Kommunale Wärmeplanung – von der Pflicht zur Praxis
Städte und Gemeinden erhalten mit der Wärmeplanung ein praktisches Instrument, das die Senkung der lokalen Treibhausgasemissionen in der Wärmeversorgung forciert. Sie sorgt für einen strukturierten Prozess beim Übergang einer konventionellen zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung.
In dieser Fortsetzung meiner Vorstellung der kommunalen Wärmeplanung erläutere ich, welche Bundesländer dieses Instrument zur Pflicht machen, wo die regionalen Unterschiede liegen und welche Unterstützung Kommunen erhalten.
Inhalt
Pflicht zur Erstellung einer kommunalen Wärmeplanung
Baden-Württemberg hat im Klimaschutzgesetz seit 2021 die Kommunen zu einer Wärmeplanung verpflichtet. In anderen Bundesländern ist eine Pflicht ab 2024 vorgesehen oder noch in Planung. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK möchte die Länder dazu verpflichten, den Kommunen eine Wärmeplanung vorzuschreiben, ein entsprechendes Gesetz wird derzeit diskutiert.
Baden-Württemberg


Die aktuelle Fassung des Klimaschutzgesetzes Baden-Württemberg vom 01. Februar 2023 sieht eine Netto-Treibhausgasneutralität (Klimaneutralität) bis 2040 vor. Demzufolge muss die Wärmeplanung nach § 27 bis 2040 eine klimaneutrale Wärmeversorgung erreichen. Ein Zwischenziel muss bis 2030 erreicht werden. Stadtkreise und Große Kreisstädte müssen bis 31.12.2023 dem Regierungspräsidium ihren Wärmeplan vorlegen.
Bei der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg finden Kommunen und beteiligte Akteure ein umfangreiches Informationsangebot zur kommunalen Wärmeplanung.
Hessen


In Hessen sind laut § 13 Hessisches Energiegesetz Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, ab 29.11.2023 verpflichtet, eine kommunale Wärmeplanung zu entwickeln, fortlaufend zu aktualisieren und zu veröffentlichen.
Die Planung soll ein klimaneutrales Szenario für 2045, mit einem Zwischenziel 2030, berücksichtigen. Betreiber von Wärmenetzen sind dazu verpflichtet, Pläne zur Dekarbonisierung mit mindestens 30 % erneuerbaren Energien und Abwärme für 2030 und bis 2045 auf 100 % vorzulegen.
Ein Leitfaden der Landesenergieagentur informiert Kommunen über die Vorteile und die Erstellung einer kommunalen Wärmeplanung.
Niedersachsen


Das Niedersächsische Klimaschutzgesetz verpflichtet in § 20 die Gemeinden, ab dem 01.01.2024 einen Wärmeplan zu erstellen und alle fünf Jahre fortzuschreiben. Stichtag für die Fertigstellung der Wärmepläne ist der 31.12.2026.
Betroffene Kommunen erhalten vom Land eine finanzielle Unterstützung für die Erstellung der Pläne.
Die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen bietet umfangreiche Unterstützung mit einer Videoserie, einem sechsteiligen Leitfaden und einer Reihe von Beispielen aus der Praxis.
Nordrhein-Westfalen


Laut Koalitionsvertrag sollen 2023 in Nordrhein-Westfalen die rechtlich verpflichtenden Voraussetzungen geschaffen werden, damit Kommunen einen Wärmeplan als informelles Planungsinstrument zur langfristigen Gestaltung der Wärmeversorgung erstellen.
Kommunen in NRW erhalten von NRW.Energy4Climate Unterstützung für die kommunale Wärmeplanung in Form von Informationen, Initialberatungen und Hilfestellung zur Beantragung von Fördermitteln.
Schleswig-Holstein


In Schleswig-Holstein müssen 78 Gemeinden, in denen etwa 60 Prozent der Bevölkerung leben, einen kommunalen Wärme- und Kälteplan erstellen. Die genaue Pflicht regelt § 7 im Energiewende- und Klimaschutzgesetz Schleswig-Holstein EWKG.
Größere Gemeinden müssen ihre Planung spätestens Ende 2024 und kleinere Gemeinden Ende 2027 beim zuständigen Ministerium vorlegen. Verpflichtete Gemeinden erhalten eine pauschale Zuweisung zur Finanzierung der entstehenden Kosten.
Weitere Informationen bietet das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur auf einer eigenen Themenseite zur kommunalen Wärmeplanung.
Förderung der kommunalen Wärmeplanung
Kommunen, die bislang nicht zu einer Wärmeplanung verpflichtet sind, zum Beispiel aufgrund ihrer Größe, erhalten eine Förderung für die Erstellung eines kommunalen Wärmeplans durch fachkundige externe Dienstleister.
Diesen Zuschuss können sie für die Erstellung des Plans, die Organisation und Durchführung der Beteiligung der Akteure sowie die begleitende Öffentlichkeitsarbeit verwenden.
Förderfähig sind 60 Prozent der Gesamtausgaben, bei Antragstellung bis 31.12.2023 sogar 90 Prozent. Bei finanzschwachen Kommunen und Kommunen aus Braunkohlegebieten gilt ein erhöhter Fördersatz von 80 beziehungsweise 100 Prozent.
Kommunen, die einer gesetzlichen Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung unterliegen, haben kein Anrecht auf den Zuschuss.
Weitere Unterstützung für Kommunen
Praxisleitfaden von AGFW und DVGW
Zusätzlich zu den Landesenergieagenturen oder Landesministerien haben der AGFW, Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V., und der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) einen Praxisleitfaden für die kommunale Wärmeplanung entwickelt.
In dem Leitfaden werden Mindestanforderungen für die Erstellung kommunaler Wärmepläne nach Gemeindegrößen formuliert und der strukturelle Aufbau erläutert. Er zeigt den Kommunen ihre Handlungsoptionen auf und unterstützt sie bei den ersten Schritten.
Akteure, die bisher wenig mit den konkreten Anforderungen der Wärmeversorgung befasst waren, werden mit dem Leitfaden in die Lage versetzt, konkrete Ausschreibungen für Bestands-, Potenzialanalyse und Szenarienentwicklung zu formulieren. Auch Themen wie Digitalisierung, Datenschutz, Fördermöglichkeiten und Finanzierung spielen eine wichtige Rolle. Im Ergebnis werden klimaneutrale Fokusgebiete benannt. Diese dienen zur langfristigen, sicheren und wirtschaftlichen Versorgung der Gemeinde und bilden die Grundlage der kommunalen Planung der Wärmewende.


Leitfaden des WWF Deutschland
Ein Leitfaden des WWF Deutschland skizziert den Ablauf der kommunalen Wärmeplanung und stellt zentrale Argumente für die Wärmewende bereit. Vieles hängt im Wärmesektor vom Handeln der Kommunen ab.
Der WWF möchte alle kommunalpolitisch Aktiven bestärken, sich mit dem hochaktuellen Thema Wärmeplanung zu beschäftigen. Mit dem Leitfaden bekommen sie eine erste Orientierung und Argumente, wie die Kombination von Klimaschutz, energetischer Unabhängigkeit und regionalem Wohlstandserhalt gelingt.
Kompetenzzentrum Wärmewende
Das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende KWW ist ein Projekt der Deutschen Energie-Agentur dena und soll zur zentralen Anlaufstelle für die kommunale Wärmeplanung werden. Zu den Aufgaben gehört die Vernetzung von Kommunen, Akteurinnen und Akteuren sowie die Unterstützung mit Fachwissen.
Beim Kompetenzzentrum Wärmewende finden Sie Beispiele aus der Praxis und Einblicke in die Herangehensweise von verschiedenen Städten und Landkreisen.
Leitfaden der Initiative Bürger Begehren Klimaschutz
In Kooperation mit der Energieagentur Ludwigsburg hat die Initiative Bürger Begehren Klimaschutz einen Leitfaden „So gelingt die kommunale Wärmeplanung: nachhaltig, sozial und partizipativ“ veröffentlicht. Neben den technischen Inhalten stellt er den politischen Handlungsspielraum der Städte und Kommunen in den Vordergrund. Es geht in diesem Leitfaden unter anderem um eine sozialverträgliche Wärmewende, um die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger und um Beteiligungsformate.
Video des BUND Baden-Württemberg: „Kommunale Wärmeplanung als zentrales Standbein der Energiewende“
Fazit: Von der Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung zur Praxis
Eine kommunale Wärmeplanung ist ein strukturierter Prozess für Kommunen auf ihrem Weg in eine klimaneutrale Zukunft. Dieser Prozess ist sehr aufwändig und arbeitsintensiv. Doch er kann sich lohnen und Kommunen einen großen Schritt in Richtung Klimaneutralität bringen.
Eine transparente und partizipative Planung kann die Bewohnerinnen und Bewohner einer Kommune in den Prozess der Wärmeplanung einbeziehen und sie aktiv an der Umsetzung der Maßnahmen beteiligen. Das Verfahren stärkt die Akzeptanz und das Verständnis in der Bevölkerung, kann auch neue Ideen und Potenziale bringen.
Denn die Wärmeplanung bietet für die beteiligten Akteure und alle Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer eine erste Orientierung. Sie zeigt neue Optionen für die Wärmeversorgung auf, sei es die Einbindung in ein neues Wärmenetz, die Nutzung von Abwärme oder erneuerbare Energien. Auf der anderen Seite bringt sie Planungssicherheit für Betreiber von Strom- und Gasnetzen.
Nach meiner Ansicht brauchen wir auf dem Weg zur Klimaneutralität mehr Partizipation, Struktur und Daten. Nur so können wir das Ziel effektiv und schnell erreichen. Entscheidend ist dann natürlich die Umsetzung in die Praxis.
Ist eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung also sinnvoll und notwendig für das Erreichen der Klimaziele?
Lesen Sie weiter in der Serie über digitale Zwillinge als Datenbasis für die kommunale Wärmeplanung.
Schöner Artikel! Ich frage mich dabei, ob freiwillige Anreize ausreichend sind. Mich erinnert es an Klimaschutzkonzepte, deren Maßnahmenkataloge in Schubladen schmoren. Es wird definiert was Dritte tun sollten. Warum aber sollten es diese Dritten, die eigentlichen Entscheidungsträger, tun? Ich fürchte, dass dies so nur in Einzelfällen gelingt, aber nicht breitenwirksam.
Die Skepsis zur Umsetzung der Wärmeplanung kann ich gut verstehen. Es hängt sehr stark von der Art der Umsetzung ab. Werden die betroffenen Akteure in die Erstellung des Wärmeplans einbezogen oder wird er nur in geschlossenen Zirkeln erstellt? Nach meinem Eindruck gehört die Beteiligung in vielen Prozessen dazu, nur der Umfang ist noch nicht klar oder sehr unterschiedlich.
Hallo Herr Kühl,
eine interessante Übersicht und ein ebensolcher Beitrag.
Das Bundesland M-V befindet sich gerade in einem Klimaschutz-Gesetzgebungsprozess. Der 1. Ref. Entwurf soll bis Q2 2023 vorliegen.
Wir bei ENEKA (eneka.de) pflegen eine ähnliche Karte.
Ausserdem bieten wir eine Softwarelösung, welche bei der flächendeckenden Erstellung von Wärmeplanen unterstützt.
Meine These ist, dass wir Stadtenwicklung, Egovernment und Energiewende zusammendenken müssen, um die Aufgaben erfolgreich zu meistern.
Schauen Sie doch einmal vorbei, vielleicht lohnt sich auch ein Gespräch.
VG Tobias Lerche
Vielen Dank, Tobias Lerche.
Ein guter Hinweis auf den Gesetzgebungsprozess in M-V. Ich werde versuchen, den Beitrag aktuell zu halten.
Interessante These, nehme ich vielleicht auf als Inspiration für einen möglichen dritten Beitrag in der Serie.