Innovative Ideen für die Sustainability Challenge 2022
Die Baubranche braucht neue Produkte und Konzepte für nachhaltiges Bauen. ESG-Kriterien und der CO2-Fußabdruck von Immobilien sind wichtige Treiber dieser Entwicklung. Bei der Sustainability Challenge 2022 der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. erreichten spannende junge Unternehmen und Forschungseinrichtungen das Finale.
In diesem Beitrag stelle ich die Finalisten und Gewinner der Kategorien Startup, Innovation und Forschung vor.
Inhalt
Nachhaltigkeit ist mehr als nur ein Trend in der Baubranche
Nachhaltige Gebäude erzielen am Markt hohe Renditen. Investoren, Mieter und Käufer setzen zunehmend auf energieeffiziente und nachhaltige Immobilien. Die ESG-Kriterien treiben diese Entwicklung an.
Unternehmen sind auch aus eigenem Antrieb zunehmend an einem kleineren CO2-Fußabdruck interessiert – entweder fragen ihre Kunden nach den Treibhausgas-Emissionen des Unternehmens oder sie haben sich eigene Ziele gesetzt. Neben geringerem Energie- und Ressourcenverbrauch oder dem Einsatz von erneuerbaren Energien geht es ihnen häufig um ein reduziertes Abfallaufkommen.
Nachhaltigkeit in der Baubranche bedeutet, bekannte Prozesse und Abläufe zu hinterfragen und nach ressourceneffizienten Wegen zu suchen. Dazu gehören auch, den Bestand mehr Wert zu schätzen und ihn zu erhalten, ein Gebäude länger zu nutzen und damit weniger Ressourcen zu verbrauchen. Bauprodukte lassen sich wiederverwenden, denn sowohl in den Gebäuden als auch in den Baumaterialien stecken jede Menge CO2-Emissionen.
Die Treibhausgas-Emissionen der Immobilien müssen über ihren gesamten Lebenszyklus betrachtet werden – von der Produktion der Baustoffe über die Nutzungsphase bis zum Abriss und der Entsorgung. Mit geringen Emissionen in der Bau- und Nutzungsphase und dem Einsatz von erneuerbaren Energien sind in der Gesamtbilanz klimapositive Gebäude möglich.
DGNB Sustainability Challenge 2022
2022 fand die Sustainability Challenge der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. zum dritten Mal statt. Dieses Jahr wählte die elfköpfige Jury zum ersten Mal neben den Finalisten auch die Gewinner in den Kategorien „Innovation“, „Start-up“ und „Forschung“.
„Die Entscheidung ist uns als Jury enorm schwer gefallen“, sagt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB und Mitglied des Auswahlgremiums. „Sämtliche Finalisten haben sich hervorragend präsentiert, weshalb ich alle nur beglückwünschen kann. Sie sind der beste Beleg dafür, dass es in unserer Branche kluge, weit voraus denkende Menschen gibt, die Nachhaltigkeit mit Innovation zusammenführen können.“
Einen Blick auf die Auswahl der Finalisten zu werfen finde ich immer sehr spannend. Sie bietet Einblicke in die Branche und gibt mir die Möglichkeit, neue Entwicklungen und Trends abzulesen. Einige der Finalisten aus dem Vorjahr habe ich in der Zwischenzeit bei vielen Gelegenheiten immer wieder gesehen.
Finalisten der Kategorie Startup
mygreentop
Mit ihrem System zur Schrägdachbegrünung war das 2019 gegründete Unternehmen mygreentop aus Plettenberg in Nordrhein-Westfalen Sieger der Kategorie Startup. In diesem System ersetzen sie die üblichen Dachziegel oder Dachpfannen mit kompatiblen, bepflanzten Kunststoff-Modulen, die sowohl bei Neubauten als auch auf bestehenden Dachflächen einsetzbar sind. Mit diesem System verringern sich Aufwand und Kosten für die Herstellung eines begrünten Schrägdaches.
Begrünte Dächer tragen zum Erhalt der Biodiversität, der Regenwasser-Rückhaltung, der Wärmedämmung im Winter und der Kühlung im Sommer genauso bei wie zur Filterung der Luft und zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen.
alcemy GmbH
Beton ist für acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich und damit ein richtiger Klimakiller. Dennoch wird dieser Baustoff weltweit nach wie vor auf vielen Baustellen in großen Mengen eingesetzt. Die Alcemy GmbH aus Berlin hat eine Software mit künstlicher Intelligenz entwickelt, die eine neue Art der Herstellung von Zement und Beton ermöglicht.
Diese Software nutzt maschinelles Lernen und Regelungstechnik, um die qualitativen Eigenschaften von Zement und Beton vorhersagen und aussteuern zu können. Auf diesem Weg können Produzenten die CO2-Emissionen um bis zu 50 Prozent reduzieren und benötigen weniger manuelle Eingriffe in die Produktion.
TRIQBRIQ AG
Mit dem Massivholz-Bausystem TRIQBRIQ können Holzbau-Unternehmen preisgünstiges Schwach- und Schadholz ohne künstliche Verbindungsmittel verwenden. Dieses System besteht aus standardisierten und handlichen Modulen, die den Holzbau so einfach machen, wie mit Bauklötzen zu bauen. Ein Holzbaustein wird automatisiert hergestellt und wird auf der Baustelle unkompliziert und schnell verarbeitet.
Die Bausteine eines Hauses werden untereinander nur mit Holzdübeln verbunden und machen dieses Haus vollständig recyclebar.
Finalisten der Kategorie Innovation
HPS Home Power Solutions
Die Kategorie „Innovation“ bei der DGNB Sustainability Challenge 2022 entschied HPS Home Power Solutions aus Berlin für sich. Sie haben den Ganzjahres-Stromspeicher Picea entwickelt. Mit diesem Speicher können Besitzer eines Eigenheims die Energie der Sonne speichern und während des ganzen Jahres nutzen.
Bei Dunkelheit kommt der Strom aus dem Batteriespeicher und im Winter oder bei längeren Phasen ohne ausreichend Sonnenschein aus einer Brennstoffzelle. Diese nutzt den Wasserstoff, den ein Elektrolyseur in einer sonnenreichen Zeit erzeugt hat. Dieses System ermöglicht die komplette Versorgung eines Gebäudes aus eigenem CO2-freiem Strom – und unterstützt darüber hinaus die Wärme- und Frischluftversorgung.
Madaster GmbH
Madaster ist ein Kataster für Baumaterialien, in dem Baubeteiligte alle Produkte eintragen, die in einem Objekt verbaut wurden. Aus dieser Datenbank können sie später die Trennbarkeit der Materialien, die gebundene CO2-Menge und die Auswirkungen auf die Gesundheit erkennen. Daraus lässt sich auch ablesen, ob Materialien wieder verwendet werden können.
Die Plattform sieht sich als eine Grundlage für zirkuläres Bauen, aber auch als Datenbasis beispielsweise für ein ESG-Reporting. Mit der Dokumentation der verbauten Materialien macht Madaster ihren ökologischen Wert sichtbar.
UNDKRAUSS Bauaktiengesellschaft und Partner
Mit dem neu entwickelten Flächenheizungs- und Kühlsystem “MeshClimate” hat sich die UNDKRAUSS Bauaktiengesellschaft ihren Finaleinzug verdient. Das System ist nur vier Millimeter dünn, benötigt kein Rohrsystem und keine Estrichüberdeckung. Es ist damit hervorragend für die Nachrüstung in bestehenden Gebäuden geeignet.
MeshClimate hat durch seine sehr große, wärmetauschende Oberfläche besonders kurze Reaktionszeiten. In Verbindung mit einer geringen Vorlauftemperatur von 26 Grad Celsius ermöglicht dieses System eine Energieeinsparung von bis zu 20 Prozent.
Fairventures Worldwide gGmbH und Fairventures Social Forestry GmbH
Als vierten Finalisten hat die DGNB die Fairventures Worldwide gGmbH und Fairventures Social Forestry GmbH aus Wien nominiert. Sie haben ein neues nachhaltiges Holzbausystem aus Sengon-Leichtholz zum Einsatz in tropischen Klimazonen entwickelt.
In Indonesien haben sie ein erstes modulares Wohnhaus als nachhaltige Wohnlösung für die Zukunft errichtet.
Finalisten der Kategorie Forschung
NEWwood vom KIT
In der Kategorie „Forschung“ hat ein Team vom Lehrstuhl für Nachhaltiges Bauen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gewonnen. Sie haben mit NEWwood eine neue Klasse von biobasierten, ressourceneffizienten und CO2-negativen Materialien entwickelt. NEWwood hat vergleichbare Eigenschaften wie MDF- und Spanplatten. Damit kann es Holz und Holzwerkstoffe ersetzen. Hergestellt wird es ausschließlich aus organischen Abfällen, einschließlich Holz- und landwirtschaftlichen Abfällen, unter Verwendung von Pilzmyzel als natürlichem Bindemittel.
SenseLab der TU München
Weiterer Finalist aus der Forschung war das SenseLab vom Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und Klimagerechtes Bauen an der Technischen Universität München. Dieses Labor untersucht eine neue wissenschaftliche Definition von Komfort anhand von biometrischen Daten der Raumnutzerinnen und -nutzer. Diese Daten erfassen und verarbeiten sie in Echtzeit, um die Wirkung einer Umgebung auf menschliche Körper objektiv ermitteln zu können.
Kalkstein der DLR
Im Forschungsprojekt Kalkstein des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickeln die Forscherinnen und Forscher einen saisonalen thermochemischen Speicher für Gebäude. Bei Kalkspeichern lässt sich die Speicherkapazität gut an den Bedarf anpassen.
Sonderpreise für studentische Projekte
In der Kategorie Forschung hat die Jury der DGNB Sustainability Challenge zwei Sonderpreise für studentische Projekte vergeben.
Zwei Master Studentinnen der Bauhaus-Universität Weimar widmen sich in ihren “Materialgeschichten” der Wieder- und Weiterverwendung von Materialien in der Architektur. Eine Ausstellung macht die Geschichten von wiederverwendeten Materialien für ihren Pavillon erfahrbar, damit die Ressourcen der Natur einen neuen Wert erhalten.
Das interdisziplinäre Team levelup der Technischen Hochschule Rosenheim hat die Auszeichnung für ihren Beitrag im Wettbewerb “Solar Decathlon Europe 21/22” erhalten. Sie haben ein Konzept für die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden mit Aufstockung in Holzmodul-Bauweise entwickelt. Durch eine serielle und modulare Bauweise ist dieses System auf andere Gebäude übertragbar und hilft bei der Schaffung von neuem Wohnraum.
Fazit: Blick auf Nachhaltigkeit richten
Die Finalisten der DGNB Sustainability Challenge 2022 zeigen, in diesem Thema ist viel Bewegung und viele Menschen beschäftigen sich mit der Wiederverwendung von Bauprodukten, der Energieeinsparung oder der Dachbegrünung. Alle Entwicklungen sind marktfähige Produkte, die ihre Käufer finden können. Der Markt dafür ist zunehmend an Nachhaltigkeit interessiert und muss sie auch vorweisen.
Jetzt bin ich gespannt, welche Projekte und Unternehmen ich im kommenden Jahr bei anderen Gelegenheiten wieder sehen werde.
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