Kommunale Wärmeplanung – von der Pflicht zur Praxis
Aktualisierung des Beitrags vom 10.03.2023
Städte und Gemeinden haben mit der Wärmeplanung ein praktisches Instrument erhalten, das die Senkung der lokalen Treibhausgasemissionen in der Wärmeversorgung forciert. Sie sorgt für einen strukturierten Prozess beim Übergang einer konventionellen zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung.
In dieser Fortsetzung meiner Vorstellung der kommunalen Wärmeplanung erläutere ich das neue Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung. Ich zeige, in welchen Bundesländern es diese Pflicht bereits gibt, wie die Länder das Gesetz umsetzen und welche Unterstützung Kommunen in der Praxis erhalten.
Inhalt
Pflicht zur Erstellung einer kommunalen Wärmeplanung
Seit Jahresbeginn 2024 gilt das bundesweite Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze. Damit müssen die Länder gewährleisten, dass ihre Kommunen Wärmeplanungen nach den Vorgaben des Gesetzes aufstellen. Alle Anforderungen zur Dekarbonisierung der Wärmenetze habe ich in einem Beitrag über klimaneutrale Fernwärme vorgestellt.
Diese Wärmepläne müssen zum Stichtag
- 30.06.2026 erstellt werden für Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern und zum
- 30.06.2028 in Gemeinden unter 100.000 Einwohnern.
Dabei gilt die Einwohnerzahl am Stichtag 01.01.2024.
Für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern können die Länder ein vereinfachtes Verfahren vorsehen. Die Länder haben die Möglichkeit festzulegen, dass eine gemeinsame Wärmeplanung für mehrere Gemeindegebiete erfolgen kann.
Bestehende Wärmepläne, die auf der Grundlage eines Landesgesetzes erstellt wurden, behalten ihre Gültigkeit.
Weitere Regelungen im Gesetz:
- Beteiligung der Öffentlichkeit, Träger öffentlicher Belange, Netzbetreiber und weiterer natürlicher oder juristischer Personen
- Planungen für Aus- und Umbau der Strom-, Gas- und Wärmenetzinfrastruktur
- Berücksichtigung des Klimaschutzgesetzes und bestehender Transformationspläne oder Machbarkeitsstudien für Wärmenetze
- Auskunftspflicht der Behörden, Energieversorger und Messstellenbetreiber
- Datenverarbeitung (Datenschutz und Datensicherheit)
Das Gesetz definiert auch Anforderungen an den Wärmeplan für Gemeinden mit mehr als 45.000 Einwohnern. Dazu gehören u. a. die Rolle der von Verbrauchern ausgehenden Initiativen, zum Beispiel Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, sowie eine Bewertung der Finanzierung und potenzieller Synergieeffekte mit benachbarten Behörden.
Im vereinfachten Verfahren besteht insbesondere die Möglichkeit, den Kreis der Beteiligten zu reduzieren und ein Wasserstoffnetz auszuschließen, wenn in einem Teilgebiet ein Transformationsplan oder eine Machbarkeitsstudie für ein Wärmenetz erstellt wird oder bereits vorhanden ist.
Wärmeplanung in den Bundesländern
Baden-Württemberg hat im Klimaschutzgesetz seit 2021 die Kommunen zu einer Wärmeplanung verpflichtet. Anschließend folgten weitere Bundesländer mit eigenen Gesetzen.
Im Folgenden ein Blick in die Aktivitäten einzelner Bundesländer. Bis jetzt haben nicht alle Länder eigene Regelungen getroffen oder eine eigene Unterstützung der Kommunen aufgebaut. Eine gute Übersicht über die Aktivitäten der Bundesländer bietet das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende auf der Wissens-Seite.
Baden-Württemberg
Die aktuelle Fassung des Klimaschutzgesetzes Baden-Württemberg vom 01. Februar 2023 sieht eine Netto-Treibhausgasneutralität (Klimaneutralität) bis 2040 vor. Demzufolge muss die Wärmeplanung nach § 27 bis 2040 eine klimaneutrale Wärmeversorgung erreichen. Ein Zwischenziel muss bis 2030 erreicht werden. Stadtkreise und Große Kreisstädte waren verpflichtet, bis Ende 2023 dem jeweiligen Regierungspräsidium ihren Wärmeplan vorzulegen.
Bei der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg finden Kommunen und beteiligte Akteure ein umfangreiches Informationsangebot zur kommunalen Wärmeplanung.
Bayern
In Bayern informiert das Portal der Staatsregierung über die Wärmeplanung, Möglichkeiten zur Unterstützung, Planungsgrundlagen und mögliche Förderangebote.
Berlin
Die Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt arbeitet an einer gesamtstädtischen Wärmeplanung für das Land Berlin. Als Basis wird ein Wärmekataster aufgebaut, das die Daten der Bestands- und Potenzialanalysen enthalten soll.
Brandenburg
Das Energieportal Brandenburg informiert über die kommunale Wärmeplanung, Angebote zur Beratung, Publikationen und Möglichkeiten zur Förderung.
Hamburg
Hamburg informiert seine Bürgerinnen und Bürger transparent über Fragen zu klimafreundlichen Heizungen und in einem Wärmekataster über vorhandene Wärmenetze in Hamburg. Ferner informiert die Seite über den Stand der Wärmeplanung in Hamburg und was die Informationen für die Gebäudeeigentümer bedeuten.
Hessen
In Hessen sind laut § 13 Hessisches Energiegesetz Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern seit 29.11.2023 verpflichtet, eine kommunale Wärmeplanung zu entwickeln, fortlaufend zu aktualisieren und zu veröffentlichen.
Die Planung soll ein klimaneutrales Szenario für 2045, mit einem Zwischenziel 2030, berücksichtigen. Betreiber von Wärmenetzen sind dazu verpflichtet, bis zu diesem Zeitpunkt Pläne zur Dekarbonisierung mit mindestens 30 % erneuerbaren Energien und Abwärme vorzulegen. Bis 2045 muss ihr Anteil auf 100 % steigen.
Ein Leitfaden der Landesenergieagentur informiert Kommunen über die Vorteile und die Erstellung einer kommunalen Wärmeplanung.
Mecklenburg-Vorpommern
Die Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern unterstützt Kommunen bei der Erstellung der kommunalen Wärmepläne. Weitere Angebote des Landes gibt es nicht.
Niedersachsen
Das Niedersächsische Klimaschutzgesetz verpflichtet die Gemeinden in § 20, ab dem 01.01.2024 einen Wärmeplan zu erstellen und alle fünf Jahre fortzuschreiben. Stichtag für die Fertigstellung der Wärmepläne ist der 31.12.2026.
Das Bundesland unterstützt die Kommunen bei der Erstellung der Pläne finanziell.
Die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen bietet umfangreiche Unterstützung mit einer Videoserie, einem sechsteiligen Leitfaden und einer Reihe von Beispielen aus der Praxis.
Nordrhein-Westfalen
Nordrhein-Westfalen plant im ersten Halbjahr 2024 einen gesetzlichen Rahmen für die kommunale Wärmeplanung zu verabschieden.
Kommunen in NRW erhalten von der Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate Unterstützung für die kommunale Wärmeplanung in Form von Informationen, Initialberatungen und Hilfestellung zur Beantragung von Fördermitteln.
Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz erhalten Kommunen Unterstützung durch die Energieagentur Rheinland-Pfalz. Eine eigene Förderung und eigene Vorgaben gibt es bislang nicht.
Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein müssen 78 Gemeinden, in denen etwa 60 Prozent der Bevölkerung leben, einen kommunalen Wärme- und Kälteplan erstellen. Die genaue Pflicht regelt § 7 im Energiewende- und Klimaschutzgesetz Schleswig-Holstein EWKG.
Größere Gemeinden müssen ihre Planung spätestens Ende 2024 und kleinere Gemeinden Ende 2027 beim zuständigen Ministerium vorlegen. Verpflichtete Gemeinden erhalten eine pauschale Zuweisung zur Finanzierung der entstehenden Kosten.
Weitere Informationen bietet das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur auf einer eigenen Themenseite zur kommunalen Wärmeplanung.
Thüringen
Das Thüringer Klimagesetz hat 2018 den Klimaschutz auf kommunaler Ebene gestärkt. Gemeinden und Landkreise können Wärmeanalysen und darauf aufbauende Wärmekonzepte erstellen und entsprechend notwendige Daten anfordern. Fernwärmeunternehmen müssen ein Konzept für eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2040 entwickeln.
Bei der Thüringer Energieagentur THEGA erhalten Kommunen Informationen und Beratung zur Wärmeplanung sowie ein Kataster mit Abwärmequellen in Thüringen.
Haben Sie Interesse an mehr Beiträgen zum Thema klimaneutrale Wärme? In dieser Kategorie finden Sie weitere passende Texte aus dem Blog und im Newsletter informiere ich jeden Monat über neue Texte.
Förderung der kommunalen Wärmeplanung
Seit Ende 2023 wird keine direkte bundesweite Förderung für die kommunale Wärmeplanung mehr gewährt. Der Bund möchte jedoch den Ländern bis 2028 über erhöhte Anteile an der Umsatzsteuer insgesamt 500 Millionen Euro zukommen lassen. Dieses Geld steht den Landeshaushalten ab 2024 zur Verfügung und soll unbürokratisch und schnell in den Kommunen ankommen (Quelle).
Weitere Unterstützung für Kommunen
Praxisleitfaden von AGFW und DVGW
Zusätzlich zu den Landesenergieagenturen oder Landesministerien haben der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V. (AGFW) und der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) einen Praxisleitfaden für die kommunale Wärmeplanung entwickelt.
In dem Leitfaden werden Mindestanforderungen für die Erstellung kommunaler Wärmepläne nach Gemeindegrößen formuliert und der strukturelle Aufbau erläutert. Er zeigt den Kommunen ihre Handlungsoptionen auf und unterstützt sie bei den ersten Schritten.
Akteure, die bisher wenig mit den konkreten Anforderungen der Wärmeversorgung befasst waren, werden mit dem Leitfaden in die Lage versetzt, konkrete Ausschreibungen für Bestands-, Potenzialanalyse und Szenarienentwicklung zu formulieren. Auch Themen wie Digitalisierung, Datenschutz, Fördermöglichkeiten und Finanzierung spielen eine wichtige Rolle. Im Ergebnis werden klimaneutrale Fokusgebiete benannt. Diese dienen zur langfristigen, sicheren und wirtschaftlichen Versorgung der Gemeinde und bilden die Grundlage der kommunalen Planung der Wärmewende.
Leitfaden des WWF Deutschland
Ein Leitfaden des WWF Deutschland skizziert den Ablauf der kommunalen Wärmeplanung und stellt zentrale Argumente für die Wärmewende bereit. Vieles hängt im Wärmesektor vom Handeln der Kommunen ab.
Der WWF möchte alle kommunalpolitisch Aktiven bestärken, sich mit dem hochaktuellen Thema Wärmeplanung zu beschäftigen. Mit dem Leitfaden bekommen sie eine erste Orientierung und Argumente, wie die Kombination von Klimaschutz, energetischer Unabhängigkeit und regionalem Wohlstandserhalt gelingt.
Kompetenzzentrum Wärmewende
Das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende KWW ist ein Projekt der Deutschen Energie-Agentur dena und soll zur zentralen Anlaufstelle für die kommunale Wärmeplanung werden. Zu den Aufgaben gehört die Vernetzung von Kommunen, Akteurinnen und Akteuren sowie die Unterstützung mit Fachwissen.
Beim Kompetenzzentrum Wärmewende finden Sie Beispiele aus der Praxis und Einblicke in die Herangehensweise von verschiedenen Städten und Landkreisen.
Leitfaden der Initiative Bürger Begehren Klimaschutz
In Kooperation mit der Energieagentur Ludwigsburg hat die Initiative Bürger Begehren Klimaschutz einen Leitfaden „So gelingt die kommunale Wärmeplanung: nachhaltig, sozial und partizipativ“ veröffentlicht. Neben den technischen Inhalten stellt er den politischen Handlungsspielraum der Städte und Kommunen in den Vordergrund. Es geht in diesem Leitfaden unter anderem um eine sozialverträgliche Wärmewende, um die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger und um Beteiligungsformate.
Video des BUND Baden-Württemberg: „Kommunale Wärmeplanung als zentrales Standbein der Energiewende“
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Fazit: Von der Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung zur Praxis
Eine kommunale Wärmeplanung ist ein strukturierter Prozess für Kommunen auf ihrem Weg in eine klimaneutrale Zukunft. Dieser Prozess ist sehr aufwändig und arbeitsintensiv. Doch er kann sich lohnen und Kommunen einen großen Schritt in Richtung Klimaneutralität bringen.
Die Wärmeplanung bietet für alle beteiligten Akteure und Gebäudeeigentümer eine wichtige Orientierung. Sie bringt Betreibern von Strom- und Gasnetzen Planungssicherheit für die künftige Auslastung. Für Gebäudeeigentümer liefert sie wichtige Informationen über ihre Möglichkeiten zur klimaneutralen Wärmeversorgung.
Jetzt kommt es darauf an, dass Kommunen Unterstützung erhalten, damit die Wärmeplanung flächendeckend umgesetzt wird.
Wie ist der Stand der Wärmeplanung in Ihrer Stadt oder Gemeinde?
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Schöner Artikel! Ich frage mich dabei, ob freiwillige Anreize ausreichend sind. Mich erinnert es an Klimaschutzkonzepte, deren Maßnahmenkataloge in Schubladen schmoren. Es wird definiert was Dritte tun sollten. Warum aber sollten es diese Dritten, die eigentlichen Entscheidungsträger, tun? Ich fürchte, dass dies so nur in Einzelfällen gelingt, aber nicht breitenwirksam.
Die Skepsis zur Umsetzung der Wärmeplanung kann ich gut verstehen. Es hängt sehr stark von der Art der Umsetzung ab. Werden die betroffenen Akteure in die Erstellung des Wärmeplans einbezogen oder wird er nur in geschlossenen Zirkeln erstellt? Nach meinem Eindruck gehört die Beteiligung in vielen Prozessen dazu, nur der Umfang ist noch nicht klar oder sehr unterschiedlich.
Hallo Herr Kühl,
eine interessante Übersicht und ein ebensolcher Beitrag.
Das Bundesland M-V befindet sich gerade in einem Klimaschutz-Gesetzgebungsprozess. Der 1. Ref. Entwurf soll bis Q2 2023 vorliegen.
Wir bei ENEKA (eneka.de) pflegen eine ähnliche Karte.
Ausserdem bieten wir eine Softwarelösung, welche bei der flächendeckenden Erstellung von Wärmeplanen unterstützt.
Meine These ist, dass wir Stadtenwicklung, Egovernment und Energiewende zusammendenken müssen, um die Aufgaben erfolgreich zu meistern.
Schauen Sie doch einmal vorbei, vielleicht lohnt sich auch ein Gespräch.
VG Tobias Lerche
Vielen Dank, Tobias Lerche.
Ein guter Hinweis auf den Gesetzgebungsprozess in M-V. Ich werde versuchen, den Beitrag aktuell zu halten.
Interessante These, nehme ich vielleicht auf als Inspiration für einen möglichen dritten Beitrag in der Serie.