Kommunale Wärmeplanung – strukturierter Prozess zur Klimaneutralität
In einigen Bundesländern soll eine Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung für mehr Klimaschutz im Wärmesektor sorgen. Es ist das erste Instrument, das einen strukturierten Prozess auf den Weg zur Klimaneutralität bringt. Im Wärmesektor ist das auch dringend notwendig, denn hier haben wir in den vergangenen Jahren zu wenig Fortschritte erzielt.
In diesem Artikel zeige ich, warum die Wärmewende so schwierig ist, was sich hinter der kommunalen Wärmeplanung verbirgt, wo sie Pflicht ist und wo es weitere Unterstützung gibt.
Inhalt
Bedeutung der Wärme für den Klimaschutz
Die Energiewende im Wärmesektor spielt noch eine vergleichsweise geringe Rolle. 2021 lag der Anteil von erneuerbaren Energien in der Wärmeversorgung bei 16,2 Prozent. Bei der Stromversorgung liegt ihr Anteil bereits bei 41 Prozent.
Dabei verbrauchen wir die Hälfte der Endenergie (nutzbare Energie) in Deutschland für die Wärmeversorgung.
Für Raumwärme und Warmwasser nutzen private Haushalte in Deutschland nach wie vor überwiegend fossile Energieträger:
- Fast die Hälfte der Haushalte heizt mit Erdgas und ein Viertel mit Heizöl.
- Bei neuen Heizkesseln sind die fossilen Energieträger nach wie vor gut vertreten. Trotz der Gaskrise waren 2022 mehr als die Hälfte der verkauften Wärmeerzeuger Gaskessel (61 Prozent).
- Wärmenetze setzen hauptsächlich Erdgas (47 Prozent) und Kohle (18 Prozent) ein. Erneuerbare Energien haben einen Anteil von 18 Prozent, der vor allem aus Biomasse und biogenen Siedlungsabfällen besteht.
Ähnlich verhält es sich bei der Prozesswärme für die Industrie. Diese wird zu 41 Prozent aus Erdgas und 20 Prozent aus Kohle erzeugt.
Der hohe Anteil an fossilen Energieträgern in der Wärmeversorgung verdeutlicht das Potenzial zur Reduzierung der CO₂-Emissionen und damit die Bedeutung für den Klimaschutz.
Wärmeversorgung ist viel komplexer als Stromversorgung
An der Wärmeversorgung sind viele Akteure mit unterschiedlichen Interessen beteiligt und das ist auch die Schwierigkeit. Es gibt keine einheitliche Struktur, die sich zentral regeln lässt, wie zum Beispiel in der Stromversorgung. Private Hausbesitzer, Wohnungswirtschaft, Betreiber von Wärmenetzen, Gewerbebetriebe und die Industrie haben ihre eigenen Bedürfnisse und Vorstellungen.
Wärme kann, anders als Strom, nicht verlustfrei über weite Strecken transportiert werden. Erzeugung und Verbrauch liegen daher in der Regel räumlich nah beieinander. Entweder direkt im Gebäude oder wie bei Fernwärme im städtischen Umfeld.
Bei Fern- oder Nahwärme versorgen Wärmenetze ein einzelnes Quartier, eine Nachbarschaft oder seltener einen Stadtteil. Aus diesem Grund ist die Beteiligung von Kommunen sehr wichtig für die Wärmeplanung.
Unabhängig vom Betrieb der Wärmeversorgung erfordern alle Maßnahmen, ob bessere Gebäudeeffizienz oder eine neue Heizung, einen sehr großen Aufwand und hohe Investitionen. Entsprechend lange dauert die Refinanzierung. Eine ausgereifte und langfristige Planung ist daher für Investoren besonders wichtig.
Was ist eine kommunale Wärmeplanung und was bringt sie?
Hier kommt das Instrument der kommunalen Wärmeplanung ins Spiel. Sie dient der Koordinierung aller Maßnahmen zur Entwicklung und zum Aufbau einer klimaneutralen Wärmeversorgung in der jeweiligen Kommune. Es handelt sich dabei um einen strategischen Prozess, der den Umbau der kommunalen Wärmeversorgung effizient und auf die jeweilige Situation vor Ort ausrichtet.
Die Planung ist langfristig angelegt – bis zum Zeitpunkt der geplanten Klimaneutralität 2040 oder 2045, mit Zwischenziel 2030. Der Prozess selbst ist offen für Änderungen und nicht an bestimmte Technologien gebunden. Er dient dazu, den Weg von fossilen Energieträgern hin zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung abzustecken, Hürden für den Wechsel zwischen Technologien gering zu halten und Potenziale für lokale Wertschöpfung zu nutzen.
Der strategische Ansatz einer kommunalen Wärmeplanung bezieht alle Akteure in den Prozess ein:
- Stadtverwaltung – Stadtplanung, Tiefbauamt, Umweltamt
- Klimaschutzmanager und Energieberater
- Stadtwerke und Netzbetreiber
- externe Planer
- betroffene Bürgerinnen und Bürger
Kommunen erhalten mit einer kommunalen Wärmeplanung neben dem Pfad zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung die Grundlage für eine strategische Stadtentwicklung. In der Planung wird deutlich, welche Gebiete besondere Unterstützung benötigen, um die geplanten Ziele zu erreichen.
Der Schritt weg von fossilen Energieträgern und der Einstieg in neue Technologien haben weitreichende Folgen für Strom- und Gasnetze. Sieht eine Kommune in einzelnen Quartieren die Zukunft bei Wärmepumpen, muss das Stromnetz eventuell um- oder ausgebaut werden. Auch Betreiber von Gasnetzen erhalten eine Planbarkeit über den zukünftigen Bedarf.
Eigentümer, die sich um die Wärmeversorgung und Effizienz ihrer Gebäude kümmern müssen, bekommen in dem Prozess Planungssicherheit. Mit Unterstützung der kommunalen Wärmeplanung wissen sie, ob sie sich an ein Wärmenetz anschließen können (beziehungsweise bei einem bevorstehenden Anschlusszwang, müssen) oder ob sie in eigene Anlagen investieren oder bestehende austauschen müssen. Vielleicht hilft sie auch bei der Entscheidung, wie viel sie in Effizienzmaßnahmen investieren müssen.
Video der Agentur für Erneuerbare Energien: „Der kommunale Wärmeplan“
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Ablauf der Wärmeplanung: Von der Analyse bis zur Strategie
Der Prozess einer kommunalen Wärmeplanung besteht aus vier Phasen.
Für die Erklärung der einzelnen Phasen habe ich mich am Leitfaden für kommunale Wärmeplanung in Baden-Württemberg und am Praxisleitfaden der AGFW orientiert.
Bestandsanalyse
Die kommunale Wärmeplanung ist ein strukturierter Prozess, daher steht zu Beginn eine Analyse des Ist-Zustands. Hier werden Daten zum Gebäudebestand und der vorhandenen Energieinfrastruktur in der Kommune zusammengestellt. Dazu gehören die lokalen Rahmenbedingungen mit den Bebauungsplänen, städtebaulichen Verträgen und Eigentümerstrukturen.
Im nächsten Schritt werden Daten zum Energieverbrauch gesammelt, inklusive der Energieträger, Sektoren (Raumwärme oder Prozesswärme) und die dazugehörigen Treibhausgasemissionen. Dazu gehört auch die Struktur der Wärmeversorgung, mit der Art und dem Alter der Heizungen.
Gibt es große industrielle Verbraucher mit einem spezifischen Energiebedarf? Welche Erzeugungsanlagen sind vorhanden und gibt es Quellen für Abwärme?
Es werden auch anstehende demografische Veränderungen in einzelnen Quartieren erfasst, da sich dort leichter Änderungen umsetzen lassen.
Zum Abschluss dieser Phase wird der Wärmebedarf von Gebäuden in Karten räumlich dargestellt und vorhandene Netzkapazitäten für Wärme, Gas und Strom ermittelt.
Potenzialanalyse
Im nächsten Schritt des Prozesses werden die Potenziale zur Energieeinsparung von Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme ermittelt. Die wichtigste Aufgabe in dieser Phase ist jedoch die Erhebung der lokal verfügbaren technischen Potenziale von erneuerbaren Energien, Abwärme und Kraft-Wärme-Kopplung.
Dazu gehören alle im Gebiet der Kommune erschließbaren Wärmequellen aus
- Biomasse und Biogas
- Tiefe- und oberflächennahe Geothermie
- Solarthermie auf Frei- und Dachflächen
- Umweltwärme
- Abwärme aus der Industrie und dem kommunalen Abwasser
- Strom aus Solar- und Windenergie für Wärmeanwendungen
- Kraft-Wärme-Kopplung
Die Potenziale zur Nutzung der einzelnen Wärmequellen werden in Karten erfasst und räumlich dargestellt.
Video der Energieagentur Südwest: „Die kommunale Wärmeplanung – für Privathaushalte erklärt“
Entwicklung von Szenarien
In dieser Phase wird es richtig interessant, denn jetzt geht es um die Entwicklung von Szenarien auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung.
Sie werden auf das Ziel der Klimaneutralität ausgerichtet. Das ist zum Beispiel in Baden-Württemberg das Jahr 2040, kann aber auch ein lokales Ziel der Kommune sein, das schneller erreicht werden kann oder das Jahr 2045 als Ziel der Bundesregierung. In jedem Fall ist eine Angabe zum Stand 2030 als Zwischenschritt sinnvoll.
Jede Kommune legt jetzt dar, wie sie unter den Bedingungen aus den ersten beiden Phasen eine klimaneutrale Wärmeversorgung umsetzen kann. Dabei berücksichtigt sie auch die Entwicklung des Wärmebedarfs durch die demografische Entwicklung und energieeffiziente Sanierungen.
Bestandteil der Szenarienentwicklung ist eine Grobplanung für einzelne Versorgungsarten oder Technologen, die vor Ort zur Verfügung stehen. Daraus ergeben sich Folgen, zum Beispiel für Gas- und Stromnetze, die aus- oder zurückgebaut werden müssen.
Wärmewendestrategie
Nachdem Ziel und Weg bekannt sind, fehlt nur noch die Planung der Umsetzung. Aus der Wärmewendestrategie werden konkrete Maßnahmen zur Umsetzung geplant und ihre Priorisierung festgelegt. Damit werden sie zu einem festen Bestandteil der kommunalen Planung.
Das Klimaschutzgesetz von Baden-Württemberg schreibt die Umsetzung von mindestens fünf Maßnahmen innerhalb von fünf Jahren nach Veröffentlichung des Wärmeplans vor. Andere Bundesländer haben ähnliche Regelungen.
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