Wasserstoff und Windenergie – zusammen für das Klima
Wasserstoff gilt als DIE Lösung für die Energiewende. Windenergie ist leistungsstark, nutzt aber ihr Potential nicht vollständig aus. Die beiden müssten sich doch zusammenbringen lassen, um die Dekarbonisierung voran zu bringen. Schließlich ist nur “grüner” Wasserstoff, der mit Hilfe von erneuerbaren Energien produziert wird, wirklich hilfreich gegen den Klimawandel.
In diesem Beitrag habe ich mich mit beiden Themen beschäftigt und untersucht, wie sie gemeinsam Energiewende und Klimaschutz voranbringen können. Drei Beispiele zeigen, dass dieses Zusammenspiel sich bereits in der Erprobung befindet und auch schon umgesetzt wird.
Inhalt
Wasserstoff – wirklich die Antwort auf alle Fragen?
Wasserstoff als Energieträger wird in vielen Diskussionen und Berichten als DIE große Lösung für die Energiewende angesehen. Generell ist Wasserstoff ein hervorragendes Speichermedium und lässt sich in passenden Leitungen und Behältern gut transportieren. Damit wäre die Energie auch jederzeit verfügbar, unabhängig von Tages- und Jahreszeiten oder Wetterverhältnissen.
Aber Wasserstoff kann nur einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn für die Herstellung in der Elektrolyse Strom aus erneuerbaren Energien genutzt wird – der sogenannte “grüne” Wasserstoff. Alle anderen Wege zur Erzeugung sind eher schädlich für unser Klima.
Für die Erzeugung des Wasserstoffs wird Strom aus erneuerbaren Energien benötigt, hauptsächlich Wind- und Solarenergie. Damit steht die direkte Verwendung des erzeugten oder gespeicherten Stroms im Wettbewerb zur Nutzung des Wasserstoffs. In vielen Fällen ist es jedoch effizienter, Strom direkt zu nutzen – ob für die Elektromobilität oder in Wärmepumpen.
Der Wirkungsgrad für die Elektrolyse liegt zwischen 60 und 70 Prozent. Wenn wir aus dem Wasserstoff in einer Brennstoffzelle Strom erzeugen, beträgt der Wirkungsgrad für diesen Schritt 60 bis 80 Prozent. Das bedeutet, dass wir für grünen Wasserstoff als Stromspeicher mindestens dreimal mehr Strom aus erneuerbaren Energien einsetzen müssen. Entsprechend steigen auch Aufwand und Kosten.
Einige industrielle Prozesse lassen sich nicht elektrifizieren oder benötigen eine direkte Verwendung von Wasserstoff. Die Chemieindustrie nutzt heute schon große Mengen Wasserstoff für die Herstellung von Ammoniak. Grüner Wasserstoff kann fossiles Erdgas ersetzen.
Windenergie ist ein Teil der Dekarbonisierung mit Problemen
Die Stromerzeugung aus Windenergie ist, neben der Photovoltaik, ein wichtiger Bestandteil der Dekarbonisierung. Strom aus Windenergieanlagen hatte 2020 einen Anteil von 27 Prozent an der deutschen Stromversorgung und war damit wichtigste einzelne Energiequelle im deutschen Strommix.
Doch Windenergie kann, im Unterschied zur Solarenergie, nicht am Ort der Erzeugung genutzt werden, denn fast immer stehen die Windräder weit weg von den Stromverbrauchern. Die Anwohner sollen nicht durch die Geräusche der Rotoren belästigt werden. Einige politische Akteure legen deswegen große Mindestabstände von 1 bis 2 km zu Wohngebieten fest. Ein weiterer Grund, warum sie hauptsächlich in dünn besiedelten Regionen stehen.
Ungleiche räumliche Verteilung
Die Folge ist eine ungleiche räumliche Verteilung der Windenergie in Deutschland. Am Windmonitor des Fraunhofer Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik sehen wir die räumliche Verteilung in Deutschland und die durchschnittliche lokale Windgeschwindigkeit. Die größten deutschen Onshore Windparks stehen im Norden und Osten – ist in den anderen Regionen wirklich kein Platz?
Einspeisemanagement sorgt für ausgefallene Energie
Ein weiteres Problem der Windenergie ist das Einspeisemanagement. Diese Abregelung von Strom aus erneuerbaren Energien durch den Netzbetreiber ist erforderlich, wenn einzelne Abschnitte im Stromnetz überlastet sind und das Angebot an Strom nicht abgenommen werden kann. Windenergieanlagen sind von dieser Maßnahme besonders betroffen – sie werden dann aus dem Wind gedreht, um den Antrieb der Turbine und damit die Stromerzeugung zu stoppen.
2019 musste eine Strommenge von 6.482 GWh von den Netzbetreibern abgeregelt werden, 19 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Davon entfielen 78 Prozent auf Windkraft an Land und 18 Prozent auf Offshore Windenergie. Nur vier Prozent der abgeregelten Anlagen waren keine Windenergieanlagen (Quelle: Monitoringbericht 2020 der Bundesnetzagentur).
6,48 Terawattstunden sauber erzeugter Strom hätten in anderen Anwendungen zum Einsatz kommen und die Nutzung fossiler Energien vermeiden können. Hinzu kommen Kosten von mehr als 700 Millionen Euro, die an Anlagenbetreiber als Entschädigung gezahlt werden mussten.
Nutzung von Post-EEG Anlagen
Seit 2000 gibt es das Erneuerbare-Energien Gesetz EEG. Da es die Einspeisevergütung auf 20 Jahre begrenzt, verlieren ältere Windenergieanlagen diesen Anspruch. Anschließend müssen sich die Betreiber Gedanken machen, wie sie den Weiterbetrieb wirtschaftlich aufrecht erhalten können.
Ein Eigenverbrauch des Stroms, wie bei Photovoltaikanlagen, ist nicht möglich. Die Windenergieanlagen sind direkt an das Stromnetz angeschlossen und stehen zu weit von den nächsten Verbrauchern entfernt. Daher müssen die Betreiber einen Abnehmer für die Direktvermarktung des Stroms finden. Alternativen wären ein Repowering, das aber an der Genehmigung scheitern würde, oder der Abbau der alten Anlagen.
Wie Wasserstoff der Windenergie helfen kann
Jetzt kommt der anfangs erwähnte Wasserstoff ins Spiel. Mit der Erzeugung von grünem Wasserstoff können wir die genannten Probleme der Windenergie nicht vollständig lösen, sie aber mindestens verringern. Hier kann die Elektrolyse sinnvoll eingesetzt werden und Wasserstoff einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten.
Erzeugung von Wasserstoff bei Netzengpässen
Die ungleiche räumliche Verteilung der Windenergie erfordert ausreichende Kapazitäten in den Netzen für den Transport des Stroms zu den Verbrauchern. Reichen die Kapazitäten nicht aus, kommt es zu Engpässen im Stromnetz und als Folge müssen die Netzbetreiber Windenergieanlagen abregeln.
Warum nutzen sie dann nicht lieber den Strom für die Elektrolyse und erzeugen sauberes Gas? Die Elektrolyseure lassen sich je nach Bedarf einsetzen und entsprechend regeln. Die Windenergieanlagen können weiter laufen und die Energie bleibt nicht ungenutzt. Der erzeugte Wasserstoff kann in ein Netz eingespeist oder in Behältern gespeichert und transportiert werden, um an anderer Stelle fossiles Gas einzusparen.
Erzeugung von Wasserstoff mit alten Windenergieanlagen
Alte Windenergieanlagen, die keine Einspeisevergütung mehr erhalten (Post-EEG), benötigen einen Direktvermarkter oder eine andere Lösung für die Fortführung des Betriebes, da sie sich sonst nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen. Die Elektrolyse zur Erzeugung von grünem Wasserstoff bietet sich als sicherer Abnehmer an. So kann die CO2-neutrale Stromerzeugung weiter betrieben werden.
Nach Angaben des Bundesverband WindEnergie schätzt die Bundesregierung den Bedarf an sauberem Strom für die Erzeugung von grünem Wasserstoff auf 20 TWh pro Jahr. Einen hohen Anteil davon können die sogenannten Post-EEG Anlagen liefern.
Voraussetzung für ein funktionierendes Geschäftsmodell ist aber auch eine Befreiung des Stroms von EEG-Umlage und Netzentgelten, so Sabine Peter, Präsidentin des Bundesverband Erneuerbare Energien. Eine Befreiung des Stroms von der EEG-Umlage gibt es seit Sommer 2021, aber bisher gilt sie nicht für Anlagen, die eine Förderung nach dem EEG erhalten haben.
Beispiele für die Verbindung von Wasserstoff und Windenergie
Die Verknüpfung von Windenergie mit der Erzeugung von Wasserstoff ist keine theoretische Idee mehr. Es gibt bereits einige Projekte in der Praxis, die als Demonstrationsprojekt oder im Regelbetrieb mit Windenergie grünen Wasserstoff erzeugen.
Windgas Haurup
Im Projekt Windgas Haurup, das seinen Regelbetrieb im April 2021 aufgenommen hat, kommt ein Elektrolyseur mit einer Nennleistung von 1 MW zum Einsatz. Er nutzt die Stromüberschüsse aus nahen Windenergieanlagen und stabilisiert das Stromnetz durch die Produktion von Wasserstoff. Als flexible zuschaltbare Last hält der reaktionsschnelle Elektrolyseur das Netz im Gleichgewicht und stabilisiert die Netzfrequenz.
Ein Profiteur ist auch der nahe Windpark Ellhöft, denn er kann weiter betrieben werden und muss, nach dem Ende der EEG-Förderung nicht abgebaut werden.
Die jährlich erzeugten 3,75 Millionen Kilowattstunden Wasserstoff werden mit einem Anteil von bis zu zwei Volumenprozent ins bestehende Ferngasleitungsnetz eingespeist. Greenpeace Energy versorgt damit die rund 30.000 Windgas-Kunden. Das Projekt ist ein Teil des Programms „Norddeutsche EnergieWende 4.0“ (NEW 4.0), das Technologien mit besonderem Energiewende-Nutzen in der Praxis erprobt.
Windwasserstoff Salzgitter
Eine Branche, die grünen Wasserstoff für die klimaneutrale Produktion benötigt, ist die Stahlbranche. Dort ersetzt der Wasserstoff das Erdgas in der Direktreduktion. Eine vollständige Umstellung dieses Prozesses auf Wasserstoff kann die CO2-Emissionen der Stahlherstellung um 95 Prozent reduzieren.
Die Salzgitter AG möchte mit dem Konzept SALCOS die Hochöfen schrittweise durch Direktreduktionsanlagen mit grünem Wasserstoff ersetzen. Der Strom kommt aus sieben Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 30 MW, die auf dem Werksgelände der Salzgitter AG stehen. Ein PEM-Elektrolyseur mit 400 Nm³H₂/h und einer installierten Leistung von rund 2 MW soll künftig den Wasserstoff erzeugen. Da sich sowohl Windräder als auch Elektrolyseur auf dem Werksgelände befinden und das öffentliche Stromnetz nicht genutzt wird, fallen keine Abgaben und Umlagen für den Strom an.
Das Projekt befindet sich noch im Aufbau und in der Entwicklung. Aber die Salzgitter AG liefert bereits Flachstahl an Kunden, der einen um mehr als 66 % verringerten CO2-Fußabdruck aufweist.
H2Mare: Offhore Windenergie zur Erzeugung von Wasserstoff
In einem der Wasserstoff Leitprojekte der Bundesregierung soll dieser direkt an den Offshore-Windenergieanlagen produziert werden. Im Projekt H2Mare werden die Elektrolyseure direkt in die Offshore-Anlagen integriert. Ziel ist die Reduzierung der Kosten der Wasserstoffproduktion. Denn ohne Anbindung an das Stromnetz entfallen Kosten für die Infrastruktur und das Netz wird entlastet.
In einer weiteren Phase des Projektes sollen vor Ort Folgeprodukte wie Methanol und Ammoniak aus dem Wasserstoff hergestellt werden. Die benötigten Eingangsstoffe Kohlendioxid und Stickstoff sollen ebenfalls aus der Luft und dem Meerwasser gewonnen werden.
Fazit
Grüner Wasserstoff kann die Umsetzung der Energiewende fördern. Die Erzeugung unterstützt den Betrieb von älteren Windenergieanlagen, die keine Einspeisevergütung mehr erhalten oder wegen Netzengpässen abgeregelt werden müssen. In der Anwendung kann er eine entscheidende Lösung für die Dekarbonisierung sein, besonders für einige industrielle Produkte und Prozesse, die bisher fossiles Gas verwenden. So schlägt die Verbindung von Wasserstoff und Windenergie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.
Passende Links zur Wasserstoff-Diskussion
- HZwei.info: Greenwashing in der Gasbranche?
- Technewable.com: Megatrend Wasserstoff: Grüner Wasserstoff Treibstoff der Zukunft?
- Umweltrat: Wasserstoff: Klasse statt Masse
- Wirtschaftsdienst: Wasserstoff: Grün und effizient!