Digitalisierung optimiert dezentrale Wärmeversorgung
Bei der dezentralen Wärmeversorgung mit Wärmepumpen bietet die Digitalisierung verschiedene Möglichkeiten zur Optimierung der Kosten und Reduzierung der Emissionen. Nutzer können mit Hilfe eines digitalen Energiemanagements die beste Verbindung der Wärmepumpe mit Strom aus einer Photovoltaikanlage, einem Batteriespeicher oder einem dynamischen Stromtarif erreichen.
Ende Oktober 2024 hat die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen zu einer Pressefahrt eingeladen. Ziel waren zwei Einfamilienhäuser im Bestand, die bei der Nachrüstung ihrer Häuser mit Wärmepumpe, PV-Anlage, Speicher, Wallbox und einem dynamischen Stromtarif zwei völlig unterschiedliche Lösungen gefunden haben.
Inhalt
Digitalisierung und Elektrifizierung als Fortschritt begreifen
Veränderungen in der Wärmeversorgung hat es schon immer gegeben und das wird sich vermutlich nicht mehr ändern. Vielleicht tauschen wir bald die wassergeführten Heizsysteme gegen komplett elektrifizierte Heizungen. Oder wir finden völlig neue Wege zur Wärmeversorgung.
Nicht nur die Technologie der Wärmeerzeugung verändert sich, sondern auch ihre Regelung. Unser Leben wird immer digitaler – und die Wärmeversorgung wird davon profitieren.
Ein Blick auf den Markt zeigt: Viele Anbieter vertreiben ihre Produkte zur Digitalisierung der Heizkörper und der externen Steuerung der Heizkessel im Ein- oder Mehrfamilienhaus. Diese Entwicklung ist für Bestandsgebäude besonders dann wichtig, wenn die Heizung nicht ausgetauscht werden soll oder kann. Mir begegnen immer wieder diese Dienstleister der Immobilienwirtschaft, wie Green Fusion, metr Building Management Systems oder othermo.
Bei aller Digitalisierung vermisse ich in den Produktunterlagen der Anbieter Hinweise zur Möglichkeit einer digitalen Betriebsführung oder Regelung durch den Fachhandwerker. Wäre es nicht sinnvoll, Betriebszustände auslesen oder Regelungen neu einstellen zu können, ohne vor Ort sein zu müssen?
Blick auf die Praxis mit Wärmepumpen
Ich bin der Einladung der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen gefolgt, um mir ein Bild vom Zusammenspiel der Wärmepumpe mit Speicher, Wallbox und ggf. dynamischen Stromtarif in der Praxis zu machen. Uns wurden in der Nähe von Hildesheim zwei Häuser vorgestellt, die bei der Sanierung ihrer Heizanlagen sehr unterschiedliche Lösungen gefunden haben. Diese stelle ich in meinem Beitrag ausführlich vor. Bereits im vergangenen Jahr habe ich bei einer Pressefahrt Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern im Bestand besichtigen können.
Einfamilienhaus mit großer PV-Anlage, Wärmepumpe und Fernwartung
Das erste Beispiel ist das Haus einer sehr engagierten Persönlichkeit. Egbert Homeister aus Wesseln, einem Ortsteil von Bad Salzdetfurth bei Hildesheim, hat sein Ensemble aus zwei Gebäuden mit Photovoltaikanlage, Wallbox und Wärmepumpe ausgestattet. Die Häuser, ursprünglich aus dem Jahr 1936, haben die ganze Geschichte der Wärmeversorgung erlebt. Es hat mit einem Kohleofen angefangen, es folgten verschiedene Ölheizungen, ein Gas-Brennwertkessel und die heutige Wärmepumpe.
Herrn Homeister war wichtig, dass die neue Wärmepumpe über die Möglichkeit zur Fernwartung und -regelung durch den Fachhandwerker verfügt. Doch bei einer Recherche bei den großen Herstellern hat er die gewünschte Lösung nicht gefunden. Seine Wunsch-Wärmepumpe fand er erst nach langer Suche bei Solvis, einem Anbieter in seiner Nähe. So konnte er seine Wärmepumpe dem Handwerker für eine digitale Steuerung über ein Online-Portal zur Verfügung stellen und mit dem eigenen Server für die Erfassung der Verbrauchsdaten verbinden.
Dieses System zeigt die Möglichkeiten der Wärmepumpe. Seit September 2023 versorgt sie mit einer thermischen Leistung von 8 kW das Vorderhaus mit zwei vermieteten Wohnungen und das eigene Wohnhaus in drei separaten Heizkreisen auf einer Wohnfläche von insgesamt 360 Quadratmetern. Bei Bedarf kann der alte Gasbrenner hinzugeschaltet werden. Theoretisch könnte er auch die Batterien der beiden Elektroautos für die Stromversorgung des Hauses und der Wärmepumpe nutzen, den Schalter zur Trennung vom Netz hat er schon eingebaut.
Egbert Homeister hat für seine Heizungsanlage 2023 den Niedersächsischen Wärmepumpenpreis in der Kategorie “Innovative Wärmepumpenanlage” erhalten.
Einfamilienhaus mit PV-Anlage, Wärmepumpe und dynamischer Stromtarif
Das zweite Beispiel eignet sich eher als Vorbild für andere Eigentümer. Bei diesem Einfamilienhaus in Harsum, nördlich von Hildesheim, hat Markus Bock 2023 die 40 Jahre alte Ölheizung ausbauen und gegen eine Luft-Wasser-Wärmepumpe austauschen lassen. Das Haus wurde 1966 gebaut und erhielt 2008 eine Fassadendämmung und ein neues Dach.
Herr Bock hat die neue Heizung zusammen mit einer Photovoltaikanlage (7,8 kWp) und einem Batteriespeicher (10,5 kWh) einbauen lassen. Die Besonderheit dieses Hauses ergibt sich durch die Deckung des restlichen Strombedarfs. Dafür hat er vom installierenden Unternehmen 1komma5° einen Energiemanager und Smart Meter erhalten – inklusive Vertrag über einen dynamischen Stromtarif.
Jetzt entscheidet das Energiemanagementsystem, welcher Strom für die Wärmepumpe genutzt wird – der Strom vom eigenen Dach bzw. aus dem Speicher oder aus dem Netz. In jedem Fall wird der jeweils günstigste Strom verwendet. Aus dem Netz ist der Strom günstig, wenn das Angebot hoch ist, also viele Anlagen mit erneuerbaren Energien Strom liefern. Damit das System diese Entscheidung treffen kann, verwendet es die Hausdaten mit Verbrauchsgewohnheiten und eigener Stromerzeugung, sowie Wetterdaten und Daten der Strombörse zu den stündlichen Preisen für den nächsten Tag. Hinzu kommen Faktoren, wie die Kosten für den selbst erzeugten Strom und die Höhe der Einspeisevergütung. Ein intelligenter Algorithmus errechnet daraus die günstigste Stromquelle für die Wärmepumpe.
Im Ergebnis zahlt der Eigentümer einen monatlichen Abschlag von lediglich 69 Euro für seinen Strom, der auch die Heizung für eine Wohnfläche von 140 Quadratmetern abdeckt. Dieser beinhaltet auch die Gebühren für den Anbieter und das Energiemanagement. Damit kann der Eigentümer die hohen Investitionskosten von 72.000 Euro, abzüglich 25.000 Euro für die Förderung, in rund 10 Jahren wieder einsparen.
Sicht eines Energieversorgers auf dynamische Stromtarife
Alle Energieversorger müssen sich derzeit Gedanken über ein eigenes Angebot für einen dynamischen Tarif machen, denn ab 01.01.2025 müssen sie einen solchen Tarif anbieten. So auch die EVI Hildesheim, deren technischer Geschäftsführer Wolfgang Birkenbusch uns bei der Besichtigung begleitet hat.
Dynamische Stromtarife sollen eigentlich ein Anreiz sein, die lokalen Netze zu entlasten. Eine Netzdienlichkeit der dynamischen Stromtarife sieht er aber nicht als zwingend gegeben. Im Stromnetz vor Ort treten Engpässe unabhängig vom Börsenstrompreis auf. Der Preis an der Strombörse ist bundesweit einheitlich, unabhängig von lokalen Verteilnetzen. Wenn an der Nordsee viel Wind weht, ist viel Strom im Netz, was aber nichts über die Belastung im lokalen Netz in Hildesheim aussagt.
Eine Schwierigkeit der Versorger ist die Planung des Stromeinkaufs bei Einführung eines dynamischen Tarifs. Zu Beginn ist das Verhalten der Verbraucher noch nicht bekannt, erst mit der Zeit erfahren sie, wie die Verbraucher auf die Preissignale reagieren.
Für Wolfgang Birkenbusch ist die Stromversorgung in Einfamilienhaussiedlungen mit Wärmepumpen kein Thema, denn die Hausanschlüsse werden für ca. 30 kW ausgelegt. Damit sollte auch mit Wärmepumpen und Wallbox noch Spielraum im Stromnetz vorhanden sein. Dennoch müssen sie erheblich in Netze und Erzeugung investieren.
Die beste Situation für Energieversorger sei es, wenn jeder sein Haus auf den Eigenverbrauch des erzeugten Solarstroms optimiert. In diesem Fall wird weniger Strom ins Netz eingespeist, der Verbrauch verringert sich ebenfalls und das Netz ist weniger belastet.
Fazit
Diese Beispiele zeigen: Kombinationen mit der Wärmepumpe eröffnen auch im Gebäudebestand zahlreiche Möglichkeiten, die Energiekosten im Einfamilienhaus zu senken. Im besten Fall sorgen Photovoltaikanlage, Speicher, Wallbox und ein dynamischer Stromtarif gemeinsam für eine günstige und klimafreundliche Stromversorgung der Wärmepumpe. Ein intelligentes Energiemanagementsystem hilft, Energieverbrauch und -kosten zu optimieren. Mit einer manuellen Steuerung, wie in diesem Beispiel, ist es hingegen sehr aufwändig, fehleranfällig und von den meisten Menschen nicht leistbar. Digitalisierung wird daher einen wichtigen Beitrag zum Erfolg einer dezentralen Wärmeversorgung leisten.