Abwärme nutzen für die Wärmeversorgung
Unter dem Druck von Klimaschutz und hohen Energiekosten sind neue Quellen für die Wärmeversorgung gefragt. Dazu gehört auch, dass wir anfangen, die Abwärme aus industriellen Prozessen, gewerblichen Anlagen und Rechenzentren intensiver zu nutzen. Das Potenzial der Abwärme ist sehr groß, vermutlich deutlich größer als bisher gedacht.
In diesem Artikel gehe ich auf die Hintergründe der Abwärmenutzung ein, zeige das Potenzial und Beispiele der Nutzung.
Inhalt
Was versteht man unter Abwärme?
Abwärme entsteht als Nebenprodukt oder Verlustenergie beim Betrieb unterschiedlicher technischer Geräte, Anlagen und Maschinen. Neben der nutzbaren Energie, wie z. B. Antriebsenergie oder Wärmeenergie, entsteht auch Wärme, die abgeführt werden muss. In der Regel wird sie an die Umgebungsluft abgegeben. In manchen Fällen muss sie aber auch mit Wasser gekühlt werden, dann kann das erwärmte Wasser genutzt werden.
Es existiert keine einheitliche Definition von Abwärme. Daher kann es unterschiedliche Ansätze geben, je nachdem, an welcher Stelle der Energiebilanz die Abwärme ermittelt wird.
Große Produktionsanlagen mit hohem Energieverbrauch erzeugen große Mengen an Abwärme. Mit Effizienzmaßnahmen, wie einer Wärmerückgewinnung oder prozessinternen Nutzung, kann der Anteil der Abwärme, der immer noch an die Umgebung abgegeben werden muss, verringert werden.
Daraus folgt in Industrieunternehmen, dass sie
- den Bedarf an Energie für Prozesse mit Abwärme möglichst weit reduzieren,
- die Effizienz durch Maßnahmen wie Wärmedämmung, Wärmerückgewinnung, etc. erhöhen,
- die anfallende Abwärme betriebsintern nutzen, zum Beispiel zur Vorwärmung, Heizung von Betriebsgebäuden und Warmwasserbereitung und
- Abwärme an Dritte zur Nutzung weitergeben.
Nach Angaben der dena-Broschüre zur Abwärmenutzung gibt es vier Temperaturbereiche:
- 150 – 600° C: Abgase aus Verbrennungs- und Wärmeprozessen
- 100 – 150° C: Wasserdampf aus Dampferzeugungssystemen
- 40 – 90° C: Trocknungsanlagen, Drucklufterzeugung, Kälteanlagen, warmes Abwasser, Kühlwasser
- 20 – 40° C: Raumlufttechnische Anlagen
In jedem dieser Bereiche gibt es verschiedene Möglichkeiten, die entstandene Abwärme für andere Prozesse zu verwerten.
Wo entsteht nutzbare Abwärme?
Nutzbare Abwärme entsteht an unterschiedlichen Orten, nicht nur bei industriellen Prozessen mit hohen Temperaturen.
Industrielle Prozesse sind häufig sehr energie- und wärmeintensiv. Daher entsteht entsprechend viel Abwärme, die für andere Prozesse oder Anwendungen im Unternehmen oder außerhalb nutzbar gemacht werden kann.
Rechenzentren haben einen riesigen Strombedarf. 2021 lag er, nach Angaben des Borderstep-Instituts, bei 17 Mrd. kWh. Sie erzeugen entsprechend viel Abwärme, die bisher aus wirtschaftlichen Gründen ungenutzt an die Umgebung abgegeben wird. In Skandinavien sieht das anders aus. Alleine in Stockholm sind 30 Rechenzentren an das örtliche Fernwärmenetz angeschlossen.
Steigende Energiekosten erhöhen die Chancen zur Nutzung der Abwärme aus Rechenzentren. Alleine die Stadt Frankfurt könnte theoretisch mehr als 20 Prozent des Wärmebedarfs für Haushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen durch Rechenzentren decken. Geringere Temperaturen in Wärmenetzen erhöhen die Wirtschaftlichkeit der Nutzung der Abwärme aus Rechenzentren.
Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff haben einen Wirkungsgrad von 60 bis 75 Prozent. Der Rest ist Abwärme mit einer Temperatur zwischen 60 und 80° Celsius. Dieses Temperaturniveau ist ideal für weitere Anwendungen, wie Nahwärme oder Niedertemperaturwärmenetze.
Kühlgeräte, zum Beispiel in Lebensmittelproduktion, -lagerung und -handel, geben ihre Abwärme meistens unkontrolliert in den Raum ab. Über Wärmetauscher kann die Abwärme zur Beheizung der Räumlichkeiten oder für andere Anwendungen genutzt werden.
Die Wärme aus Kläranlagen könnte mit Wärmepumpen und Wärmenetzen zwischen fünf und zehn Prozent aller Gebäude in Baden-Württemberg umweltfreundlich und kostengünstig heizen. Darauf verweist das Umweltministerium in einer Pressemitteilung von 2021.
Schon bevor das Abwasser die Kläranlage erreicht, können wir die darin enthaltene Wärme zur Wärmeversorgung nutzen. Die über den Jahresverlauf konstante Temperatur von 12 bis 20 °C ist eine ideale Wärmequelle für Wärmepumpen, die wiederum die Wärme für ein Gebäude oder ein Wärmenetz bereitstellen. Damit könnten rund zehn Prozent aller Gebäude versorgt werden.
Biogasanlagen erzeugen Strom, der vor Ort genutzt oder in das öffentliche Netz eingespeist wird. Die dabei entstehende Wärme kann für andere Anwendungen vor Ort genutzt oder in ein Wärmenetz eingespeist werden.
Warum sollte Abwärme genutzt werden?
Energie ist in den letzten Jahren immer teurer geworden. Auch wenn die Preise für Erdgas oder Öl kurzfristig wieder sinken, muss langfristig eher mit höheren Preisen gerechnet werden. Durch den Emissionshandel oder CO2-Zertifikate wird der Einsatz von fossilen Energien langfristig teurer.
Die Nutzung der Abwärme erhöht die Energieeffizienz und die Wirtschaftlichkeit der primären Prozesse sowie die Emissionen der nachfolgenden Anwendungen.
Das sind zwei wesentliche Argumente. Kommunen, Unternehmen und Haushalte müssen Energiekosten reduzieren und die Emissionen senken.
Darum kann die Nutzung der Abwärme in der Potenzialanalyse der kommunalen Wärmeplanung eine wichtige Rolle spielen. Unternehmen erschließen mit der Abwärme eine zusätzliche Einnahmequelle als Gegengewicht zu ihren gestiegenen Energiekosten. Haushalte und andere Unternehmen können mit der Nutzung der Abwärme in einem Wärmenetz ihre Energiekosten senken.
Für die Nutzung von Abwärme ist es sinnvoll, die Energiemenge zu ermitteln, die übrig bleibt, wenn weitere Effizienzsteigerungen oder eine prozessinterne Nutzung weder wirtschaftlich noch technisch zumutbar sind (nach Energy4Climate.NRW).
Über die Höhe des nutzbaren Potenzials der Abwärme in Deutschland gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Das liegt sowohl an der Erfassung der Abwärme an Industriestandorten als auch an den Möglichkeiten zu ihrer weiteren Verwendung.
Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI hat 2020 in einer Studie ein Potenzial von 29 Petajoule (8,055 TWh) Abwärme aus Industriestandorten in Deutschland ermittelt. Damit könnte die Fernwärme aus Kohle- und Gaskraftwerken in mehr als einer halben Million Haushalte ersetzt werden.
Im Projekt EnEff:Wärme: NENIA haben Forscher des ifeu Instituts ein theoretisches nutzbares Potenzial von rund 63 TWh/a an über 4.700 Industriestandorten ermittelt. Ein großer Teil davon befindet sich in einer geeigneten Entfernung für eine netzgebundene Wärmeversorgung.
In einer Broschüre zur Abwärmenutzung in Unternehmen gibt die Deutsche Energie-Agentur dena ein Potenzial zur Nutzung von industrieller Abwärme ab 60° C in Höhe von 125 Terawattstunden (TWh) pro Jahr an.
Für Nordrhein-Westfalen hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) 2019 ein technisch verfügbares Potenzial von bis zu 96 TWh pro Jahr industrieller Abwärme ermittelt. Der Bedarf an Fernwärme lag im Vergleich dazu bei 30 TWh und stammte überwiegend aus fossilen Brennstoffen.
Der Verband für Kraft-Wärme-Kopplung, (Fern-)Wärme und -kälte AGFW sieht ein Potenzial zur Einsparung von 19 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr durch die Nutzung von Abwärme in Fernwärmenetzen zur Wärmeversorgung von Gebäuden. Das wären immerhin 40 Prozent der angestrebten Einsparungen im Gebäudesektor bis 2030.
Abwärme aus industriellen und gewerblichen Prozessen oder Anlagen kann man, je nach Temperaturbereich, zu unterschiedlichen Zwecken im eigenen Unternehmen oder außerhalb des Geländes nutzen.
Am naheliegendsten ist ihre direkte Nutzung in anderen Prozessen des gleichen Unternehmens auf einem geringeren Temperaturniveau.
Abwärme kann zur Wärmeversorgung in den Betriebsgebäuden oder extern über ein Fernwärmenetz genutzt werden. Bei entsprechendem Bedarf an Warmwasser kann dieses mittels Wärmetauscher aus Abwärme bereitgestellt werden. Dadurch können Heizungsanlagen mit fossilen Energieträgern entfallen. Je nach Bedarf und angeschlossenem Wärmenetz lassen sich Temperaturen zwischen 90° C (konventionelles Fernwärmenetz) und 30° C (kalte Nahwärme) nutzen.
Absorptionskältemaschinen nutzen die Abwärme zur Erzeugung von Kälte für die Kühlung von Lebensmitteln oder anderen Kühlsystemen.
Je nach benötigter Temperatur kann Abwärme auch als Prozesswärme genutzt werden, zum Beispiel für die Trocknung des geernteten Getreides in der Landwirtschaft.
Mit Hilfe der ORC-Anlagen (Organic Rankine Cycle) kann aus Abwärme ab einer Temperatur von 80° C Strom erzeugt werden.
Welche Nutzung letztlich zum Einsatz kommt, hängt von der verfügbaren Temperatur und dem Bedarf an Wärme oder Kälte ab. Für die wirtschaftliche Nutzung kommt es zudem auch auf die Abnehmer der Abwärme an. Kann sie intern im Unternehmen genutzt werden und den Bezug von teurer Energie einsparen oder gibt es außerhalb des Unternehmens eine Verwendung für die ein Erlös erzielt werden kann?
Das bislang größte Projekt der industriellen Abwärmenutzung wird derzeit in Hamburg gebaut. Dort sollen ab der Heizperiode 2024/25 rund 20.000 Haushalte mit Fernwärme beliefert werden, die in einem Nebenprozess der Kupferproduktion des Unternehmens Aurubis entsteht. Dadurch entfallen rund 100.000 Tonnen CO2-Emissionen jährlich, die bisher bei der Wärmeerzeugung aus fossilen Brennstoffen anfallen.
Bei den Stadtwerken Merseburg in Sachsen-Anhalt stammt seit Dezember 2020 die Hälfte der Fernwärme aus Abwärme der Thermischen Restabfallbehandlungs- und Energieerzeugungsanlage (TREA) in Leuna. Die Abwärmenutzung vermeidet rund 12.000 Tonnen CO2-Emissionen jährlich.
Seit Februar 2023 speisen die Papierfabrik Stora Enso Maxau GmbH (SEM) und die Raffinerie MiRO ihre Abwärme in das Fernwärmenetz der Stadtwerke Karlsruhe. Allein die Wärmemenge aus der Raffinerie reicht aus, um rund ein Drittel aller Wohnungen in Karlsruhe mit Wärme zu versorgen und ca. 100.000 Tonnen CO2-Emissionen zu vermeiden. Die neue hinzugekommene Wärme der Papierfabrik vermeidet weitere 10.000 Tonnen CO2-Ausstoß.
Ab 2024/25 soll die überschüssige Abwärme des Hochleistungsrechners der TU Dresden für die Fernwärme der SachsenEnergie genutzt werden. Drei Wärmepumpen werden in einem Technikbauwerk die Abwärme vom Rechenzentrum auf das Fernwärmeniveau anheben. Durch Vermeidung von Rückkühlung und Einspeisung in das Fernwärmenetz werden rund 2.800 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr vermieden.
Am Ende bleibt sicherlich die Frage nach der Förderung für die Abwärmenutzung. In vielen Fällen ist ein hoher Aufwand erforderlich, um Abwärme wirtschaftlich nutzen zu können. Aus diesem Grund sorgen passende Förderprogramme dafür, dass Investitionen in diese Projekte attraktiver sind.
Aktuelle Förderung bietet die Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft bei der BAFA als Zuschuss. Alternativ erhalten Unternehmen einen Kredit bei der KfW. Modul 1 unterstützt Investitionen in Querschnittstechnologien unter anderem zur Abwärmenutzung aus Abwässern. Bei Modul 4 erhalten Unternehmen eine Unterstützung von Maßnahmen zur Nutzung der Abwärme, wie der Bereitstellung von Wärme, der Einspeisung in Wärmenetze und der Abwärme-Verstromung.
In der Förderung von Kälte- und Klimaanlagen für gewerbliche Nutzer bei der BAFA werden unter anderem Komponenten zur Abwärmenutzung der Kälteanlage gefördert.
Für die Einspeisung der Abwärme in Wärmenetze bietet die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) eine geeignete Unterstützung. Diese fördert Machbarkeitsstudien, den Neubau und die Erweiterung von Bestandsnetzen sowie Einzelmaßnahmen mit der Integration von Abwärme.
Fazit
Abwärme ist eine Wärmequelle, die für eine höhere Effizienz in den primären Prozessen sorgt. Sie vermeidet Emissionen aus fossilen Energieträgern und gehört damit zur klimafreundlichen Energie. Steigende Energiepreise machen Investitionen in die Abwärmenutzung zunehmend attraktiv und lohnend für Unternehmen sowie mögliche Abnehmer. Allerdings ist die Nutzung der Abwärme an den Produktionsstandort gebunden – wandert ein Unternehmen ab oder verlegt es seine Produktion, z. B. ins Ausland, entfällt die Nutzungsmöglichkeit.
Ich finde deinen Ansatz zur Nutzung von Abwärme äußerst innovativ und wichtig, besonders in Anbetracht der aktuellen Herausforderungen des Klimawandels und steigender Energiekosten. Der Fokus auf industrielle Prozesse und die gezielte Nutzung von Abwärme weist auf ein großes Potenzial hin, das oft übersehen wird. Deine Analyse wird sicherlich viele dazu anregen, über nachhaltige Lösungen nachzudenken. Gut gemacht!
Ich finde, dass Ihr Artikel über die Abwärmenutzung äußerst relevant und gut durchdacht ist. Die wirtschaftliche und umweltfreundliche Nutzung von Abwärme aus industriellen Prozessen bietet tatsächlich enormes Potenzial zur Verbesserung der Energieeffizienz. Es wäre spannend, weitere innovative Ansätze zur Integration dieser Ressourcen in bestehende Systeme zu diskutieren. Ihre Auseinandersetzung mit diesem Thema ist sehr wertvoll!
Das Thema der Abwärmenutzung ist äußerst relevant und zeigt innovative Lösungsansätze zur Energieeffizienz. Es ist beeindruckend, wie viel Potenzial in der Wiederverwendung von Abwärme steckt, und der Artikel verspricht interessante Einblicke und Beispiele, die sicherlich inspirierend sind. Könnte es vielleicht noch spezifische Fallstudien geben, die die Umsetzung verdeutlichen?
Ich finde Ihren Artikel über die Nutzung von Abwärme ausgesprochen wichtig und relevant, besonders in Anbetracht der aktuellen Herausforderungen durch Klimaschutz und hohe Energiekosten. Es ist beeindruckend, wie Sie das große Potenzial der Abwärme herausstellen und die Möglichkeiten zur Nutzung beleuchten. Besonders interessant wäre es, auch regionale Unterschiede und spezifische Anwendungsbeispiele zu betrachten, um die Idee weiter zu konkretisieren. Weiter so!
Es ist äußerst relevant und zeitgemäß, die Nutzung von Abwärme als Lösung für die Herausforderungen von Klimaschutz und Energiekosten zu betrachten. Die Idee, industrielle Abwärme effektiver zu verwenden, ist nicht nur innovativ, sondern auch ein notwendiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Ein Beispiel aus der Praxis könnte das Recycling von Abwärme in Fernwärmesystemen sein, das bereits erfolgreich umgesetzt wird. Ihr Artikel fängt diese wichtigen Themen sehr gut ein und regt zum Nachdenken an!
Ihr Artikel greift ein sehr relevantes Thema auf, das in der aktuellen Diskussion um Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von großer Bedeutung ist. Die Erschließung des Potenzials der Abwärme ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern könnte auch zur Kostensenkung führen. Es ist beeindruckend, wie Sie die verschiedenen Eignungen und Möglichkeiten der Abwärmenutzung beleuchten.
Ich finde deinen Artikel über die Nutzung von Abwärme äußerst informativ und notwendig, besonders angesichts der aktuellen Herausforderungen im Klimaschutz. Die Perspektive auf die großen Potenziale der Abwärmenutzung wirft ein interessantes Licht auf eine oft übersehene Ressource. Großartig, dass du konkrete Beispiele und Hintergründe mit einbringst, um das Thema greifbarer zu machen!