Kommunale Wärmeplanung – der digitale Zwilling als Datenbasis
Für die kommunale Wärmeplanung erheben die Kommunen eine Vielzahl an Daten. Sie sind wichtig für die Bestandsanalyse und Entwicklung von Szenarien für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. Wie können Kommunen diese Daten verarbeiten, auswerten und anschaulich darstellen, um Entscheidungen über den Weg zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung treffen zu können? Ohne geeignete Software ist das nur schwer möglich.
Eine Lösung sind sogenannte digitale Zwillinge der Kommune und ihrer Wärmeversorgung. In diesem Beitrag zeige ich die Bedeutung der Daten, erkläre den digitalen Zwilling und seine Aufgaben bzw. seinen Nutzen für die kommunale Wärmeplanung.
Inhalt
Daten sind das A&O der kommunalen Wärmeplanung
Angaben zum Energiebedarf und Alter der Gebäude, zu den Emissionen, den eingesetzten Heizungstechnologien und zum Alter der Heizungen sind wichtige Grundlagen in der Bestandsanalyse im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung.
Für die Datenerhebung greifen die Kommunen auf bereits vorliegende Daten, z. B. von Energieunternehmen, Netzbetreibern, Schornsteinfegern oder Behörden zurück. In Baden-Württemberg beispielsweise ist im Klimaschutzgesetz eine Ermächtigung der Kommunen festgeschrieben, gebäudescharfe Daten bei Energieunternehmen und Bezirksschornsteinfegermeistern zu erheben. Ohne diese gesetzliche Grundlage dürfen diese ihre Daten aus wirtschaftlichen und datenschutzrechtlichen Gründen nicht an die Kommunen weitergeben.
Das bedeutet aber auch, dass Vorgaben zum Datenschutz beachtet werden müssen. Es darf zum Beispiel zu keinem Zeitpunkt sichtbar sein, welchen Energieverbrauch einzelne Bürgerinnen und Bürger oder Unternehmen haben. Veröffentlichungen enthalten daher nur Angaben zu Häuserblöcken mit mindestens fünf bis zehn Objekten.
Neben dem Energieverbrauch einzelner Gebäude sind weitere Daten für die Bestandsanalyse wichtig:
- Dreidimensionale Gebäudemodelle
- Alter der Gebäude
- Flächennutzungsplan
- Bebauungsplan
- Einwohnermeldedaten
- Liegenschaftskataster
Diese und weitere erforderliche Daten listet die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen in ihrer Arbeitshilfe Teil 1 auf. Die Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg hat ebenfalls eine ausführliche Liste von Daten zusammengestellt, die Kommunen für die Durchführung einer kommunalen Wärmeplanung benötigen.
Wichtig ist natürlich, mit Daten grundsätzlich sparsam umzugehen und nur wirklich notwendige zu erheben. Dennoch ist die Datenmenge sehr hoch, teilweise aus 50 verschiedenen Quellen. Die Beschaffung der einzelnen Daten kann sehr aufwändig sein und darf nicht unterschätzt werden.
Nachdem der Wärmeplan erstellt ist, müssen die genauen Daten der Gebäude gelöscht werden. Nur für eine Aktualisierung werden sie erneut erhoben.
Die Daten der Bestandsanalyse sind eine wichtige, einheitliche und gemeinsame Grundlage für alle beteiligten Akteure. Sie vereinfachen und standardisieren nachfolgende Planungen und Prozesse.
Verantwortliche Mitarbeiter der Verwaltung oder der beauftragten Dienstleister sollten den Umgang mit Daten im Ablauf der Wärmeplanung vom ersten Schritt an einplanen. Dies reicht von der Erfassung der Daten über ihre Bearbeitung und Visualisierung bis zur Auslegung der Wärmenetze und des kommunalen Energiesystems.
Video zur Geodatenanalyse in der kommunalen Wärmeplanung bei den Berliner Energietagen 2023
Was ist ein digitaler Zwilling?
Im Zusammenhang mit der kommunalen Wärmeplanung ist häufig von einem digitalen Zwilling als Hilfsmittel die Rede. Dieses Hilfsmittel ist nicht jedem bekannt, der vor der Aufgabe zur Erstellung einer kommunalen Wärmeplanung steht.
Die Idee des digitalen Zwillings stammt aus der Industrie, genauer gesagt aus der digital vernetzten Produktion der Industrie 4.0.
Mit dem digitalen Zwilling wird ein digitales Abbild eines realen, materiellen Objekts erstellt. Das kann ein Produkt, ein Produktionsprozess oder auch ein Geschäftsmodell sein. Anhand dieses virtuellen Modells werden Simulationen mit dem Ziel durchgeführt, das reale Objekt zu optimieren oder Fehler zu finden, bevor sie Probleme verursachen.
Das bedeutet, der digitale Zwilling ist mehr als ein buntes Modell eines realen Objekts. Er besteht aus vielen Daten und Verknüpfungen, die komplexe Simulationen ermöglichen. Dadurch werden die Folgen von Änderungen sichtbar, bevor sie am realen Objekt umgesetzt werden.
Aufgaben des digitalen Zwillings für die kommunale Wärmeplanung
Eine Wärmeplanung beruht auf einem Datenpool zu Gebäuden und Netzen in der Kommune. Auch die geplanten Maßnahmen im Rahmen der Stadtentwicklung, z. B. Wachstumsbereiche oder Sanierungen gehören zu dieser Planung. Nur mit einem umfassenden Überblick ist eine gezielte Transformation der Wärmeversorgung möglich.
Aber wie bekommt man den Überblick über diesen Berg an Daten? Mit dicken Büchern und ausgedruckten Plänen wohl kaum. Auch Excel-Tabellen oder -Diagramme sind bei dieser Komplexität keine geeignete Lösung.
„Eine kommunale Wärmeplanung auf Papier macht keinen Sinn. Sie muss bis zur vollständigen Umsetzung gepflegt und angepasst werden – und das geht nicht mit geplotteten Netzplänen und verteilten Excel-Diagrammen.“
enersis CEO & Gründer Thomas Koller im Interview mit dem energate messenger.
Hier kommt der digitale Zwilling ins Spiel. Er kann alle Beteiligten auf dem gleichen Wissensstand halten und sie anschaulich informieren. Er ist eine Plattform, die alle Energieverbräuche und CO2-Emissionen erfasst, berechnet und grafisch darstellt.
Die Wärmeplanung ist ein Schritt zu dem Ziel der lokalen Klimaneutralität. Der digitale Zwilling ist die unterstützende Plattform für diesen Weg, eine Art Wanderkarte auf dem Weg in die kommunale Klimaneutralität.
Ein digitaler Zwilling in der kommunalen Wärmeplanung
- zeigt den Wärmeverbrauch, die Emissionen oder andere Daten in räumlich aufgelöster Form, ohne dass Rückschlüsse auf den Energieverbrauch einzelner Bürger oder Betriebe möglich sind,
- ermöglicht eine kontinuierliche Aktualisierung der Daten,
- ermöglicht effektiven Austausch der Informationen und Ideen aller Beteiligten,
- bildet die Energieprozesse in einer Kommune ab,
- schafft die Voraussetzungen für einen Soll-Ist Vergleich in der Umsetzung,
- erleichtert die Planung und Aufstellung von Szenarien,
- ermöglicht eine anschauliche Darstellung der Planung für Immobilienbesitzer und Bürger und
- schafft die Grundlage für die Fortschreibung der Wärmeplanung.
Eine Wärmeplanung soll Kommunen auf dem Weg in die Klimaneutralität helfen. Der digitale Zwilling ist das Navigationsgerät und weist Kommunen den Weg.
„Die Datenaufnahme für den kommunalen Wärmeplan ist die ideale Grundlage dafür, einen digitalen Zwilling aufzusetzen. Kommunen, die entsprechende Pläne haben, sollten also die Chance dringend nutzen. Vor allem, weil die Fortschreibung im Gesetz verankert ist.“
Hinnerk Willenbrink, Forschungsgruppenleiter an der FH Münster.
Der Handlungsleitfaden Kommunale Wärmeplanung in Baden-Württemberg empfiehlt den Kommunen, die gesamte Wärmeplanung als digitalen Zwilling anzulegen. Den Kommunen eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, diesen in die weitere Stadt- und Infrastrukturplanung der Fachabteilungen und Stadtwerke zu integrieren. Eine digitale, räumlich aufgelöste Darstellung erleichtert die Kommunikation mit der Öffentlichkeit, insbesondere mit Bürgerinnen und Bürgern.
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Wem nutzt der digitale Zwilling?
Die verschiedenen an der Wärmeplanung beteiligten Akteure haben mit dem digitalen Zwilling den gleichen Kenntnisstand über die Planungen und können sich so effektiv austauschen. Er ist somit eine Kommunikationsplattform, die die Zusammenarbeit fördert und Vorteile für alle bringt:
Städte & Regionen:
- Verteilung von Energieverbräuchen und Emissionen im Stadtgebiet
- Zielpfad zur Einsparung von Energie und CO2-Emissionen
- Ermittlung der Potenziale der Kommune
- Anschauliche und effiziente Kommunikation der Planung mit den Bürgern und Betroffenen
Energieversorger und Stadtwerke:
- Positionierung als zukunftsfähiger Partner von Stadt und Stadtwerk
- Umsetzung von Ergebnissen der kommunalen Wärmeplanung
- Ermittlung der Auswirkungen auf die Versorgungsnetze
- Unterstützung der Kommunen bei der Erreichung ihre Klimaziele
Energieplanungs- und Beratungsunternehmen:
- Prozess der Datenbeschaffung optimieren
- Abstimmung mit Gemeinden und Energieversorgern
- Vereinheitlichter Datenbestand
- Dokumentation der Fortschritte
- Veranschaulichung der Potenzialflächen
Bürgerinnen und Bürger:
- Transparenz in den Planungen der Kommune
- Einblick in den Fortschritt auf dem Weg zur Klimaneutralität
- Grundlage für Beteiligungsmöglichkeiten
Software-Anbieter für die Praxis
Seit Einführung der kommunalen Wärmeplanung in den ersten Bundesländern hat sich ein Markt für Software-Anbieter eines digitalen Zwillings in der kommunalen Wärmeplanung entwickelt. Das Leistungsangebot ist teilweise sehr umfangreich. Eine Bewertung oder ein Vergleich wäre zu umfangreich, daher verweise ich nur auf die mir bekannten Anbieter:
- Eneka
- enersis climate intelligence gaia
- Greenventory
- IP SYSCON GmbH
- SDS Smart Data Services
- simergy
- Community Heat Compass von the early birds
Fazit
Ein digitaler Zwilling bietet einen umfassenden Überblick über die gesamten Daten im Rahmen einer kommunalen Wärmeplanung. Er ist ein digitales Instrument, das den Umgang mit der Datenfülle wesentlich erleichtert, die Planung und Aufstellung von Szenarien vereinfacht und eine bessere Kommunikation ermöglicht.
Die kommunale Wärmeplanung ist sicher auch ohne ein digitales Tool möglich. Aber je größer die Kommune ist, desto wichtiger ist der Einsatz einer geeigneten Software. Nur damit behält man den Überblick über den großen Datenbestand und kann sie anschaulich visualisieren.
Allerdings hat der Einsatz einer digitalen Plattform einen Preis, den sich vielleicht nicht jede Kommune leisten kann.
Wie verarbeiten Kommunen die Daten für die Wärmeplanung? Ist eine stetige Aktualisierung ohne großen Aufwand möglich?
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Erfahren Sie mehr über mich und meine Arbeit
„Eine kommunale Wärmeplanung auf Papier macht keinen Sinn. Sie muss bis zur vollständigen Umsetzung gepflegt und angepasst werden – und das geht nicht mit geplotteten Netzplänen und verteilten Excel-Diagrammen.“ Danke