werden. Bis spätestens 1. Januar 2027 müssen die entsprechenden Maßnahmen umgesetzt werden. Mit diesem Gesetz wird Netzbetreibern die Möglichkeit gegeben, den Stromverbrauch flexibel zu steuern, Lastspitzen abzufedern und so die Netzstabilität zu sichern. Dazu müssen sie entweder 15 % der Privathaushalte mit intelligenten Messsystemen (Smart Meter Gateways) ausstatten oder 7 % der Niederspannungs-Ortsnetzstationen mit fortschrittlicher Messtechnik und Kommunikationsinfrastruktur ausrüsten. Der Komfort für Verbraucher bleibt davon unberührt – eine Schlüsselstrategie für die Zukunft des Energiesystems.
Inhalt
Warum ist § 14a EnWG so entscheidend?
Deutschland steht vor der Herausforderung, den Strom aus erneuerbaren Quellen zu integrieren. Seine Erzeugung ist aber wetterabhängig und dadurch oft unregelmäßig. Schwankungen in der Stromproduktion können das Netz belasten, besonders wenn gleichzeitig viele Verbraucher wie Elektroautos oder Wärmepumpen betrieben werden. Auch die Einspeisung von Solarenergie kann zu Schwankungen im Netz führen, und zwar gerade auf der Ebene der Ortsnetzstationen (Trafostationen). Sie sind die Verbindung zwischen Mittel- und Niederspannungsnetz und bringen die Spannung auf das übliche 230-Volt-Haushaltsniveau. Lastspitzen oder ungleichmäßige Einspeisung belasten die Transformatoren und verursachen kurzfristige Schwankungen. Das kann im schlimmsten Fall zu Problemen in einzelnen Straßenzügen oder darüber hinaus führen.
§ 14a EnWG bietet hier eine Lösung. Er erlaubt Netzbetreibern, den Stromverbrauch flexibler Geräte wie Wärmepumpen, E-Auto-Ladestationen oder smarten Haushaltsgeräten in Zeiten hoher Netzbelastung kurzzeitig zu drosseln. Das schützt das Netz vor Überlastung und maximiert die Nutzung erneuerbarer Energien.
Wie funktioniert § 14a EnWG in der Praxis?
Im Alltag bedeutet das: Wenn dein Netzbetreiber sieht, dass das Stromnetz stark belastet ist, kann er den Stromverbrauch bestimmter Geräte für einen kurzen Zeitraum anpassen. Dies geschieht auf Grundlage von Vereinbarungen in deinem Stromtarif. Durch Smart Meter und direkte Laststeuergeräte wird der Verbrauch intelligent geregelt, ohne dass du etwas davon merkst.
Zum Beispiel: Dein Elektroauto lädt gerade auf, aber es gibt einen Engpass im Stromnetz. Der Netzbetreiber kann nun die Ladeleistung deines Autos für maximal zwei Stunden senken, sodass das Netz entlastet wird. In dieser Zeit wird dein Auto zwar etwas langsamer aufgeladen, aber du hast immer noch genug Energie für den nächsten Tag.
Neben Wärmepumpen und E-Auto-Ladestationen könnten in Zukunft auch smarte Haushaltsgeräte oder sogar industrielle Maschinen in diese Steuerung eingebunden werden. Damit könnte § 14a EnWG nicht nur für private Haushalte, sondern auch für Unternehmen eine tragende Rolle spielen und zur Netzstabilität beitragen.
Verbraucher können von flexiblen Tarifen und attraktiven Anreizen profitieren:
- Zeitabhängige Stromtarife bieten günstigeren Strom, wenn das Netz wenig belastet ist – ideal für E-Auto-Besitzer und Smart-Home-Nutzer, die bei Stromüberschuss sogar kostenlos laden oder Gutschriften erhalten können. In Skandinavien sehen wir bereits: Solche dynamischen Tarife tragen ebenfalls zu einer Stabilisierung des Stromnetzes bei. § 14 a und dynamische Stromtarife dürften sich in Zukunft auch in Deutschland sinnvoll ergänzen.
- Bonusprogramme belohnen angepassten Verbrauch mit Rabatten oder Bonuszahlungen und orientieren sich an erfolgreichen Modellen aus anderen Ländern.
Pilotprojekte: Praxisbeispiele zur Umsetzung von § 14a EnWG
Mehrere Pilotprojekte in Deutschland testen derzeit die praktische Umsetzung des § 14a EnWG. Ein herausragendes Beispiel ist ein Projekt zur Digitalisierung von Ortsnetzstationen. Es wird durch das finnische Unternehmen Aidon Oy gemeinsam mit dem Stadtwerk Haßfurt vorangetrieben. Diese Digitalisierung ermöglicht es den Netzbetreibern, das Stromnetz in Echtzeit zu überwachen und präzise Daten zur Netzqualität, Spannung, Strom und Leistung zu erheben. Durch den Einsatz moderner Messtechnologien können Netzbetreiber flexibel auf Überlastungen reagieren und Lasten anpassen, was besonders beim Laden von Elektrofahrzeugen von Bedeutung ist. Die Echtzeitdaten, die aus den digitalisierten Ortsnetzstationen stammen, bilden die Grundlage für eine intelligente Steuerung der Lasten, um das Netz stabil und effizient zu halten.
Neben diesem Projekt gibt es auch in weiteren Regionen Deutschlands Versuche, bei denen Netzbetreiber und Verbraucher zusammenarbeiten, um flexible Lösungen zu finden. Diese Projekte untersuchen, wie unterschiedliche Technologien – von Smart Metern bis zu innovativen Tarifmodellen – den Stromverbrauch so steuern können, dass Netzstabilität und Komfort für die Verbraucher gewährleistet bleiben. Die Digitalisierung der Ortsnetzstationen spielt dabei eine Schlüsselrolle, da sie es den Netzbetreibern ermöglicht, sofort auf Veränderungen im Netz zu reagieren und die Lasten gezielt zu steuern, um das gesamte System effizient zu stabilisieren.
Alle Pilotprojekte zeigen, wie § 14a EnWG deutschlandweit umgesetzt werden kann. Sie bieten wertvolle Erkenntnisse, wie der Übergang zu einem flexibleren und nachhaltigeren Energiesystem aussehen könnte.
14a EnWG: Impulsgeber für Innovation und Arbeitsplätze
§ 14a EnWG fördert nicht nur die Netzstabilität, sondern eröffnet auch neue Chancen für Innovation und Beschäftigung. Die zunehmende Digitalisierung des Energiesystems erfordert neue Technologien und Dienstleistungen – von intelligenten Netzlösungen bis zur Analyse der Verbrauchsdaten. So entstehen rund um intelligente Stromnetze neue Berufsbilder, wie etwa Smart-Grid-Consultants, Netzdigitalisierungs-Projektleiter, Energiemanager und Business-Intelligence-Datenspezialisten. Diese Fachkräfte entwickeln smarte Netzsysteme, optimieren erneuerbare Energien und analysieren Energiedaten.
Die langfristige Bedeutung des § 14a EnWG für die Energiewende
Die Zukunft der Energieversorgung ist digital, dezentral und flexibel. § 14a EnWG ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Durch die intelligente Steuerung des Stromverbrauchs können Netzbetreiber teure Netzausbauten vermeiden, und Verbraucher können aktiv zur Stabilisierung des Netzes und zur Integration erneuerbarer Energien beitragen.
Um das volle Potenzial dieses Gesetzes auszuschöpfen, ist es wichtig, dass alle Beteiligten – von den Energieversorgern über die Kommunen bis zu den Verbrauchern – gemeinsam anpacken und die gebotenen Chancen nutzen.
Energieversorgungsunternehmen sollten in intelligente Netze investieren und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Städte können durch den Ausbau des Netzes und intelligente Quartierskonzepte zur Energiewende beitragen. Verbraucher haben die Möglichkeit, durch flexibles Verhalten, wie der Wahl flexibler Tarife oder der Bereitstellung von Speicherkapazitäten, aktiv mitzuwirken.
Projekte wie in Haßfurt zeigen, dass die Umsetzung von § 14a EnWG technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist. Es ist wichtig, diese Erkenntnisse zu verbreiten und schnell zu handeln, da der Klimawandel sofortiges Engagement erfordert. Wenn wir die Chancen des § 14a EnWG nutzen und die Energiewende gemeinsam angehen, kann Deutschland zum Vorreiter für intelligente Netze und erneuerbare Energien werden und so die Grundlage für eine nachhaltige Zukunft schaffen.
Über den Autor
Carlo Lazar ist Experte für intelligente Stromnetze bei Aidon und verantwortlich für Dänemark und EMEA. Zuvor war er in leitenden Funktionen verschiedener Unternehmen der Energiebranche und Technologie tätig. In seiner Rolle ist er betraut mit den technischen und kaufmännischen Aspekten der Smart Grids sowie mit innovativen Technologien wie digitalen Ortsnetzstationen. Zudem ist Carlo Autor auf der Smart-Grid-Informationsplattform smarte-stromnetze.de, die von Aidon mit dem Zweck betrieben wird, die Vorteile von Smart Grids und Wege zu einer erfolgreichen Energiewende in Deutschland aufzuzeigen.