Fachkräfte für die Energiewende verzweifelt gesucht
Deutschland hat sich für die Energiewende große Ziele gesetzt – jetzt ist es an der Zeit, sie auch in die Praxis umzusetzen. Bis 2030 sollen erneuerbare Energien einen Anteil von mindestens 80 Prozent am Bruttostromverbrauch haben und ab 2024 müssen neue Heizungen einen Anteil von mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen. Hinzu kommen steigende Anforderungen an den energetischen Gebäudestandard. Dafür brauchen wir Fachkräfte, die Anlagen installieren und anschließen können.
In diesem Beitrag blicken wir auf die wichtigen Berufe für die Energiewende und gehen der Frage nach, wer die Anlagen installieren soll.
Inhalt
- Ausbau der erneuerbaren Energien braucht Fachkräfte
- Einbau von neuen Wärmepumpen
- Ausbildungsinitiative für das SHK-Handwerk
- Trainingscenter für den Einbau von Wärmepumpen
- Personal für die Montage und Installation von Photovoltaikanlagen
- Ausbildung im Elektro-Handwerk für die Energiewende
- Beispiel aus der Praxis, die Enpal Montage GmbH
- Liegt das Problem vielleicht an anderer Stelle?
- Fazit: Haben wir genügend Fachkräfte für die Energiewende?
Ausbau der erneuerbaren Energien braucht Fachkräfte
Politische Debatten um den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Ausstieg aus fossilen Energieträgern werden sehr theoretisch geführt. Der Bezug zur Praxis endet bei den Rahmenbedingungen, z. B. der Förderung oder einer Solarpflicht. Das “wie loslegen” und “wer machen” wird dabei ausgespart.
Aber wer soll und kann es denn nun machen und die vielen neuen Solaranlagen, Wärmepumpen und Ladesäulen installieren?
Klar, da sind die Handwerker im Sanitär- und Heizungs-Handwerk und die Installateure im Elektro-Handwerk gefragt. Das sind heute die Menschen, die jeden Tag praktisch daran arbeiten, dass wir die Klimaschutzziele erreichen:
- Anlagenmechaniker/-innen für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik bringen die Heizungstechnik auf den neuesten Stand, zum Beispiel mit dem Einbau von Wärmepumpen.
- Elektroniker/-innen schließen Photovoltaikanlagen, Batteriespeicher und Ladesäulen an, sie kümmern sich auch um das Energiemanagement.
- Dachdecker/-innen sorgen für eine gute Dämmung im Dach und montieren die Solarmodule.
Das sind nur drei Beispiele der vielen Gewerke, die Klimaschutz jeden Tag in die Praxis umsetzen.
Aber das Handwerk hat ein Problem. Die Betriebe sind ausgelastet und ihnen fehlen Fachkräfte und Auszubildende. Der Deutsche Handwerkskammertag spricht von 250.000 fehlenden Fachkräften – alleine im Handwerk – mit steigender Tendenz. Jedes Jahr bleiben außerdem rund 20.000 Ausbildungsplätze unbesetzt.
Im SHK-Handwerk (Sanitär, Heizung, Klima) fehlen bis 2030 rund 60.000 Monteure, hier ist sogar die Rede von 30.000 unbesetzten Ausbildungsplätzen. Die VdZ Wirtschaftsvereinigung Gebäude und Energie e.V. schreibt von 20.000 fehlenden Beschäftigten, alleine durch die Energiewende in Gebäuden. Im Elektrohandwerk haben 60 Prozent der Betriebe offene Stellen, die sie nicht besetzen können.
Dazu passt der Kommentar von Andreas Koch-Martin, Geschäftsführer der SHK-Innung Berlin:
“Das Personal ist der Begrenzungsfaktor für die Energiewende”.
Einbau von neuen Wärmepumpen
Eine der wichtigsten Aufgaben bei der Energiewende, ist der Austausch von Heizungsanlagen in Gebäuden. Hier spielen Wärmepumpen künftig eine sehr große oder sogar die wichtigste Rolle.
Der Einbau einer Wärmepumpe dauert allerdings zwei- bis dreimal so lange wie der Austausch einer Öl- oder Gasheizung. Viele Handwerksbetriebe haben noch keine oder nur wenig Erfahrung mit Wärmepumpen in Bestandsbauten. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn sie lieber das einbauen, was sie gut kennen und können.
Der Tweet zeigt, dass in der Ausbildung die neuen Techniken und Geräte bislang keine Rolle spielen. Wenn die Auszubildenden im Jahr 2022 in der praktischen Prüfung nur Öl- und Gasheizungen anschließen müssen, wie sollen sie in der Zukunft Wärmepumpen, Energiespeicher oder intelligente Regelungen montieren können?
Es dauert viel zu lange, die Ausbildungsrahmenpläne entsprechend anzupassen. Darauf muss die Energiewende im Heizungskeller dann warten.
Ein weiteres Problem scheinen auch die vielen neuen Aufgaben zu sein, um die der Beruf als Anlagenmechaniker/in SHK in den letzten Jahren erweitert worden ist. Zur Ausbildung gehören heute Inhalte vom Einbau eines neuen Bades über Lüftungs- und Klimaanlagen bis zur Montage der Heizungsanlage.
Einen Beruf für die Energiewende stelle ich mir anders vor. Die Ausrichtung der Arbeit hängt leider zu sehr vom ausbildenden Unternehmen ab.
Ausbildungsinitiative für das SHK-Handwerk
Unternehmen der SHK-Branche haben heute nicht nur Schwierigkeiten, neue Auszubildende zu finden. Die Abbruchquote während der Ausbildung ist relativ hoch und nicht mal die Hälfte besteht die Gesellenprüfung.
Die Gründe hierfür liegen sicher zu einem nicht unwesentlichen Teil an der schulischen Bildung der Bewerber – die Einstiegstests in Mathematik belegen eine deutliche Abnahme des Grundwissens in den letzten Jahren. Aber es gibt sicher noch mehr Gründe, wie den Umfang der Ausbildung und die Zahl der ausbildenden Betriebe.
Als Hersteller moderner Heizungs- und Klimatechnik hat Viessmann eine Azubi-Offensive gestartet. Mit #TeamZukunft wollen sie junge Menschen für die Ausbildung als SHK Anlagenmechaniker/in begeistern.
Den Ansatz dieser Ausbildungsinitiative finde ich sehr gut. Die Website informiert über die Ausbildung, den Beruf und Ausbildungsplätze in der Nähe. Dazu gibt es einen YouTube– und einen Instagram-Kanal mit weiteren Infos und Azubis, die über ihre Erfahrungen berichten.
Wer sich neutral über diesen Ausbildungsberuf informieren möchte, bekommt vom ZVSHK einen guten Einblick.
Trainingscenter für den Einbau von Wärmepumpen
Wie das obige Beispiel zeigt, geht der Trend zu Aus- und Weiterbildungsinitiativen, die von Herstellern initiiert werden.
Eine solche herstellerabhängige Weiterbildung ist beispielsweise das Wärmepumpen Trainingscenter von Octopus Energy in UK. In einer großen Halle stehen mehrere Häuser in den Standards, die rund 40 Prozent des Gebäudebestands in UK ausmachen. So können Auszubildende oder Fachkräfte den Einbau der Wärmepumpen erlernen oder ihre Fähigkeiten optimieren. Handwerker haben damit die Möglichkeit, an realen Gebäuden ihre Vorgehensweise bei der Installation zu üben, um Projekte in der Zukunft schneller und effizienter abarbeiten zu können und so die Kosten für den Kunden zu senken.
Es gibt auch herstellerunabhängige Weiterbildungen. Die Werkstätten müssen in diesem Fall alle gängigen Geräte und unterschiedliche Einbausituationen zur Verfügung haben. Auch die Ausbilder müssen die Geräte und Technologien kennen und zum Beispiel den Einbau von Wärmepumpen, Kältekreisläufe oder die Auslegung von Heizflächen für Wärmepumpen vermitteln können.
Personal für die Montage und Installation von Photovoltaikanlagen
Für die Montage und Installation von Photovoltaikanlagen brauchen wir ebenfalls viele Fachkräfte. In wenigen Jahren soll die jährlich installierte Leistung an PV-Anlagen fünfmal so hoch sein wie heute. Wer soll diese Anlagen montieren und ans Netz anschließen?
Hier ist vor allem das Elektro-Handwerk gefragt. Besonders wenn wir zunehmend Bereiche elektrifizieren, die vorher nur wenig oder nicht elektrisch betrieben wurden. Die Heizungen sollen elektrisch laufen, das Eigenheim soll eine PV-Anlage mit Energiemanagement bekommen und das Auto vor der Tür fährt elektrisch und wird mit Solarstrom geladen.
Das Elektro-Handwerk stellt sich schon heute darauf ein und setzt Schwerpunkte in der Ausbildung auf erneuerbare Energien, damit alle ausgebildeten Fachkräfte zumindest über die Grundlagen verfügen. Darüber hinaus gibt es Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien, um die Handwerker in diesem Bereich zu spezialisieren.
Die Anzahl der offenen Stellen ist auch in diesem Gewerk sehr hoch und liegt bei knapp 64 Prozent aller ausgeschriebenen Jobs. In dieser Zahl vom Februar 2022 sind auch die offenen Ausbildungsplätze enthalten.
Ausbildung im Elektro-Handwerk für die Energiewende
Auch wenn es kaum möglich ist, die Gewerke zu vergleichen, ist eine Ausbildung im E-Handwerk wesentlich spezialisierter als im Segment Sanitär und Heizung. Hier gab es 2021 eine Neuordnung der Ausbildungsberufe mit mittlerweile fünf verschiedenen Ausrichtungen. Nach Angaben des ZVEH verfügen alle ausgebildeten Fachkräfte über Grundlagen im Bereich erneuerbare Energien, die seit der Neuordnung eine noch größere Rolle spielen.
Im E-Handwerk steigt seit sieben Jahren die Zahl der Auszubildenden, aktuell absolvieren 45.808 Menschen eine Ausbildung in den Berufen des Elektro-Handwerks.
Für die Energiewende sind der/die Elektroniker/-in für Gebäudesystemintegration und der/die Elektroniker/-in für Energie- und Gebäudetechnik besonders relevant. Während die ersten sich mehr mit Smart-Home und Energiemanagementsystemen und deren Planung beschäftigen, kümmern sich die anderen unter anderem um die Energieversorgungsanlagen und Gebäudesystemtechnik.
Wer sich über die Ausbildung informieren möchte, findet beim ZVEH eine gut gemachte Übersicht.
Beispiel aus der Praxis, die Enpal Montage GmbH
Ein bekanntes Unternehmen in diesem Bereich nimmt die Ausbildung seiner Arbeitskräfte selbst in die Hand. Viele haben schon von der Enpal Akademie gehört, aber was dahinter steckt, weiß man als Außenstehender nicht. Ich hatte die Gelegenheit, mich mit Manuel Lippert zu unterhalten und ihm einige Fragen zu stellen. Er ist Geschäftsführer der Enpal Montage GmbH, die als Tochterunternehmen von Enpal für die Montage der PV-Anlagen ihrer Kunden zuständig ist.
Sie teilen die Arbeiten in zwei Teams auf. Ein Team ist für die Montage der Module und der Verkabelung bis zum Wechselrichter (DC-seitig, für die Experten unter euch) zuständig und das andere Team aus Elektriker-Gesellen kümmert sich um den Wechselstromanschluss.
Die Akademie ist, ähnlich wie in dem Video von Octopus Energy, eine Werkhalle mit Dächern in unterschiedlichen Neigungen und Dacheindeckungen. Hier werden die angelernten Monteure, die als Quereinsteiger aus anderen Berufen kommen, in vierwöchigen Schulungen auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet. Enpal führt die Schulungen monatlich durch und vermittelt erst zwei Wochen Theorie, bevor sie anschließend in weiteren zwei Wochen praktische Übungen auf dem Plan haben. Anschließend geht es mit erfahrenen Bauleitern auf die Baustelle, um das Gelernte in die Praxis umzusetzen.
Elektriker bereiten sich mit Montagewänden, die sie von der Ausbildung kennen, auf die neue Aufgabe vor. An diesen Wänden lernen sie den Anschluss an den Wechselrichter, Zähler und Netzanschluss. Dort üben auch externe Handwerkerteams, die im Auftrag von Enpal arbeiten.
Stand Mitte April 2022 arbeiten 76 Montageteams für Enpal in Deutschland an der Montage von PV-Anlagen und ihrem Anschluss an das Netz. Mit jedem weiteren Monat kommen neue Teams hinzu.
An diesem Beispiel finde ich die Aufteilung entsprechend der erforderlichen Ausbildung interessant. Zur Montage der Module auf dem Dach reichen Grundkenntnisse, es ist, soweit ich weiß, keine Fachausbildung erforderlich. Aus Gründen der Sicherheit und der Gewährleistung ist aber für den elektrischen Anschluss eine entsprechende Qualifikation notwendig.
Liegt das Problem vielleicht an anderer Stelle?
Es gibt auch die These, dass der Fachkräftemangel nur ein vorgeschobenes Argument ist, um die Energiewende nicht weiter vorantreiben zu müssen. Dies vertritt der PV Think Tank, ein loser Zusammenschluss von Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Photovoltaik.
Das Problem liegt ihrer Ansicht nach vielmehr in der ausufernden Regulierung. Sie sehen den Flaschenhals eher in den Genehmigungsverfahren und den komplexen Förderrichtlinien.
Sie verweisen dabei auf die Zeit, in der der jährliche Zubau an Photovoltaik Leistung sieben bis acht Gigawatt erreicht hat. Alleine im Dezember 2011 wurden neue PV-Anlagen mit einer Leistung von drei Gigawatt angemeldet. Mit den neuen Modulen und Montagetechniken wären heute aus technischer Sicht mehr als fünf Gigawatt pro Monat möglich.
Demnach wäre das Ziel 20 GW bis zum Ende der Legislaturperiode neu zu installieren ohne weiteres zu realisieren. An fehlenden Fachkräften kann es nicht ausschließlich liegen, wenn die installierte Leistung nicht die gewünschten Ziele erreicht.
Fazit: Haben wir genügend Fachkräfte für die Energiewende?
Viele junge Menschen suchen heute einen Arbeitsplatz mit Sinn, bei dem es nicht nur um das Geldverdienen geht. Sie wollen etwas Gutes tun, zum Beispiel an einer nachhaltigen Zukunft arbeiten. Daher brauchen sie auf der anderen Seite auch das entsprechende Angebot an Arbeit und an Ausbildungsplätzen.
Mein abschließendes Fazit fällt in diesem Zusammenhang zwiespältig aus.
Für die Montage und Installation von Photovoltaik-Anlagen, Batteriespeichern und Ladesäulen werden wir genügend Personal finden. Da muss der Zubau schon sehr deutlich ansteigen, damit es eng wird. Viel wichtiger sind die verlässlichen Rahmenbedingungen und eine Begrenzung der bürokratischen Anforderungen.
Sorgen macht mir eher die klimafreundliche Wärmeversorgung. Im Heizungsbau fehlen schon heute sehr viele Fachkräfte. Die Inhalte der Ausbildung sind sehr vielfältig und die Anforderungen wachsen stetig. Aber die Ausbildungen sind noch nicht an die veränderten Bedingungen angepasst. Änderungen scheinen sehr viel Zeit zu benötigen und es fehlt an einer Spezialisierung, wie es sie im Elektro-Handwerk bereits gibt.
Wie siehst du die Entwicklung bei Fachkräften für die Energiewende?