Kommunale Wärmeplanung – Erfahrungen aus Baden-Württemberg
Bei der kommunalen Wärmeplanung ist Baden-Württemberg vorangegangen und hat große Städte verpflichtet, ihre Pläne bis Ende 2023 fertigzustellen. Daher ist der Blick in den Südwesten besonders interessant.
Welche Erfahrungen haben die Kommunen gemacht, wie weit sind sie mit Planung und Umsetzung und wie fallen die Reaktionen darauf aus? Neben dem Blick in die Medien und den ersten Auswertungen habe ich einige Antworten von Markus Toepfer von der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg erhalten.
Inhalt
Stand der Planungen in Baden-Württemberg
Nach einem Bericht des SWR haben erst 60 Prozent der verpflichteten Städte und Stadtkreise bis zum Jahresende 2023 eine kommunale Wärmeplanung vorgelegt. Bei 40 von 104 Kommunen hatte sich die Abgabe verzögert. Ob inzwischen alle ihre Pläne vorgelegt haben, ist nicht bekannt. Nach Angaben des Umweltministeriums haben rund 240 Gemeinden freiwillig eine Wärmeplanung erstellt. Sie waren dazu nicht verpflichtet, haben aber eine Förderung vom Land erhalten.
Spannend ist dabei der Landkreis Lörrach, der als erster Landkreis eine interkommunale Wärmeplanung für alle 35 Städte und Gemeinden des Landkreises erstellt hat. Sie verfolgt eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2040 und erfüllt damit das Klimaschutzgesetz-Baden-Württemberg. Mit diesem Pilotprojekt ist der Landkreis ein Vorbild für andere Regionen in Deutschland, die ihre Wärmepläne gemeindeübergreifend in einem sogenannten Konvoi erstellen wollen.
Erste Auswertung der Erfahrungen aus Baden-Württemberg
Die baden-württembergischen Kommunen haben einen Vorsprung vor den übrigen Kreisen und Städten in Deutschland. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe hat die ersten 30 veröffentlichten Wärmepläne untersucht und die aufgezählten Maßnahmen analysiert.
In einem von der EU geförderten Projekt haben sie Interviews durchgeführt und festgestellt, dass die Wärmeplanung dazu beiträgt, die Wärmewende auf die Tagesordnung zu setzen und diesem Prozess eine Struktur zu geben. Dennoch kommt es auf motivierte Einzelpersonen an, um bestimmte Maßnahmen umzusetzen. Wichtig sei es daher, dass eine breite Palette von Maßnahmen ausgearbeitet wird, die auf den jeweiligen lokalen Kontext und die regionalen Bedingungen zugeschnitten ist, um eine nachhaltige und effiziente Wärmeversorgung zu erreichen.
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Baden-Württemberg hat ebenfalls eine Reihe der vorliegenden Wärmepläne ausgewertet. In der Auswertung bemängelt der Landesverband die unterschiedliche Qualität und Transparenz. Teilweise ist nicht zu erkennen, wie viel Wärme dezentral in den Häusern und wie viel über ein Wärmenetz verteilt werden soll. Es fehlen häufig Daten über den künftigen Energiemix oder die Energieträger der Wärmenetze. Einige Kommunen planen die Nutzung von Wasserstoff, ohne zu wissen, ob sich diese Technologie durchsetzen wird und genügend nutzbarer Wasserstoff zur Verfügung stehen wird.
Interview mit Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg
Haben Gemeinden, Städte und Kreise, die in Baden-Württemberg eine Wärmeplanung erstellt haben oder erstellen Fragen, ist die KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA-BW) ihr erster Ansprechpartner. Sie hat ein großes Angebot an Informationsmaterialien zusammengestellt und kann so schon viele Fragen der Kommunen beantworten.
Welche Erfahrungen die Kommunen in Baden-Württemberg gemacht haben und wie sie mit den Aufgaben umgehen, hat Markus Toepfer, Projektmanager für die Kommunale Wärmeplanung bei der KEA-BW, in einigen Fragen beantwortet.
Wie gehen Kommunen mit der Aufgabe Wärmeplanung um?
Die überwiegende Mehrheit der verpflichteten neun Stadtkreise und 95 Großen Kreisstädte hat einen Wärmeplan erstellt oder befindet sich im Schlussspurt der Aufstellung. Mehrere hundert Gemeinden haben Mittel für die freiwillige kommunale Wärmeplanung beantragt. Viele Gemeinden haben sich zur gemeinsamen Wärmeplanung, in sogenannten Konvois, zusammengetan. Die Größe variiert von mindestens drei bis hin zu den 32 Gemeinden des Landkreises Lörrach. Aus unserer Sicht haben sehr viele Kommunen erkannt, welchen Nutzen die Kommunale Wärmeplanung hat.
Was sind ihre größten Hindernisse oder Hürden?
Große Hürden sind die teilweise falschen Erwartungen an den Wärmeplan und die befürchteten Konsequenzen nach Aufstellung des Plans. Beim kommunalen Wärmeplan handelt es sich um einen informellen, sektoralen und strategischen gemeindeweiten Entwicklungsplan. Er hat keine direkte rechtliche Außenwirkung. Der Wärmeplan kann keine verbindlichen Aussagen zur Umsetzung von Wärme- oder Wasserstoffnetzen liefern. Das würde eine solche strategische Planung auf der „Flughöhe“ des Flächennutzungsplans überfordern.
Der Wärmeplan soll die Grundlage für die Koordinierung einer klimaneutralen Wärmeversorgung innerhalb einer Kommune oder eines Kreises im Jahr 2040 legen. Insbesondere in Gebieten, die wahrscheinlich nicht für eine leitungsgebundene Wärmeversorgung geeignet sind, sollen Bürgerinnen und Bürger für Alternativen sensibilisiert werden. Sie können ihre Gebäude bereits jetzt auf dezentrale Lösungen, wie zum Beispiel die Wärmepumpe, vorbereiten. So hoffen sie nicht unnötig auf ein Wärmenetz, das höchstwahrscheinlich nicht kommen wird.
Wie stellen die Kommunen sicher, dass aus der Wärmeplanung ein erfolgreiches Projekt für den Klimaschutz wird?
Der Erfolg der Wärmeplanung wird sich erst in der Rückschau bei der Fortschreibung des Wärmeplans in fünf bis sieben Jahren bewerten lassen. Grundsätzlich sehen wir es für die meisten Gemeinden als einen Erfolg an, eine Strategie zur klimaneutralen Wärmeversorgung zu haben. Insbesondere für die Großstädte wird die Umsetzung der Strategie eine große Herausforderung werden.
Für Bioenergiedörfer war es im Vergleich bislang meist ein Leichtes, ausreichende Potenziale an erneuerbarer Wärme bzw. Abwärme für wenige Einwohnerinnen und Einwohner zu erschließen. Aufgrund vielfältiger Flächenkonkurrenzen wird dies in den Großstädten nur sehr viel schwieriger gelingen. Hier sind Stadt-Land-Kooperationen bezüglich der Erzeugung zum Beispiel von Strom aus Windenergie oder der Nutzung von Tiefengeothermie wichtig.
Ziehen Kommunen externe Experten hinzu, damit alle möglichen Technologien für die Potenzialanalyse betrachtet werden?
Ja, die überwiegende Mehrzahl der Wärmepläne wird von externen Fachleuten im Auftrag der Kommune erstellt. In der Regel haben nur Großstädte die Kapazitäten, größere Teile der Wärmeplanung selbst zu bearbeiten. Die Potenziale aller technisch und rechtlich möglichen Technologien unterliegen aber gerade in den weiteren Planungsschritten einer Abwägung hinsichtlich der auftretenden Zielkonflikte. Das gilt von der Erstellung des Zielszenarios bis zur Entwicklung einer entsprechenden Strategie mit Maßnahmenkatalog. Nicht alles, was machbar ist, ist auch sinnvoll oder gar wirtschaftlich umsetzbar.
Interviewpartner
Markus Toepfer ist Projektmanager Kommunale Wärmeplanung des Kompetenzzentrums Wärmewende der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW). Das Kompetenzzentrum ist erster Ansprechpartner für Städte, Gemeinden und Landkreise im Südwesten, wenn es um die kommunale Wärmeplanung im Land geht.
Fazit
Baden-Württemberg hat ein ambitioniertes Ziel mit der Klimaneutralität 2040. Daher ist es wichtig, dass die Wärmeplanungen fertiggestellt werden und die Kommunen die nächsten Schritte zur Umsetzung beginnen können. Vorreiter haben es schwerer, aber die KEA-BW hat zahlreiche Unterlagen und Arbeitshilfen erarbeitet, die inzwischen sicher auch in anderen Bundesländern zum Einsatz kommen.
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Ich halte dieses ganze Thema für ein reine Hinhaltetaktik
Die Hoffnung der Kommunen ist, dass eh wieder nichts passiert
Der Beleg für meine Behauptung wird immer der Wasserstoff – Irrsinn sein
Jetzt sind die Kommunen an der Reihe, es liegt an ihnen, ob etwas passiert. Ich weiß, dass es Städte gibt, die es sich einfach machen und auf grüne Gase oder Wasserstoff verlassen. Die werden aber noch ihr blaues Wunder erleben, wenn sie sehen, dass es nicht verfügbar oder zu teuer ist.