Bleibt die nationale Wasserstoffstrategie saft und kraftlos?
Gastbeitrag von Thomas Unnerstall
Alle Studien der letzten Jahre sind sich einig: Grüner Wasserstoff und daraus hergestellte synthetische Brennstoffe – auch als grünes Methan oder grünes Benzin/Kerosin bezeichnet – werden für die Energiewende und damit für den Klimaschutz in Deutschland eine ähnlich zentrale Rolle spielen wie Strom aus PV und Wind. Mindestens 25 %, wahrscheinlich 30-40 % des Energieverbrauchs im Jahr 2050 müssen mit diesen neuen, klimaneutralen Energieträgern abgedeckt werden. Sie werden damit eine vergleichbare Bedeutung im deutschen Energiesystem haben wie das Erdöl in den letzten Jahrzehnten. Wie bei den fossilen Energieträgern wird der größte Teil aufgrund der in vielen Regionen der Welt besseren Produktionsbedingungen – d.h. möglichst billiger regenerativer Strom als Ausgangsprodukt – importiert werden.
Die „nationale Wasserstoffstrategie“
Es gibt jedoch bei Wasserstoff/synthetischen Brennstoffen einen wichtigen Unterschied zur Gewinnung fossiler Energien: Im Moment sind deutsche Unternehmen bei den hierbei relevanten Technologien des Maschinenbaus weltweit führend. Das bedeutet hervorragende Chancen – vor allem wenn Deutschland jetzt eine Vorreiterrolle übernimmt. Die im Sommer verabschiedete „Nationale Wasserstoffstrategie“ der Bundesregierung hat genau dieses Ziel: Sie soll die „globale Führungsrolle bei Wasserstofftechnologien sichern“. 9 Mrd.€ in 10 verschiedenen Fördertöpfen, „bis zu 5 GW“ Wasserstoffanlagen im Inland bis 2030, und ein Aktionsprogramm mit 38 Maßnahmen (!) sollen den Weg ebnen.
So schön das auf den ersten Blick klingen mag – tatsächlich ist dieses Programm bei den harten Fakten eine Enttäuschung. 9 Mrd. €? – im vom technologischen Entwicklungsstand her vergleichbaren Zeitraum 2000-2010 hat die Regierung (über das EEG) PV und Wind mit 40 Mrd.€ gefördert und so maßgeblich zum weltweiten Aufschwung insbesondere der PV-Technologie beigetragen. „Bis zu 5 GW“ bis 2030? – in China wird schon jetzt eine 5 GW-Anlage gebaut. 2 % des Flugzeugtreibstoffs in 2030 mit synthetischem Kerosin? – das ist doch einfach mutlos und darüber hinaus mit dem Pariser Klimaabkommen schlicht nicht vereinbar.
Eine bessere Strategie
Nein, wenn die Bundesregierung die Energiewende wirklich entschlossen vorantreiben und ihrem Anspruch „Nr. 1 bei Wasserstofftechnologien“ gerecht werden will, braucht es ein ganz anderes Ambitionsniveau, aber nur drei Maßnahmen:
- Erstens: Eine Einspeisevergütung (per Mengenausschreibung) für grünen Wasserstoff/grünes Methan ins Erdgasnetz – beginnend z.B. mit 1 % 2025, steigend auf 10 % 2030 (sukzessive Erhöhung der Quote dann für die Folgejahre). Die Finanzierung könnte ohne Probleme aus dem bis dahin erheblichen CO2-Steuer-Aufkommen erfolgen.
- Zweitens: Festlegung einer Quote für synthetischen Brennstoff in Flugzeugkerosin von mindestens 20 % bis 2030 (am besten international abgestimmt). Damit würde das Rückflugticket nach New York etwa 50 € teurer – absolut zumutbar. Diese Quote müsste schnell steigen und dann 2040 100 % erreichen.
- Drittens: Festlegung einer Quote für mit CO2-freiem Wasserstoff hergestelltem Stahl in den wichtigen Anwendungsbereichen (sukzessive steigend, am besten EU-weit), um schon in diesem Jahrzehnt die konsequente Umstellung von Kohle auf Wasserstoff in der Stahlherstellung einzuleiten.
Wasserstoff richtig groß denken
Zusammen bedeuten diese Maßnahmen eine Nachfrage von 100-150 TWh und damit Wasserstoffanlagen (v.a. im Ausland) von etwa 30-40 GW. Die globalen Produktionskapazitäten für PV und Wind reichen problemlos aus, um den nötigen regenerativen Strom als Ausgangsprodukt bereitzustellen.
Ein solches Programm würde über unser Land hinaus eine gewaltige Dynamik in der Technologieentwicklung/Kostendegression auslösen – genau wie das EEG im Jahre 2000 bei PV-Modulen. Und es wäre geeignet, Deutschland tatsächlich eine Pole-Position bei diesem nächsten Technologiesprung in den Weltenergiemärkten zu ermöglichen. Die Wirtschaft braucht keine Demonstrationsprojekte, kleinteiligen Förderprogramme, Wasserstoffräte; sie braucht langfristig verlässliche (Nachfrage und damit) Investitionsbedingungen – alles andere kann man ihr überlassen.