Kommunale Wärmeplanung – neue Aufgabe für Kommunen
Mehr als 10.000 Kommunen in Deutschland stehen vor der Herausforderung, einen kommunalen Wärmeplan als strategisches Werkzeug für den lokalen Klimaschutz zu erstellen. Für die Verwaltungen ist das eine personelle und finanzielle Herausforderung, die sie in den kommenden Jahren bewältigen müssen.
Um einen Eindruck von der Praxis zu bekommen, habe ich mir aktuelle Meldungen aus Zeitungen angeschaut und zwei Praktiker befragt, die zu diesem Thema im Austausch mit Kommunen und Bürgern stehen.
Inhalt
Wie gehen Kommunen mit der neuen Aufgabe um?
Medien zeigen ein sehr unterschiedliches Bild über den Umgang der Kommunen mit der Wärmeplanung. Zu unterschiedlich sind die Kommunen, ihre Klimaziele und vor allem ihre Möglichkeiten.
Manche Städte haben schon sehr früh begonnen und haben noch vor der Pflicht ihren Wärmeplan vorgestellt und beschlossen. Die Hansestadt Rostock gehört zu den Vorreitern und hat schon 2022 ihren Wärmeplan fertiggestellt. Die Umsetzung der Pläne hat schon begonnen und Hausbesitzer wissen bereits, ob sie an die Fernwärme angeschlossen werden.
Wer noch nicht angefangen hat, wartet oft noch ab, bis eine Förderung wieder verfügbar ist, damit sie die Kosten nicht komplett selbst übernehmen müssen. Manche warten noch auf die Zusage der Förderung, die sie noch im letzten Jahr beantragt haben. Andere wollen erst anfangen, wenn neue Mittel wieder verfügbar sind.
Viele Kommunen haben Fragen zur Wärmeplanung und müssen ihren eigenen Weg zur Umsetzung finden. In kleinen Gemeinden fehlen meistens die Fachleute, die sich mit der Thematik auskennen. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Beratung und Unterstützung.
Interview zum Umgang der Kommunen mit der Wärmeplanung
Für einen ersten Einblick in die Praxis habe ich die Praktiker Isabel Pöggel und Dr. Jens Clausen befragt. Beide stehen im Austausch mit Kommunen und Akteuren vor Ort. Frau Pöggel berät Kommunen bei der Beantragung von Fördermitteln und bei der Erstellung der Wärmepläne sowie Klimaschutzkonzepte. Herr Dr. Clausen hält Vorträge zur Wärmewende und ist Mitglied im Wärmewende-Beirat von Hannover.
Wie reagieren Akteure in den Kommunen auf diese neue Aufgabe?
Isabel Pöggel: Die Bewältigung dieser neuen Aufgabe stellt viele Kommunen vor erhebliche Herausforderungen. Diese beginnen bereits bei der Beantragung von Fördermitteln für kommunale Wärmepläne im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative. Oftmals fehlen den Kommunen die personellen Ressourcen, um das Projekt angemessen zu betreuen.
Dies führt zu einer großen Unsicherheit bezüglich verschiedener Aspekte. Zum Beispiel sind die Kommunen beim Ausschreibungsverfahren oft unsicher darüber, welche Leistungen in welchem Umfang ausgeschrieben werden sollen. Es ist bereits vorgekommen, dass Ausschreibungen aufgrund mangelnder Klarheit seitens der Kommunen wiederholt werden mussten. Zudem besteht Unklarheit darüber, wie umfangreich die Datenerhebung und -bereitstellung sein soll, was zu weiteren Unsicherheiten führt.
Dr. Jens Clausen: Die Reaktionen sind unterschiedlich. Es gibt Verwaltungen, die sich sorgfältig einarbeiten und dann zusammen mit Fachleuten rechtssichere Wärmepläne aufstellen wollen. Es gibt auch andere, die iterativ planen und die vielleicht einzelne Gebiete schon vorab als Fernwärmegebiete oder Gebiete mit dezentraler Wärmeversorgung ankündigen werden. Der Umgang mit anderen Gebieten würde dann nach und nach geklärt. Wieder andere setzen auf intensive Beteiligungsprozesse und auf Impulse aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Interessant finde ich, dass die Eigentümer:innen von Ein- und Mehrfamilienhäusern sich ein grundsätzlich schnelles Vorgehen wünschen. In Hannover haben Wohnungsunternehmen wie Handwerk, Mieterbund und Wissenschaft begrüßt, dass der Wärmeplan schon Mitte Januar 2024 vorlag. Dadurch ist bekannt, in welchem Gebiet sich das Haus befindet und womit man rechnen kann oder was auch nicht kommen wird.
Auch ein Fernwärmevorranggebiet mit Anschluss- und Benutzungspflicht ist auf einmal kein kritisches Thema mehr, denn in jedem Fall schafft einem die Fernwärme die lästige Pflicht vom Hals, sich selbst um 65 % regenerative Wärme zu kümmern. Das finden die Leute gut.
Aus Sicht der Bürger:innen also drängt der Prozess. Ich vermute, dass die Kommunen einige Zeit brauchen werden, bis sie das begreifen und vielleicht schneller vorangehen als eigentlich geplant.
Wer übernimmt in den Kommunen die Aufgabe, sich um die Wärmeplanung zu kümmern?
Isabel Pöggel: In den meisten Fällen übernimmt die Abteilung für Umwelt- und Klimaschutz oder des Bauamts innerhalb der Kommunalverwaltung die Aufgabe, sich um die Wärmeplanung zu kümmern. Innerhalb dieser Abteilung können spezialisierte Mitarbeiter oder Arbeitsgruppen eingerichtet werden, die sich gezielt mit Themen wie Energieversorgung, Wärmeplanung und nachhaltiger Entwicklung befassen.
Die Verantwortlichen in den Abteilungen arbeiten oft eng mit anderen relevanten Akteuren zusammen, darunter kommunale Energieversorger, Stadtplaner, Bauämter, externe Berater und Bürgerinitiativen. Durch diese Zusammenarbeit wird sichergestellt, dass die Wärmeplanung ganzheitlich betrachtet wird und verschiedene Interessen und Expertisen einfließen können.
In manchen Kommunen soll sich der Klimaschutzmanager darum kümmern, obwohl dies aus Sicht des Fördermittelgebers nicht der Fall sein soll.
Dr. Jens Clausen: Viele Kommunen werden Planungsbüros einbinden, die die Wärmeplanung mit ihrer Datensammlung und Konzepterarbeitung durchführen. Wo es sie gibt, sind auch Stadtwerke wichtig und viele Stadtwerke bieten jetzt die Wärmeplanung auch als eine eigene Dienstleistung an. Nicht nur für ihre eigene Kommune, sondern auch für andere.
Aber nicht nur die Planungsbüros müssen an der Planung arbeiten. Das kommunale Klimamanagement sollte sich so gut wie möglich einarbeiten. Denn auch jemand aus der Verwaltung sollte so viel von dem Prozess verstehen, dass er die professionellen Planer herausfordern kann und so dafür sorgt, dass der Plan auf möglichst effektiven Klimaschutz bei niedrigen Kosten für die Bürger:innen zielt.
Genauso sind viele Kommunalpolitiker:innen für den Prozess von Bedeutung. Letztlich muss der Plan vom Stadt- oder Gemeinderat beschlossen werden. Und das kann nur dann kompetent geschehen, wenn sich zumindest einige Personen aus dem Gemeinderat ein wenig in die Wärmewende einarbeiten. Dabei kann ihnen z. B. das Buch „Die Wärmwende. Zentrale Aufgabe einer klimaverantwortlichen Kommunalpolitik“ helfen, das die Wissenschaftlergruppe Scientists for Future erarbeitet hat und das man sich gratis herunterladen kann.
Was sind die größten Hindernisse für die Kommunen?
Isabel Pöggel: Die Erstellung von kommunalen Wärmeplänen stellt für viele Kommunen eine bedeutende Herausforderung dar. Die größten Hindernisse, mit denen sie konfrontiert sind, sind vielfältig. Zunächst ist die finanzielle Unsicherheit ein wesentliches Problem. Es ist oft unklar, ob ausreichende Mittel für die Umsetzung des Plans zur Verfügung stehen oder welche Fördermöglichkeiten genutzt werden können. Hinzu kommt der Mangel an Ressourcen. Viele Kommunen verfügen nicht über ausreichendes Fachpersonal oder finanzielle Mittel, um die erforderlichen Analysen, Planungen und Umsetzungsmaßnahmen durchzuführen.
Die Komplexität der Datenerhebung und -analyse stellt ein weiteres Hindernis dar. Die Beschaffung und Analyse von Daten zu Energieverbrauch, Gebäudestrukturen und Infrastruktur erfordert oft erhebliche Ressourcen und Fachwissen. Zudem herrscht oft Unsicherheit über rechtliche und technische Anforderungen, was den Planungsprozess zusätzlich erschwert. Die Koordination zwischen verschiedenen Interessengruppen ist ebenfalls problematisch. Die Einbeziehung und Koordination verschiedener Akteure wie Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Energieversorger und politische Entscheidungsträger kann schwierig sein und zu Konflikten oder Verzögerungen führen.
Zudem gibt es oft Widerstand gegen Veränderungen. Dies kann auf wirtschaftliche Interessen, mangelndes Bewusstsein für die Dringlichkeit des Klimaschutzes oder fehlende Akzeptanz neuer Technologien und Maßnahmen zurückzuführen sein.
Dr. Jens Clausen: Wichtige Hemmnisse für kommunales Handeln sind, wie in vielen Bereichen, das liebe Geld und das knappe Personal. Die in der letzten Zeit wackelnden Fördertöpfe haben gestört. Und die oft gut ausgelasteten Beschäftigten in der Verwaltung haben eben viel zu tun. Jetzt müssen sie sich auch noch umfangreich in ein komplexes Thema einarbeiten.
Ein sehr wichtiges Thema ist aber auch, dass quasi niemand in Deutschland wirklich Erfahrung in der Wärmeplanung hat. Der älteste Wärmeplan der Republik mag fünf Jahre alt sein, vielleicht weniger. Um erneuerbare Wärme hat sich kaum jemand gekümmert. Da fehlt es an allen Ecken und Enden an Fachwissen. Nicht nur in der Verwaltung, bei den Bürger:innen und den Unternehmen, sondern letztlich auch in den Planungsbüros, die sich jetzt in das Thema hineinstürzen. Und die wiederum wissen genau, dass jede Kommune ihre eigenen Möglichkeiten hat, erneuerbare Wärme zu gewinnen. Diese Potentiale gilt es herauszufinden. Das ist auch für engagierte Fachleute keine einfache Sache.
Welche Rolle spielen die Stadtwerke? Arbeiten Kommunen und Stadtwerke zusammen?
Isabel Pöggel: Stadtwerke sind oft für die Bereitstellung von Wärmeenergie in Form von Fernwärme oder anderen Versorgungssystemen verantwortlich. Sie verfügen über das erforderliche Know-how und die Infrastruktur, um die Wärmeversorgung in der Gemeinde sicherzustellen. Die Stadtwerke können Kommunen bei der Planung und Umsetzung ihrer Wärmepläne beraten und unterstützen. Dies umfasst die Bewertung von Technologien, die Entwicklung von Geschäftsmodellen sowie die Durchführung von Machbarkeitsstudien.
In vielen Fällen arbeiten Kommunen und Stadtwerke eng zusammen, um die Herausforderungen der Wärmeplanung anzugehen. Durch eine koordinierte Zusammenarbeit können Synergien genutzt, Ressourcen gebündelt und effektive Lösungen entwickelt werden, um die Ziele der Wärmeplanung zu erreichen.
Dr. Jens Clausen: Unbedingt. Stadtwerke, wo es sie denn nach 25 Jahren Privatisierung noch gibt, haben grundsätzlich gute Kenntnisse der Energiekund:innen in der Kommune, ein wichtiger Input für den Planungsprozess. Auch kennen sie viele Infrastrukturen wie Strom-, Gas- und Wärmenetze und betreiben sie teilweise selbst. Damit sind Stadtwerke in einer guten Ausgangsposition für die Wärmeplanung.
Aber auch die meisten Stadtwerke haben bisher vielleicht ein Erdgas- oder Kohlekraftwerk in KWK betrieben. Geothermie, Wärmepumpen, Abwärme oder gar Solarthermie: das war doch bis 2021 im Vergleich zu billigem Gas alles viel zu teuer. Niemand, selbst wenn er wollte, konnte da ernsthaft Projekte vorantreiben.
Auch hier muss also unendlich viel gelernt werden. Die Versuchung, dann einfach statt Gas und Kohle nun Biomasse oder Wasserstoff verbrennen zu wollen, ist groß. Da kennt man sich aus. Aber es ist der falsche Weg. Wasserstoff in der Grundlast ist eine teure Illusion und Biomasse wird schon jetzt knapp, obwohl noch viele neue Anlagen zur Wärmeerzeugung aus Biomasse im Bau sind.
Die richtige Orientierung geht in Richtung verbrennungsfreie Wärme. Und da ist eben wieder dieser Nachholbedarf. Aber mit ihren engagierten und lernbereiten Beschäftigten werden viele Stadtwerke hier in den nächsten Jahren Erstaunliches leisten. Davon bin ich überzeugt.
Über die Interviewpartner
Dipl. Ing. Isabel Pöggel (LinkedIn) ist Umwelttechnikerin und Klimaschutzberaterin mit mehr als 13 Jahren Erfahrung in der Planung, Umsetzung und Begleitung von kommunalen Klimaschutzprojekten beim Projektträger Jülich und der ZUG gGmbH. Seit Anfang 2023 ist sie die Inhaberin von Förbexx, einem Kommunalberatungs- und Ingenieurbüro, das sich auf die Erstellung von Klimaschutzkonzepten, kommunalen Wärmeplänen sowie Fördermittelanträgen spezialisiert hat.
Dr. rer. pol. Jens Clausen (LinkedIn) ist Mitgründer des Borderstep Instituts. Der Diplomingenieur für Maschinenbau beschäftigt sich mit Gründungs-, Innovations- und Transformationsforschung. Sein besonderes wissenschaftliches Interesse gilt den Themen Wärme, Elektromobilität und Digitalisierung. Er ist Mitglied im Wärmewende-Beirat der Landeshauptstadt Hannover.
Fazit
Die Antworten zeigen, Kommunen stehen am Anfang einer großen Aufgabe, die sie finanziell, personell und strukturell bewältigen müssen. Viele Kommunen sind bezüglich der Förderung und Herangehensweise noch verunsichert. Das zeigt, sie brauchen vielfältige Unterstützung, damit sie die Wärmeplanung erfolgreich und zielführend umsetzen können. Die Rolle der Stadtwerke scheint schwierig zu sein. Als Energielieferant und Infrastrukturbetreiber verfolgen sie eigene wirtschaftliche Interessen. Aber sie bringen auch Fachkompetenz mit und können damit eine hilfreiche Unterstützung sein.
Für mich zeigt es sich ganz deutlich – ein Bundesgesetz alleine reicht nicht, um die Wärmeplanung in Schwung zu bringen. Die Förderung ist sehr wichtig, aber die Kommunen brauchen auch Unterstützung durch die Länder und regionale Energieagenturen. Daran fehlt es in den meisten Bundesländern noch, wie meine Übersicht zeigt.
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In meiner Heimatstadt steckten wir auch in dieser Zwickmühle mit der Wärmeplanung – ein Neuland für uns alle. Der Anstoß kam von einer kleinen, aber leidenschaftlichen Bürgergruppe, die nicht lockerließ. Ehrlich gesagt, anfangs tappten wir ziemlich im Dunkeln. Fachwissen? Mangelware. Die Wende kam erst mit externer Hilfe und einer starken Partnerschaft mit den Stadtwerken. Aber wisst ihr, was wirklich den Unterschied machte? Die Leute ins Boot zu holen. Transparenz und Mitsprache sind Gold wert. Wir haben Treffen organisiert, Foren abgehalten – richtige Gemeinschaftsaktionen. Das Tolle: Als wir in unseren Altenheimen energiesparende Treppenlifte und Solarpanels installierten, sahen die Leute, was möglich ist. Besseres Leben für unsere Älteren und dazu noch Energie sparen – das hat viele überzeugt. Das zeigt: Bei so großen Aufgaben wie der Wärmeplanung sollte niemand im Regen stehen gelassen werden, egal wie groß oder klein die Kommune ist.