Klimapositive Baustoffe verringern graue Emissionen beim Bauen
Baustoffe und weitere Materialien für den Bau von Gebäuden weisen in der Herstellung oft schon hohe Treibhausgasemissionen auf. Wer klimaneutrale Gebäude anstrebt, muss sich daher auch mit den sogenannten grauen Emissionen von Baustoffen beschäftigen. Der Markt bietet als Alternative inzwischen eine Reihe von innovativen klimapositiven Baustoffen, die sogar mehr CO2 speichern, als bei ihrer Herstellung freigesetzt wird. In diesem Beitrag zeige ich die Bedeutung der grauen Emissionen und stelle zehn 10 klimapositive Baustoffe vor.
Inhalt
Emissionen in der Herstellung von Baustoffen
Im Gebäudesektor reicht es nicht mehr aus, wenn sich Planer, Architekten und Projektentwickler nur mit dem Energieverbrauch und den Emissionen in der Nutzungsphase der Gebäude beschäftigen. Um einen tatsächlichen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, müssen sie mittlerweile den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes betrachten – von der Herstellung der Baustoffe bis zu ihrer Entsorgung nach der Nutzungszeit.
Den hierfür nötigen Energieaufwand bezeichnen wir als graue Energie: sie beinhaltet den Energieverbrauch für Herstellung der Baustoffe, ihren Transport, den Bau des Gebäudes sowie den späteren Rückbau und die Entsorgung der Baustoffe. Die Emissionen bei der Erzeugung der grauen Energie sind die grauen Emissionen.
Wenn wir einen größeren Aufwand betreiben, um Energieverbrauch und Emissionen in der Nutzungsphase zu reduzieren, benötigen wir entsprechend mehr Material. Das bedeutet, dass wir damit rechnen müssen, dass die graue Energie entsprechend ansteigt.
Die Deutsche Energie-Agentur dena berichtet im Gebäudereport 2021 Fokusthema “Ressourcen im Bauwesen”, dass bei einem typischen Neubau die grauen Emissionen jedes Jahr zwischen 10 und 16 kg CO2e pro Quadratmeter Wohnfläche betragen. Diese müssen wir gedanklich zu den Emissionen der Nutzungsphase addieren.
Im gleichen Dokument findet sich eine weitere eindrucksvolle Zahl: ca. 5 bis 10 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in der EU entfällt auf die Herstellung von Bauprodukten.
Viele Wege führen zu einer klimaneutralen Gebäudebilanz
Planer und Projektentwickler haben verschiedene Möglichkeiten, eine klimaneutrale Gebäudebilanz mit geringen grauen Emissionen zu erreichen. Diese Möglichkeiten werden in der Baubranche jedoch bislang noch zu wenig umgesetzt. Dazu gehören:
- Wiederverwendung von Materialien, Baustoffen und Bauteilen (Recyclingwirtschaft)
- Einsatz von mehrfach verwendbaren Produkten (Kreislaufwirtschaft)
- Verwendung von Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen
Klimapositive Baustoffe als mögliche Lösung
Eine der Forderungen im Bündnis Architects4Future ist die Wahl von gesunden und klimapositiven Materialien für Neubauten und Sanierungen. Es stehen verschiedene regionale, nachwachsende und gesunde Materialien zur Verfügung. Immerhin beeinflusst die Wahl der Baumaterialien maßgeblich den Gesundheitszustand der Nutzer der Gebäude und unserer Umwelt.
Was gesunde Materialien sind, versteht jeder. Aber was sind klimapositive Baustoffe?
Klimapositive Baustoffe speichern mehr CO2 im Produkt, als ihre Herstellung an Emissionen verursacht. Sie verringern somit die CO2-Belastung der Atmosphäre und leisten einen positiven Beitrag zum Klimaschutz
Diese Methode, der Atmosphäre CO2 zu entziehen oder aus dem Verbrennungsprozess abzuscheiden und für langlebige Produkte zu nutzen, gehört zu den negativen Emissionstechnologien (NET). Sie wird unter dem Begriff Carbon Capture and Usage oder Carbon Capture and Utilization (CCU) zusammengefasst. Auch andere, ähnliche Technologien gehören dazu.
Die Nutzung von technischen Senken, die mit Technologie CO2 aus der Atmosphäre entziehen, ist genauso notwendig, wie das Potential natürlicher Ökosysteme, um verbleibende Emissionen auf dem Weg zur Klimaneutralität ausgleichen zu können.
10 Beispiele für klimapositive Baustoffe
Der internationale Markt für Baustoffe bietet mittlerweile eine Auswahl an innovativen klimapositiven Produkten, die herkömmliche Materialien ersetzen können. Einige Anbieter habe ich bereits in einem Beitrag über nachhaltige Innovationen der Baubranche vorgestellt. Heute werde ich diese Liste noch erweitern.
Made of Air
In Berlin hat die Made of Air GmbH ein Produktionsverfahren entwickelt, um Kunststoffelemente herzustellen, die erdölbasierte Produkte und Aluminium am Bau ersetzen können. Die Besonderheit dieses Kunststoffes ist die Bindung von CO2 aus der Atmosphäre. Denn für die Herstellung des Kunststoffes entzieht die Made of Air GmbH der Luft mehr CO2 als bei seiner Produktion entsteht. Für die Produktion nutzen sie den thermochemischen Prozess der Pyrolyse, bei dem organische Abfälle wie Sägemehl, Gras, Laub und Baumschnitt, aber auch Industrieabfälle bei sauerstofffreier Erhitzung (400–700 Grad) aufgespalten werden.
Carbonauten
Mit ihrem selbst entwickelten Biokohlenstoff gehört die Carbonauten GmbH aus Baden-Württemberg ebenfalls zu den Pionieren für klimapositive Baustoffe. Diesen können Verarbeiter als Grundmaterial für Beton, Asphalt, Mauerwerke, Wandaufbauten, Rahmenprofile, Boden-, Wand- und Deckenplatten einsetzen. Als Grundlage für Baustoffe bietet der Biokohlenstoff weitere Vorteile, wie ein geringeres Gewicht, verbesserte thermische und akustische Dämmung, eine hohe Umweltbeständigkeit, das Potential zum Rückbau oder zum Recycling, sowie die Nicht-Brennbarkeit.
Jede Tonne Biokohlenstoff der Carbonauten GmbH speichert 3,3 Tonnen CO2-Äquivalent aus der Atmosphäre. Zusätzlich entsteht bei der Herstellung von Biokohlenstoffen Abwärme, die als Fernwärme genutzt werden kann und auch auf diesem Weg CO2-Emissionen vermeidet.
CarbiCrete
Das kanadische Unternehmen CarbiCrete hat eine Technologie entwickelt, zementfreien und kohlenstoffnegativen Beton herzustellen. An Stelle von Zement verwenden sie bei seiner Herstellung Schlacke aus der Stahlproduktion. Bei der Fertigung von Betonteilen injizieren sie CO2, das mit der Schlacke zu Kalziumcarbonat reagiert. Innerhalb von 24 Stunden erreicht der Beton seine vollständige Festigkeit.
CO2-Suicom
Ein ähnliches Verfahren nutzen zwei japanische Unternehmen, die zusammen CO2-Suicom entwickelt haben. Sie verwenden Hochofenschlacke und industrielle Abfallprodukte als Ersatz für den Kalkstein und binden mit dem Zement CO2-Emissionen aus Kohlekraftwerken und der Stahlproduktion.
Neustark
Das Schweizer Unternehmen Neustark AG verfolgt das Ziel, die CO2-Emissionen der globalen Baubranche bis 2050 um eine Milliarde Tonnen jährlich zu reduzieren. Dazu hat das Unternehmen eine mobile Einheit entwickelt, die der Atmosphäre CO2 entzieht und es in recyceltem Betongranulat speichert. Betonwerke können diese Technologie nahtlos in ihre Produktionsprozesse integrieren, den Anteil von Zement auf ein Minimum reduzieren und bis zu 10 kg CO2 pro Kubikmeter Frischbeton speichern.
Olivin Baumaterialien
Kommt das Vulkangestein Olivin mit Wasser (beispielsweise Regenwasser) in Kontakt, bindet es CO2 aus dem Wasser und baut dieses ab. Es entsteht Karbonat, ein festes Material. Die greenSand GmbH aus Kassel nutzt dieses Prinzip, indem sie Olivin-Gestein fein zermahlen und für die Verarbeitung in Geh- und Radwegen, gepflasterten Wegen und Blumenerde anbieten. Fällt Regen auf so entstandene Wege oder das Blumenbeet, bindet der Olivin-Anteil das CO2 im Laufe der Zeit und verwandelt es in Karbonat.
Biocrete
Snøhetta aus Norwegen hat einen klimapositiven Beton auf der Basis von Biokohlenstoffen entwickelt. Das Unternehmen berichtet auf seiner Website: “Am 16. März 2021 wurde das erste kohlenstoffnegative Wandelement in Originalgröße gegossen. Der Test erwies sich hinsichtlich der praktischen Ausführung, der Eigenschaften des Betons und der letztendlich erreichten CO2-Negativität als erfolgreich. Die Pflanzenkohle kompensierte nicht nur die Klimagasemissionen des Betons, sondern auch den in den Wänden verwendeten Bewehrungsstahl.”
Biohm
Das britische Unternehmen Biohm hat ein Baumaterial auf der Basis von Pilzen entwickelt, das Kunststoffprodukte ersetzen kann. Um die Pilze zu züchten, nutzen sie gewerbliche und landwirtschaftliche Abfallprodukte. Der Prozess ist komplett regenerativ und weist eine positive CO2-Bilanz auf.
Agrocrete
Auf der Basis von Ernterückständen und industriellen Nebenprodukten fertigt das indische Unternehmen GreenJams BuildTech Pvt Ltd klimapositive Bausteine. Sie sind günstiger in der Herstellung und weisen eine höhere Energieeffizienz auf als vergleichbare Mauersteine. Zu ihren Produkten gehört auch ein Stein auf der Basis von Hanf und einem kohlenstoffarmen Ersatz für Portland-Zement als Bindemittel, der ebenfalls aus industriellen Nebenprodukten besteht.
Hempcrete
Hempcrete des US amerikanischen Herstellers Hempitecture Inc. ist ein Beton, der aus dem inneren holzigen Kern der Hanfpflanze und einem Bindemittel auf Kalkbasis hergestellt wird. Der Kern der Hanfpflanze hat einen hohen Gehalt an Siliziumdioxid und verbindet sich damit leicht mit dem Kalk. Beim Aushärten bindet Hempcrete, oder Hanfbeton, CO2 aus der Atmosphäre.
Interface
Mit ihren Bodenbelägen für Innenräume stellt Interface Inc. aus USA etwas völlig anderes her als die bisher betrachteten Bauprodukte. Dazu gehören Teppichfliesen mit einer Rückenkonstruktion auf der Basis von biobasierten und recycelten Füllstoffen. Sie weisen eine hohe Kohlenstoffbindung auf und haben einen hohen Anteil an CO2-negativen Materialien.
Haben Sie Interesse an weiteren Beiträgen zum Thema nachhaltiges Bauen? In der Kategorie „Bauen“ dieses Blogs finden Sie mehr Texte und im Newsletter informiere ich regelmäßig über neue Beiträge.
Fazit
Was wir in Deutschland mit dem Begriff klimapositiv bezeichnen, weil es positiv für das Klima ist, wird international als “carbon negativ” oder CO2-negativ bezeichnet. Unter diesem Suchbegriff konnte ich weltweit Innovationen finden. Besonders im Bereich Betonbaustoffe habe ich viele Alternativen entdeckt: hier ist der Druck durch eine CO2-intensive Herstellung auch besonders groß.
Klimapositive Baustoffe können einen Beitrag zur Verringerung der grauen Emissionen von Gebäuden leisten. Es müssen nicht mehr nur die CO2-intensiven Baustoffe sein, die Planer und Handwerker immer noch verwenden. Allerdings stehen viele der innovativen Entwicklungen noch ganz am Anfang und sind bisher nur bei einzelnen oder kleineren Projekten erprobt worden. Daher ist es fraglich, wie schnell sie in großem Umfang verfügbar sein werden und auf dem deutschen und europäischen Markt eingesetzt werden können.
Vielen Dank für diesen Artikel zu nachhaltigen Baustoffen. Gut zu wissen, dass besonders die Emissionen bei der Herstellung der Baustoffe ins Gewicht fallen. Ich werde mich informieren, wie ich mein Bauprojekt mit nachhaltigen Baustoffen realisieren kann.
Hallo zusammen, wirklich ein sehr gelungener Beitrag zu diesem Thema! Ich werde den Blog auch im Auge behalten und freue mich schon auf weitere Beiträge dieser Art. Grüße Maik
Hallo,
toller Beitrag zu diesem wichtigen Thema, wirklich gut gelungen! Danke dafür! Auch wenn ich mich schon länger zu diesem Thema aktuell informiere konnte ich hier nochmal etwas neues dazulernen. LG Jonas
Hallo,
Vielen Dank für diesen tolle Beitrag! Ich beschäftige mich derzeit mit diesem Thema und konnte neues für mich mitnehmen. Mir hat besonders gut die klare Formulierung gefallen und ich freue mich schon weitere Beiträge von euch zu Lesen.
Grüße Mario