Digitale Infrastruktur zur Lösung lokaler Herausforderungen
In Zusammenarbeit mit Smart-Grids BW
Ich muss zugeben, die Begriffe “Digitalisierung”, “Internet-of-Things” und “Smart-City” waren für mich nur Floskeln oder nette “Buzzwords”. Ende August hatte ich die Gelegenheit, mir digitale Infrastruktur in unterschiedlichen Einsatzgebieten vor Ort anzuschauen und erklärt zu bekommen. Solche Anlässe habe ich nicht oft. Daher habe ich mich über die Einladung von SmartGrids BW zu einer Exkursion nach Stuttgart sehr gefreut.
Wir haben in drei Kommunen im Großraum Stuttgart smartes Energiemanagement besichtigt und sind mit E-Autos zu den einzelnen Ortschaften gefahren.
Der Ausflug hat mir deutlich gezeigt: Digitalisierung und IoT sind viel mehr als nur ein paar Schlagworte. Es gibt eine Reihe von konkreten Anwendungen mit sinnvollen Nutzen für unterschiedliche Zielgruppen. Nur so können diese Technologien in der Praxis immer mehr zum Einsatz kommen und sich durchsetzen.
Nach meinem Eindruck steht bislang die Technologie im Vordergrund der Berichterstattung und nicht ihr Nutzen für den Anwender. Eine Smart-City ist kein Nutzen, denn die Anwender müssen verstehen, was ihnen die neue Technologie bringt – beispielsweise, wenn ihre Verbrauchs- und Energiedaten über eine Funktechnologie (wie LoRaWAN) ermittelt werden. Das ist es, was die Menschen interessiert.
Inhalt
Digitale Infrastruktur mit LoRaWAN
Die unterschiedlichen Projekte, die wir präsentiert bekamen, basieren alle auf einem LoRaWAN – einem sogenannten “Long Range Wide Area Network”. Dabei handelt es sich um eine Funktechnologie, genauer gesagt ein Funknetz, die in einer Smart-City häufig zum Einsatz kommt und aufgrund ihrer Reichweite Daten über weite Strecken senden kann.
Funksensoren übermitteln in regelmäßigen Abständen Messwerte an ein Gateway mit einer kleinen Antenne für den Empfang. Dieses ist mit einem Netzwerkserver verbunden, der die Daten wiederum an einen Anwendungsserver weitergeleitet, auf dem die Daten verarbeitet und für Nutzer visualisiert werden.
Genau genommen beschreibt LoRa die Technologie, vergleichbar mit Bluetooth, WLAN oder Zigbee, zur batteriebetriebenen Übermittlung von Daten über große Reichweite. LoRaWAN ist dann das Netzwerkprotokoll für große Reichweiten, das die LoRa-Technologie nutzt.
Ein Vorteil dieser Technologie ist ihr geringer Stromverbrauch, sodass die Sensoren für viele unterschiedliche Einsatzgebiete mit Batterien ausgestattet werden können. Die Haltbarkeit der Batterie hängt von der Häufigkeit der Übertragung kleiner Datenpakete an das Gateway ab und beträgt in der Regel mehrere Jahre.
Hinzu kommt der hohe Sicherheitsstandard durch eine verschlüsselte bidirektionale Kommunikation mit mehreren Ebenen der Verschlüsselung. Die Technologie bietet zudem die Möglichkeit der Lokalisierung von Anlagen und Sensoren.
Herausforderung in der Kommune
Kommunen stehen heute vor großen Herausforderungen, die sie bewältigen müssen. Aufgrund einer wachsenden Zahl von Aufgaben ist es erforderlich, dass sie ihre Effizienz in der Verwaltung erhöhen. Gleichzeitig müssen sie ihre Ausgaben verringern und sind oft an der Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit, während die Kosten steigen. Andererseits sollen sie die Klimaneutralität anstreben und entsprechende, oft kostenintensive, Maßnahmen einleiten.
Wie eine digitale Infrastruktur helfen kann, diese Aufgaben zu bewältigen, zeigen die Beispiele unserer Exkursion. Alle Beispiele-Projekte werden in Zusammenarbeit mit der Netze BW GmbH realisiert.
Beispiel Plüderhausen
In der Gemeinde Plüderhausen, östlich von Stuttgart im Rems-Murr-Kreis gelegen, sind in den Schul- sowie Feuerwehrgebäuden und im Rathaus Sensoren an den Wasserzählern angebracht. Diese übermitteln täglich per Funk den Zählerstand an ein Gateway auf dem Dach des Rathauses.
Dadurch kann der zuständige Mitarbeiter des Bauamts, Andreas Fichtner, unbekannten oder unerwünschten Verbrauch im Dashboard des Systems sehen. Waren es Mitarbeiter des DRK, die am Wochenende Einsatzwagen am Schulgebäude gewaschen haben oder vielleicht tropfende Wasserhähne bzw. Spülkästen? Gemeinsam mit den Hausmeistern kann er sich gezielt auf die Suche begeben und die Ursache ausfindig machen.
Beim Energieverbrauch kommt zur digitalen Erfassung noch eine zentrale Steuerung der Thermostate hinzu, die die Temperatur außerhalb der Nutzungszeiten reduzieren. In den einzelnen Räumen besteht jedoch weiterhin die Möglichkeit, die Temperatur manuell ein bis zwei Grad hoch oder runter zu regeln.
Mit dem Klimaschutzgesetz 2020, § 7 b, sind Gemeinden, Städte und Landkreise in Baden-Württemberg dazu verpflichtet, ihre Energieverbräuche zu erfassen und in einem Energiebericht an das Land zu übermitteln. Die beschriebene Erfassung des Energieverbrauchs ermöglicht eine schnelle, unkomplizierte Erstellung des Energieberichts – einfach auf Knopfdruck aus dem Dashboard heraus.
Mehr zu diesem Projekt steht im Bericht von technewable.com.
Beispiel Magstadt
Die Wasserzähler stehen in Magstadt, einer Gemeinde westlich von Stuttgart im Landkreis Böblingen, ebenfalls im Mittelpunkt der Digitalisierung. Hier geht es für den kommunalen Wasserbetrieb um die jährliche Ablesung der Hauptwasserzähler sämtlicher Gebäude der Gemeinde. Bis zur Installation der digitalen Zähler musste der Leiter des Eigenbetriebs Wasserwerk, Gerhard Schneberger, Mitarbeiter oder Hilfskräfte zur manuellen Ablesung entsenden. Er war damit auch auf die Hilfe der Bewohner angewiesen, die den Ablesenden die Türen öffnen mussten.
Jedes Jahr war die Erfassung des Wasserverbrauchs mit großem Aufwand verbunden. Vor dem Tausch der Wasserzähler erfolgten die Ablesung und die Weitergabe der abgelesenen Werte per E-Mail oder durch ein ausgefülltes Formular per Brief durch die Gebäudeeigentümer. Dieser Prozess war oft unvollständig und mit Fehlern behaftet. Daher kam die Motivation, gemeinsam mit der Netze BW GmbH die Umrüstung der Wasserzähler, die in einem LoRaWAN Netzwerk die Daten an das Gateway senden, voranzutreiben. Das reduziert den Arbeitsaufwand und verringert die fehlenden und fehlerhaften Daten erheblich.
Durch eine anonymisierte Anzeige des Wasserverbrauchs im Dashboard ist es nun auch möglich, einen Wasserverlust in den Leitungen zu ermitteln und auf diese Weise die Wasserkosten zu reduzieren.
Zusätzliche Einsparungen hat die Gemeinde durch die um 50 Prozent längere Nutzungsdauer der Zähler mit Funksensor.
Darüber hinaus hat die Gemeinde die Überwachung eines Heizöltanks und der Feuerwehrzufahrt bereits mit LoRaWAN umgesetzt. In Planung ist aktuell noch die Integration von Regensensoren zur Frühwarnung vor möglichen Überschwemmungen bei Starkregen.
Herausforderung Mieterstrom in Weinstadt
Die Stromversorgung der Mieter mit erneuerbaren Energien (z. B. Solaranlagen) vom Dach des Gebäudes, bekannt als Mieterstrom, ist eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Energiewende. Die Umsetzung in der Praxis wird jedoch von gesetzlichen Regelungen erschwert.
Ein großes Hindernis ist immer wieder die Messtechnik, also der Einbau eines Zählerschranks mit moderner Technologie oder die Forderung des Netzbetreibers zum Einbau einer Wandlermessung. Die Schwierigkeit besteht zudem in der Abgrenzung des im Haus verbrauchten Stroms zum extern bezogenen Reststrom. Hier ist ein aufwändiges Messkonzept erforderlich, was dazu beiträgt, dass Mieterstrom nur in großen Wohngebäuden wirtschaftlich umsetzbar ist.
Mit dem Gebäudekomplex Smart Living Weinstadt ist ein Haus entstanden, das sich selbst mit Energie versorgt und hohe Nachhaltigkeitsstandards erfüllt. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. hat das Haus, das mit R-Beton gebaut ist und PVT-Kollektoren mit Wärmepumpe für die Energieversorgung nutzt, mit dem Platin-Zertifikat ausgezeichnet.
Zum Energiekonzept des Mehrparteienhauses gehört natürlich auch Mieterstrom mit einem derzeit sehr günstigen Preis von 24 Cent pro kWh. Da ist es keine Frage, dass alle Mieter dieses Angebot nutzen.
Für die Umsetzung des Mieterstrom Messkonzeptes hat der Bauherr die digitalen Stromzähler (Modernes Messsystem) mit LoRaWan-Sensoren ausgestattet, die Messwerte auslesen und über ein Gateway an die Software des Anbieters StromLux senden. StromLux ist ein Produkt der Netze BW, das es jedem Hausbesitzer ermöglichen soll, Mieterstrom selbst anzubieten. Das gilt insbesondere für kleine Gebäude, bei denen sich Mieterstrom für einen Dienstleister nicht lohnt. Zu der StromLux Lösung gehören die Beratung für das Messkonzept, ein Wirtschaftlichkeitsrechner, die Bereitstellung der Messtechnik sowie ein Portal zur Inbetriebnahme der Messtechnik und für den Betrieb der Kundenanlage.
Vorteil dieser Lösung sind der geringere Aufwand und die niedrigeren Kosten im Vergleich zum Einbau eines Smart-Meter Gateways (SMGW). Daher nutzt StromLux den Vorteil des nicht-regulierten Bereichs und setzt andere Technologien ein.
Fazit der Exkursion
Spannend war bei dieser Exkursion der detailreiche Einblick in die Praxis der Digitalisierung mit IoT-Technologie, den konkreten Nutzen der digitalen Erfassung von Verbrauchsdaten und Übermittlung an einen Anwendungsserver. Das war für mich wesentlich praxisnäher als die Exkursion 2018 zum Stadtquartier Franklin in Mannheim. Jetzt sind “Digitalisierung”, “IoT” und “Smart-City” auch für mich mehr als nur Floskeln oder Buzzwords, ich verbinde sie inzwischen mit sinnvollen Beispielen aus der Praxis.
Energieverbrauch zu vergleichen, oftmals in Zeitintervallen, ist immer eine post mortem Betrachtung. Also wenn das Kind schon im Brunnen liegt.
Besser ist es, den Betriebszustand aktuell zu erfassen und zu bewerten. Führt die Bewertung zu einen Alarmzustand, dann kann sofort eingegriffen werden.
Für Heizungsanlagen gibt es das THOpMeter, das Fieberthermometer für jede Heizung, wie es der Erfinder bezeichnet. Auf der THOpAmpel wird das Ergebnis signalisiert: Rot und orange bedeuten Handlungsbedarf, bei grün ist alles im grünen Bereich. All das wird mittels IoT erreicht, damit jede Heizung gemessen und überwacht werden kann.
Natürlich gibt es verschiedene Möglichkeiten und viele Technologien, um sofort auf einen zu hohen Energieverbrauch zu reagieren oder vorausschauend die Temperatur zu regeln. Dafür kenne ich einige Anbieter auf dem Markt.