Kommunale Wärmeplanung – Erfahrungen eines Bürgermeisters
In Baden-Württemberg mussten die Großen Kreisstädte ihre Wärmeplanung bis Ende 2023 fertiggestellt haben. Sie sind damit den meisten Städten in Deutschland einen wichtigen Schritt voraus. In meiner Beitragsreihe über die kommunale Wärmeplanung möchte ich nicht nur über die Städte und ihre Aufgaben schreiben. Mir ist es wichtig, neben der Beschreibung der generellen Aufgaben auch die Sichtweise einer Stadt kennenzulernen und zu erfahren, wie sie sich konkret mit dem Thema auseinandergesetzt hat.
Ich habe die Möglichkeit genutzt und meine Heimatstadt nach ihrer Vorgehensweise und ihren Erfahrungen gefragt. Vom ersten Bürgermeister der Stadt Herrenberg habe ich Antworten auf meine Fragen bekommen.
Interview mit dem Ersten Bürgermeister der Stadt Herrenberg
Herrenberg liegt fast in der Mitte von Baden-Württemberg, etwa 30 Kilometer südwestlich von Stuttgart und 20 Kilometer westlich von Tübingen. Die Stadt hat rund 33.000 Einwohner, die in der Kernstadt und den sieben Ortsteilen leben.
Rund um die Stiftskirche, die von weitem als Wahrzeichen zu erkennen ist, verteilen sich die Fachwerkhäuser der historischen Altstadt. In den Wohnsiedlungen stehen überwiegend Ein- und Zweifamilienhäuser sowie kleinere Mehrfamilienhäuser.
Die flächenmäßig größte Stadt im Landkreis Böblingen ist Standort einiger mittelständischer Unternehmen und Sitz der Zweigstellen diverser Konzerne. Sie liegt im Einzugsgebiet der Städte Böblingen, Sindelfingen und Stuttgart, in die viele Einwohner Herrenbergs täglich zur Arbeit pendeln.
Meine Fragen zur kommunalen Wärmeplanung hat Stefan Metzing, Erster Bürgermeister von Herrenberg, beantwortet.
Wie ist die Stadt Herrenberg an die Aufgabe der Wärmeplanung herangegangen und was waren die ersten Schritte?
Mit den Regelungen im Klimaschutzgesetz KlimaG Baden-Württemberg kam im Jahr 2020 die Aufgabe als Pflichtaufgabe auf Herrenberg zu. Es gab wenig Erfahrung. Wir haben gleich zu Beginn unsere Stadtwerke und unsere Stabsstelle Klima- und Umweltschutz mit einbezogen. Einer der ersten Schritte war die Auswahl eines geeigneten Dienstleisters, der mit der inhaltlichen Bearbeitung betraut wurde und entsprechende Erfahrungen vorweisen konnte.
Wer hat den Prozess in die Hand genommen und gab es Hilfe von außen?
Die Stadtwerke haben hier eine wichtige Funktion übernommen; insgesamt war es aber eine Gemeinschaftsaufgabe zwischen Verwaltung und Stadtwerken. Hilfe haben wir insbesondere von der Landesenergieagentur KEA-BW bekommen, mit entsprechenden Infoveranstaltungen, aber auch einem Leitfaden und weiteren Angeboten.
Was war bisher die größte Herausforderung bei dieser Aufgabe?
Eine besondere Herausforderung war, die völlig neue Aufgabe in die bestehenden Abläufe zu integrieren und die damit zusammenhängende zusätzliche Arbeit zu schultern, ohne dass dafür zusätzliche Personalressourcen zur Verfügung gestanden haben.
Wie sieht der Beteiligungsprozess der Öffentlichkeit und einzelner Interessengruppen aus?
Die direkten Stakeholder, also Stadt, Stadtwerke und Ingenieurdienstleister trafen sich regelmäßig alle 4 bis 6 Wochen zur Verifizierung der erarbeiteten Daten und Fakten und zur Abstimmung der nächsten Schritte. Darüber hinaus wurde eine Unternehmensumfrage zu möglichen Abwärmepotentialen durchgeführt. Weiterhin gab es eine umfangreiche Zwischenpräsentation mit Vertretern der Stadtverwaltung und des Klimabeirates des Gemeinderats. Vor dem Beschluss durch den Gemeinderat erfolgte zum Ende des Prozesses eine Bürgerinformationsveranstaltung, die mit rund 70 Teilnehmenden gut besucht war. Abgerundet wurde das ganze durch die Möglichkeit, online Feedback zu geben, das in die Evaluation der Wärmeplanung einfließen wird.
Welche Aufgabe haben die Stadtwerke bei der Wärmeplanung?
Die Stadtwerke waren von Anfang an zentraler Akteur, denn wenn es z. B. um die zukünftige Entwicklung von Wärmenetzen geht, müssen die Umsetzungsfähigkeit und die Möglichkeiten im eigenen Unternehmen für realistische Szenarien berücksichtigt werden.
Welchen Ratschlag können Sie Städten geben, die jetzt mit der Wärmeplanung beginnen?
Fangen Sie frühzeitig an, schaffen Sie Strukturen, benennen Sie Ansprechpartner im eigenen Hause, die auch mit den notwendigen zeitlichen Ressourcen ausgestattet sind, nutzen Sie Hilfe von Energieagenturen und weitere Beratungsangebote.
Welche Maßnahmen haben Sie für die ersten Schritte identifiziert und wie geht es weiter?
Wir haben verschiedene Maßnahmen bereits im Wärmeplan festgelegt. Dabei geht es um die zukünftige strategische Implementierung der Wärmeplanung in der Stadt, die Information und Aktivierung von Bürgern, Industrie und Gewerbe sowie um die weitergehende Untersuchung der Machbarkeit von Wärmenetzen dort, wo die Ergebnisse der kommunalen Wärmeplanung entsprechende Potenziale aufgezeigt haben.
Gerade zum Thema Wärmenetze sind wir schon an mehreren Stellen (Kernstadt und Polizeihochschule/Stadtwerke) in die nächsten Schritte (Voruntersuchungen als Basis für die Antragstellung zur BEW-Förderung) eingestiegen. Auch wurden bereits in zwei Baugebieten die Wärmenetzpotentiale näher untersucht. In einem davon soll das Thema weiter verfolgt und realisiert werden.
Insgesamt muss aber ein sehr realistischer Blick darauf geworfen werden, was einerseits als Potenzial identifiziert wurde und was sich andererseits mit den vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen auch tatsächlich umsetzen lässt. In Herrenberg zeigt sich, dass kaum bis keine sinnvoll verwertbaren Wärmequellen vorhanden sind, die den Bau eines Wärmenetzes ermöglichen. Daher wird es perspektivisch eine Diskrepanz zwischen den Wärmebedarfen und der Möglichkeit, diese durch Wärmenetze tatsächlich zu bedienen, geben.
Fazit
Kommunen haben mit der Wärmeplanung eine neue Aufgabe bekommen, mit der sie sich bereits auseinandersetzen mussten oder aktuell auseinandersetzen müssen. Dieser Beitrag gibt einen Einblick in die Wärmeplanung einer eher kleinen Stadt mit historischem Ortskern, eher wenig Mehrfamilienhäusern und vielen Einfamilienhäusern.
Vielleicht kann ich auch noch die Entwicklung der Wärmeplanung in einer anderen Stadt verfolgen.
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Hm, als Herrenberger Bürger und Energieinteressierter habe ich so meine Probleme mit der Aussage von Herrn Metzing. Denn in Herrenberg gibt es so wie in jeder anderen Kommune jede Menge Energiequellen. Zum Beispiel die im Erdboden oberflächennahest gespeicherte Sonnenenergie, die man ganz einfach „ernten“ und in Kalte Nahwärmenetze einspeisen kann, die dann von gebäudeeigenen Wärmepumpen auf das Heizniveau gehoben wird. Wie das geht, machen andere Stadtwerke schon vor.
Und was ist mit der Außenluft als erneuerbare Wärmequelle? Zum Beispiel aus Dänemark kommen schlüsselfertige Luft-Wasser-Großwärmepumpen, die ganze Quartiere beheizen können. Diese werden seit Jahren dort mit großem Erfolg gebaut und eingesetzt. Ich finde, die Stadt und die Stadtwerke machen es sich zu einfach und setzen persektivisch auf Wasserstoff in ihrem Erdgasnetz. Dass dieser auch in Zukunft sehr knapp und teuer bleiben wird, nehmen sie zu Lasten ihrer Kunden und der Bürgerinnen und Bürger in Kauf. Die müssen selbst sehen, wo sie bleiben. Zum Glück gibt es spannende Lösungen zum Beispiel mit PVT-Modulen und Solewärmepumpen, die auch Bestandsgebäude klimaneutral heizen können.
Ich habe bei diesem Beitrag bewusst auf einen inhaltlichen Kommentar zur Wärmeplanung verzichtet. Mir war es wichtig, das Verfahren und die Vorgehensweise in den Mittelpunkt zu stellen und nicht auf die Inhalte der Wärmeplanung selbst einzugehen.
Die große Bedeutung der synthetischen Gase, deren Verfügbarkeit und noch Kosten noch völlig ungeklärt sind, halte ich für sehr schwierig und kann nach hinten losgehen. Es gibt noch viele weitere Technologien, das ist keine Frage.