Energetische Gebäudesanierung – vom Hoffnungsträger zum Sündenbock

Als Fachmann, ich bin Dipl.-Ing (FH) für Bauphysik, habe ich mich schon oft über das Erscheinungsbild von energetischen Gebäudesanierungen in den Medien gewundert. Trotz des großen Potentials zum Klimaschutz und steigenden Heizkosten wird sehr negativ und überspitzt über dieses Thema in seriösen Medien berichtet und viele Fehlinformationen werden verbreitet.
Seit bald einem Jahr versuche ich nun die Kommunikation von energetischen Gebäudesanierung zum Thema zu machen. Allein mit fachlichen Angaben und Fakten wird man jedoch mit der Energieeinsparung im Gebäudebestand nicht weit kommen.
Inhalt
Bessere Kommunikation von energetischer Gebäudesanierung notwendig
Angefangen habe ich mit einem Artikel im „Jahrbuch 2014 – Energieeffizienz in Gebäuden“ im Namen der Enerieblogger (wer Interesse an dem Buch hat, bitte melden) und dann weiter auf den Berliner Energietagen fortgesetzt, mit einer spontan organisierten Diskussionsrunde mit interessierten Fachleuten.
Alles unter der Frage wie man die Vorteile energetischer Geböudesanierung besser kommunizieren kann.
Zum Potential der energetischen Sanierung muss ich nicht viel schreiben. Rund 75% des Wohnungsbestandes in Deutschland ist nur wenig oder gar nicht saniert – dieses eine mal ist nicht die energetische Sanierung gemeint. Der Beitrag von Gebäuden zum CO2-Ausstoß in der EU beträgt 35% und in Deutschland sieht es kaum besser aus.
Ohne die Gebäude einzubeziehen ist also kein Klimaschutz möglich und dazu brauchen wir die energetische Sanierung im Bestand.
Doch immer mehr scheinen wir hier auf der Stelle zu treten und bekommn aus den Medien Begriffe wie „Dämmwahn“, „Armutsrisiko Sanierung“ und „Gefahr“ entgegen geschleudert.
Verengung der Kommunikation auf Wärmedämmung
Für eine Recherche über das Image der Dämmung hatte heute Kilian Rüfer, der mit mir zusammen die Diskussionsrunde organisiert hatte, herausgefunden, dass ab 2010 bei Google verstärkt nach den Worten „Dämmwahn“ und „Dämmung Schimmel“ gesucht wurde. Die Negativ-Berichte zeigten also Wirkung und viele Menschen sind verunsichert – sie wollen sich weiter informieren.
Hier zeigt sich wieder, dass die energetische Sanierung fast immer auf die Dämmung der Fassade reduziert wird. Das wird leider auch oft in der Praxis der Sanierungen so sein, aber ist das wirklich der Normalfall? Vorstellen kann ich es mir nicht. Aber ein einzelner Handwerkwerker ist nun mal schnell beauftragt und weniger Arbeit, bzw. günstiger als einen Architekt für eine komplette Planung zu beauftragen.
In dieser Verunsicherung der Mieter und Eigenheimbesitzer verbreiten sich Mythen und Fehlinformationen recht schnell. Die Verunsicherung steigt weiter an, energetische Sanierungen werden folglich eher weniger als mehr.
Fehlinformationen in der energetischen Sanierung müssen beseitigt werden

Um dem entgegen zu wirken und mehr aufzuklären hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) einige Informationen erarbeitet, die helfen sollen die meist verbreiteten Irrtümer über Wärmedämmung und energetische Gebäudesanierung zu beseitigen. Jetzt müssen diese guten Informationen weiter verbreitet werden und Fachleute dürfen dieses Wissen nicht mehr als selbstverständlich betrachten. So kann künftig hoffentlich nicht mehr so viel schief laufen in der Kommunikation zur Energieeffizienz von Gebäuden.
Vor der Veröffentlichung des neuen Argumentationspapier, um die Mythen bei der energetischen Gebäudesanierung zu widerlegen, hatte die DUH gesten interessierte Journalisten zu einem kleinen Presse-Workshop eingeladen. Experten hatten die Themen Dämmstoffe, Wirtschaftlichkeit von Sanierungen und Brandschutz näher erläutert und anschließend war Raum zur Diskussion.
Da war für mich auch so manch neue Information dabei, wie:
Der Energieinhalt der jährlich verbauten Polystyrol-Dämmung in Deutschland wird im Verkehrssektor in wenigen Stunden verbraucht. Die insgesamt verbaute Polystyrol-Dämmung wird innerhalb einer Woche von Fahrzeugen in Deutschland verfahren.
So lässt sich so manches Argument schnell entkräften, genauso wie die Recyclingfähigkeit und Haltbarkeit von Wärmedämmung. Mehr solcher Beispiele?
Problemfeld der Trennung von energetischer Sanierung und notwendiger Sanierung
Aus der Diskussion hat sich auch ergeben, dass die Mehrkosten für bessere Energieeffizienz sich in der Praxis sich nur noch theoretisch darstellen lassen. Mittlerweile wird jede Sanierung auf die Energiewende und auf den Klimaschutz geschoben. Dabei wird oft völlig vergessen oder vernachlässigt, dass Sanierungen ohnehin fällig werden – spätestens nach 50 Jahren. In veralteten Wohnungen möchte auch niemand wohnen und die Heizkosten sind wohl immer noch zu gering oder zu wenig präsent, als dass sie eine Rolle spielen.
Insbesondere der letzte Punkt dürfte neben der Kommunikation von großer Bedeutung sein für die Zukunft der energetischen Gebäudesanierung. Denn mit dieser Verknüpfung von jeder fälligen Sanierung mit der energetischen Gebäudesanierung, die genau dann am wirtschaftlichsten ist, hat sie sich von einem Hoffnungsträger für den Klimaschutz zu einem Sündenbock für gestiegene Mieten gewandelt. Das darf so nicht bleiben, hier müssen neue Lösungen her.
Ich werde weiter am Thema dran bleiben und am 08. Oktober, im Rahmen der Aktionswoche „Berlin spart Energie“ in Berlin wieder eine Diskussionsrunde anbieten. Nähere Infos werden noch folgen.
„Wir müssen nachweisen, dass sich die energetische Sanierung für die Eigentümer rechnet.“
aha !
„sich rechnet“ für den jeweiligen Eigentümer ? Nur so als Überlegung – ist nicht jede tatsächliche Energieeinsparung, welche bis zum „Lebensende“ der betroffenen Hütte andauert, etwas, was sich für „alle“ – wirklich alle „rechnet“.
Ich verstehe ja, wenn Sie – Ihre gesamte Zunft – bei dem Betroffenen meist mit „geldwerten Vorteilen“ Überzeugungsarbeit leisten müssen. Allerdings zeigt diese ausschließliche Konzentration auf das Pekuniäre, wie weit weg wohl alle noch von der Erkenntnis sind – „Energievermeidung“ – jede Energie die aus fossilen Quellen stammt – sollte – muss parallel zu der „Erzeugung“ – eigentlich Wandlung – sog. EE, geschehen.
Später wird Geld, auch viel Geld, wohl kaum noch den sich anbahnenden globalen Mangel beheben können. Keine Ahnung wie viel Zeit da noch bleibt. Jetzt noch, wo es „nur“ Geld kostet, eine positive Änderung herbeizuführen.
Der große Knall am XX.XX. 20?? wird ausbleiben. Kein „Weltuntergang“ nur eine globales Dahinsiechen mit all den „unangenehmen Begleiterscheinungen“ wie lokale Kriege – Kriegsflüchtlinge, Klimaflüchtlinge die sich dort retten wollen, wo sie eine Überlebenschance vermuten.
Schade, dass diese Überlegungen einfach verdrängt werden. Nach uns der totale Mangel – sorry liebe Kinder, Enkel, Urenkel …..??
Schöne Worte! Wenn aber eine Bauherr oder Hauseigentümer nicht zu der guten Gruppe der Beamten zählt, die eine weit bessere Altersversorgung haben, als z.B. Selbständige, die ihr Leben lang auch dafür mitwirkten, daß Arbeitnehmer ihren verdienten Lohn bekommen, müssen sie irgendwo eine Mieteinnahme haben.
Wer für sein Geld besser 1% Zinsen hinnimmt, die von 1,5% Inflationsrate aufgezehrt werden, desweiteren mit 0.25% Steuern, sollte nicht Wohnungen kaufen, die über die Miete nicht solchen Ertrag bringen. Dazu stimmt das Verhältnis häufig nicht mehr. Schon gar nicht, wenn Mieter mit der Sache so ungehen, als hielte ein Wohnhaus nur 10 Jahre. Das habe ich alles schon als Makler gesehen und erlebt.
Der Wert einer Wohnung steigt nicht immer, er kann auch deutlich sinken, ganz im Gegenteil zum Bargeld auf dem Konto.
Warum soll ich dann in Häuser investieren?
Ich spreche von meiner Berufsgruppe der Energieberater und Energiemanager.
Und gelingt dabei die Unterscheidung zwischen den ohnehin anfallenden Kosten und den Energieeffizienz-bedingten Mehrkosten?
Wer bitte ist „WIR“ ?
Wir müssen nachweisen, dass sich die energetische Sanierung für die Eigentümer rechnet.
Keine Sicherheit ob ich das zugrunde liegende Problem erkannt habe oder ebenfalls im Nebel herumstochere.
Klingt zunächst weit hergeholt, scheint aber einem Muster zu folgen – Das Buch von Harald Welzer „Klimakriege – Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird“ ein Buch das ich allen empfehle, welche noch die Devise „so schlimm wird es schon nicht kommen“ oder wahlweise „früher gab es auch schon Katastrophen usw“ für das richtige „Abwehrvoodoo“ halten. Gerade die werden sich weigern „so etwas zu lesen“
„Früher“ gab es keine ~7,2 Milliarden Menschen, die längst nahezu alle bewohnbare Gebiete bevölkern. Zugegeben mit unterschiedlicher Dichte, aber für größere „Umsiedlungen“ ist kein Platz mehr vorhanden bzw. will keiner „seinen Platz“ mit anderen teilen.
Nun in dem Buch wird ein Zusammenhang zwischen Gewalt und Veränderung hergestellt. Veränderungen verunsichern jeden. Statt rational damit umzugehen, schafft sich jeder seine eigene Kopfwelt die möglichst weit von den tatsächlichen Ereignissen entfernt ist. Oder „man“ / „frau“ folgt einem selbsternannten Guru der etwas „erkannt haben will“ was zwar wenig rational ist, aber sicherstellt, eine bestimmte Veränderung ist nicht notwendig, gefährlich usw. Damit ist das Problem sich der Realität selbst stellen zu müssen weit weg.
Hat sich dieses Denkschema einmal eingenistet, wird durchaus real gehandelt – inzwischen völlig unwichtig wie irreal die vorausgegangene „Begründung“ aussah. Das Erreichen der so etablierten Pseudolösungen wird mir den gewohnten rationalen Methoden vorangetrieben.
Da brennen dann ganze Stadtteile die zuvor gedämmt wurden nieder. Lösung, verhindern – um jeden Preis verhindern ! Schimmel kann (nach erfolgter erfolgreicher Gehirnwäsche) ausschließlich in zuvor wärmegedämmten Häuser gedeihen usw. usf.
Was passiert da aber tatsächlich ? Eine Veränderung, die Angst macht, ist eingetreten. Mit jeder Maßnahme die wegen solcher Veränderungen zu deren Bewältigung „notwendig“ wäre, verstärkt die Notwendigkeit eine drohende oder bereits vollzogene Veränderung überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.
Warum wohl starb der „Reiter über den (zugefrorenen) Bodensee ? Weil im die Gefahr bewusst wurde in der er sich (unwissentlich) befunden hatte. Hätte ihm keiner gesagt, welcher Gefahr er da ausgesetzt war, er hätte wohl „glücklich bis zu seinem Ende“ weitergelebt. Es ist also wenig verwunderlich, wenn Menschen alles daran setzen, gewisse Realitäten schlicht nicht wahrhaben zu wollen. Wer ganz sicher gehen will, bekämpft diese unsagbaren Wahrheiten mit allen Mitteln.
Ganz nebenbei mag ja auch das Leben als Führer einer solchen Antibewegung sehr befriedigend sein. Auch das ein weiterer verstärkender Grund keinesfalls von den eigenen irrationalen Vorstellungen jemals abzugehen. Wer eine kostenlose Einführung in das Thema haben möchte, sollte sich mit den gängigen Verschwörungstheorien auseinandersetzen. Doch Vorsicht – höchste Ansteckungsgefahr ! Mit rationalen, wissenschaftlichen Methoden ist dort kein Blumentopf zu gewinnen. Wer dagegen selbst völlig rational auf der Irrationalität aufbauend Argumente ersinnt, kann dort durchaus aufsteigen – findet Bestätigung – ist sozial eingebunden – was braucht Mensch mehr ?
Hey Andreas,
wie immer ein starker Beitrag von dir! Danke dafür.
Du legst den Finger genau in die Wunde, Sanierungen werden auf die Dämmung beschränkt und kommen in den Medien häufig nicht gut weg. Die Unsicherheit in der Bevölkerung ist daher groß.
Hier bei energieheld erleben wir das recht häufig.
Das Problem ist natürlich wie immer vielfältig, jedoch versuche ich mal einen ersten Erklärungsansatz:
Es wird relativ viel gedämmt, das stimmt. Jedoch ist die Dämmung auch zu Recht oft das erste was bei einer energetischen Sanierung angegangen wird. Die Dämmung ist nämlich im Bezug auf die Kosten sehr wirtschaftlich (besonders wenn eine Einblasdämmung möglich ist) und zudem sehr sinnvoll um die Energieeffizienz des Gebäudes zu erhöhen. Ein modernes Heizsystem mit Brennwerttechnik ist natürlich günstiger, aber ohne die passende Dämmung auch unnötig groß dimensioniert.
Das die Angst vor Schimmel und Brandgefahr gestiegen ist liegt wahrscheinlich an den heutzutage häufig zu sehenden Fernsehsendungen und Dokus mit den reißerischen Titeln wie „Baupfusch – Familien in Not!“ oder „Der Dämmwahn geht weiter.“ etc. Wo natürlich nur negativ berichtet wird.
Gedämmt wird in Deutschland jedoch schon seit Jahrzehnten und früher war die Aufmerksamkeit nicht so hoch und das Thema Schimmel durch Dämmung war kein Thema. Das Problem Schimmel hat seine Ursache nämlich nicht in Dämmung. Sondern darin, dass mittlerweile die Fenster wesentlich luftdichter geworden sind und generell eine viel höhere Luftdichtigkeit bei Gebäuden gefordert wird. Um dennoch die Feuchtigkeit der Raumluft aus dem Gebäude zu bekommen, müsste theoretisch mehr gelüftet werden, was durch eine manuelle Lüftung aber oftmals gar nicht geschafft werden kann oder durch falsches Lüften (Kipplüften) nicht den gewünschten Effekt hat. Hier muss durch Bauträger, Fensterbauer etc. einfach mehr auf das richtige Lüftungskonzept hingewiesen werden.
Das Potential zur Energiewende beizutragen und die Klimaschutzziele zu erreichen ist im Bereich der energetischen Gebäudesanierung sehr hoch. Wäre wirklich schade wenn man dies nur wegen der falschen Kommunikation versäumen würde…
Auf die Zwangslüftung anzusprechen, weil manuelles Lüften nicht reichen soll, ist leichtfertig.
Auch bei einer Zwangslüftung müssen täglich viele m³ Frischluft über Fenster und Tür die Seite wechseln.
Das Schlimmste ist, daß es zu Viele gibt, die einseitig beraten. Die Ganzheitlichkeit fehlt, was zur m angelnden und unbewußten Objektivität fährt. Oder – die so genannten Berater sind einseitig, weil sie „Ihren Mist verkaufen“ wollen oder müssen.
So ich auch die Einblastechnik längst nicht immer heilsam. Sie kann auch dazu führen, daß das Haus abrißfägig wird. Dann nämlich, wenn der Mist in der Hohlschicht naß geworden ist und niemals mehr trocknet.
Natürlich muss eine Beratung ganzheitlich das Haus betrachten und die Berater sollten den gesamten Sanierungsprozess begleiten. Doch auch das muss bezahlt werden. Gerade die singulären Lösungen, die scheinbar günstiger sind, sehe ich als besonders gefährlich für Fehler an. Das Thema der Kosten darf man allerdings nicht vernachlässigen und ist das Schwierigste an der gesamten Diskussion.
Ja, wie sind die Hausbesitzer und Wohnungsbesitzer? Du hast recht, es ist ein großes Rätsel, wer eigentlich die Kritiker sind. Dabei ist es mir sehr wichtig, dass man aufrichtige Kritik mit guten Gründen von der unfairen und instrumentalisierten Kritik unterscheidet. Es gibt ja schon Punkte, an denen etwas getan werden kann und muss.
Es ist keine Frage, dass es berechtigte Kritik gibt. Aber das sind meistens Probleme, die man lösen kann. Schwierig wird es z.B., wenn Vermieter jede Modernisierung als energetische Verbesserung deklarieren, um die Investition auf die Miete umlegen zu können. Oder wenn die Mieten zu sehr ansteigen, auch wenn das nicht unbedingt mit der energetischen Modernisierung zu tun haben muss.
Hallo Andreas, vernünftige Inhalte tragen wir doch gerne weiter. In welchem Alter sind eigentlich die Zielgruppe und die Kritikergruppe?
Danke, Kilian. Welche Zielgruppe meinst Du? Die Hausbesitzer, Wohnungsbesitzer oder Mieter? Wie soll man die Kritiker erfassen, außer im persönlichen Gespräch un der direkten Ansprache?