Abwärme aus Rechenzentrum wird Berliner Neubaugebiet mit Wärme versorgen
Ein Rechenzentrum in Berlin-Spandau soll künftig CO₂-freie Abwärme für ein nahegelegenes Neubauquartier liefern. Anfang April feierten die Vertragspartner die Vertragsunterzeichnung für das vermutlich größte Projekt zur Abwärmenutzung eines Rechenzentrums in Deutschland.
In diesem Beitrag stelle ich das Projekt vor und erläutere die Potenziale der Abwärme aus Rechenzentren für die Wärmeversorgung.
Inhalt
Quartier “Das Neue Gartenfeld”
Im Ortsteil Siemensstadt des Berliner Bezirks Spandau liegt die Insel Gartenfeld. Dort produzierte Siemens früher Kabel. Lange Zeit wurden die Flächen kaum genutzt und lagen brach. Auf einer Fläche von 31 Hektar entsteht jetzt das Quartier “Das Neue Gartenfeld“ mit 4.500 Wohnungen und 200 Gewerbeeinheiten sowie Kitas und Schulen. 10.000 Menschen sollen künftig in diesem Neubaugebiet leben. Die ersten Bewohner werden noch in diesem Jahr einziehen, die Fertigstellung ist für 2031 geplant.
Energiekonzept für das Quartier

Von Anfang an war geplant, in diesem Quartier die Klimaziele bereits im Jahr 2040 zu erreichen. Um dies zu verwirklichen, haben sich die GASAG Solution Plus und Engie Deutschland GmbH zum Joint-Venture “Quartierswerk Gartenfeld” zusammengeschlossen.
Das ursprüngliche Energiekonzept sah eine Wärmeversorgung mit innovativer Kraft-Wärme-Kopplung (iKWK) vor. Geplant war, Blockheizkraftwerke mit Wärmepumpen und einer Power-to-Heat-Anlage zu kombinieren. Der Ukraine-Krieg hat in den letzten Jahren verdeutlicht, dass die Nutzung von Gas wirtschaftliche und sicherheitspolitische Risiken birgt und inzwischen auch nicht mehr als nachhaltiger Energieträger betrachtet wird. Die Projektpartner mussten sich nach neuen Lösungen umschauen.
Gefunden haben sie diese Lösung bei dem Betreiber eines Rechenzentrums, das ca. zwei Kilometer vom Quartier entfernt liegt. NTT DATA hatte bei dem 2007 errichteten Rechenzentrum von Anfang an die Nutzung der Abwärme vorgesehen. Bisher wurde sie nur für die Heizung der eigenen Büroräume und die Vorheizung der Notstromaggregate verwendet.
Abwärme aus Rechenzentrum für Quartier Gartenfeld
Künftig soll eine ca. zwei Kilometer lange Leitung die Abwärme aus dem Betrieb der zwei Rechenzentren an das Quartierswerk liefern. Ihre Temperatur liegt zwischen 20 und 30 °C. Die thermische Leistung der Abwärme wurde auf maximal 8 Megawatt festgelegt und wird mittels Wärmetauscher im Rechenzentrum ausgekoppelt. Diese Wärme dient als Quelle für vier Wärmepumpen mit einer Leistung von 2,2 bis 2,6 MW, die eine Vorlauftemperatur von 65 °C für das Wärmenetz im Quartier erzeugen. Die Wärmepumpen erhalten einen kaskadierenden Aufbau – sie werden in Reihe geschaltet und ergänzen sich, je nach Wärmebedarf. Aus den 8 MW erzeugen sie eine maximale Heizleistung von ca. 13 MW.
Für die Spitzenlast im Winter soll zusätzlich ein Power-to-Heat-Kessel mit einer Leistung von 3,6 MW installiert werden. Ein Warmwasserspeicher mit 300 Kubikmetern Fassungsvermögen wird in der Energiezentrale als Pufferspeicher eingesetzt, um Leistungsspitzen abzufedern und die optimale Fahrweise der Wärmepumpen zu gewährleisten. Dezentrale Speicher in den einzelnen Gebäuden sollen zusätzliche Spitzen in den Gebäuden abfangen.
Trinkwasser wird in den einzelnen Gebäuden mit Frischwasserstationen erwärmt. Diese arbeiten mit dem Durchlaufprinzip. Dabei wird Warmwasser bedarfsgerecht und ohne hygienische Probleme erzeugt.

Fragen aus der Community
Zu meinem ersten Bericht auf LinkedIn von der Besichtigung der Auskopplung der Abwärme und der offiziellen Vertragsunterzeichnung im Rechenzentrum sind zwei Fragen gestellt worden.
Zwei Experten aus der Branche haben gefragt, warum kein großer Eisspeicher für die Zwischenspeicherung der Wärme geplant wurde, und diese dann in einem kalten Nahwärmenetz abgegeben wird.
Von Engie Deutschland habe ich die Auskunft bekommen, Eisspeicher seien bei dem hohen Grundwasserstand auf dem Gelände nur schwer umsetzbar. Zudem sei die Temperatur der Abwärme aus dem Rechenzentrum zu hoch für Eisspeicher.
Für dezentrale Wärmepumpen, wie sie bei kalter Nahwärme benötigt werden, fehle in den Gebäuden der Platz, wegen des anstehenden Grundwassers werden kaum Keller gebaut. Bei dezentralen Wärmepumpen fallen die Investitionskosten höher aus als bei der zentralen Lösung, was höhere Wärmekosten zur Folge haben würde.
Potenziale der Abwärme aus Rechenzentren für Wärmeversorgung
Die Anschlussleistung der Rechenzentren wächst Jahr für Jahr. Laut Branchenverband bitkom lag 2024 die IT-Anschlussleistung in Deutschland bei 2,7 Gigawatt, 2030 werden 4,8 Gigawatt erwartet.
Nach Angaben des Borderstep-Instituts lag der Stromverbrauch der deutschen Rechenzentren 2022 bei etwa 18 Terawattstunden. Das sind ca. 3,7 Prozent des gesamten Stromverbrauchs und mehr als die Stadt Berlin benötigt. Ein großer Teil dieser Energie wird in Wärme umgewandelt und ungenutzt an die Umgebung abgegeben. Dabei könnten die 90 Großrechenzentren, die 2022 in Betrieb waren, mit ihrer Abwärme rund 350.000 Wohnungen mit Wärme versorgen.
Der Nutzung dieser Abwärme stehen einige Herausforderungen gegenüber:
- Die Temperatur der Abwärme liegt bei luftgekühlten Rechenzentren zwischen 20 und 30 °C. Dadurch kann die Wärme nicht direkt genutzt werden. Sie muss durch Wärmepumpen zentral oder dezentral in den Gebäuden auf das gewünschte Niveau gebracht werden.
- Besonders effiziente Rechenzentren werden mit Flüssigkeit gekühlt. So erreicht die Abwärme eine Temperatur von 50 bis 60 °C, die direkt genutzt werden könnte. Diese Art der Kühlung ist allerdings noch wenig verbreitet.
- Es fehlt in Deutschland an einer geeigneten Infrastruktur mit Wärmenetzen, die die Abwärme verteilen können.
Der Ausbau der Wärmenetze, angetrieben durch die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung, trägt dazu bei, Wärmenetze auszubauen. In der kommunalen Wärmeplanung sollten die Rechenzentren daher im Rahmen der Potenzialanalyse berücksichtigt werden, sofern sie vorhanden und bekannt sind.
Nach dem Energieeffizienzgesetz (EnEfG) § 11 (2) müssen neue Rechenzentren, die ab dem 01.07.2026 in Betrieb gehen, mindestens zehn Prozent der Energie wiederverwenden. Ab 01.07.2027 erhöht sich der Anteil auf 15 Prozent und ab 01.07.2028 müssen sie mindestens 20 Prozent der eingesetzten Energie wiederverwenden.
Wenn sich die Voraussetzungen ändern, könnten bis 2035 bis zu 6 Milliarden kWh/a Abwärme aus Rechenzentren für die Wärmeversorgung genutzt werden.
Fazit
Dieses Projekt zeigt, wie Projektentwickler in der Planung der Wärmeversorgung umdenken und nach neuen, klimafreundlichen Wärmequellen suchen. Bei der Entwicklung der Digitalisierung kann man davon ausgehen, dass Rechenzentren auch in Zukunft gebraucht werden und ihre Abwärme entsprechend zur Verfügung steht. Für innovative Projekte muss die räumliche Nähe gegeben sein und eine vorhandene Infrastruktur bzw. die Bereitschaft zum Bau vorhanden sein.