Innovative Geschäftsmodelle, die Solarenergie weltweit voran gebracht haben
Der weltweite Solar-Boom, den ich in den Vorhersagen für 2018 aufgezeigt habe, kommt nicht allein durch staatlich festgelegte Förderprogramme zustande. In Deutschland verlassen wir uns auf die erfolgreiche Unterstützung durch das EEG, die in der Anfangszeit sehr hilfreich war. Eine solche Unterstützung gab und gibt es aber in vielen anderen Ländern nicht. Dennoch entwickelt sich der weltweite Markt für Solarenergie so rasant. Ohne solche politischen Programme ist man dazu gezwungen innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln. Mit attraktiven Angeboten fällt es Kunden leichter in neue Technologien zu investieren. Diese Geschäftsmodelle sind so erfolgreich, dass der Ausbau der Solarenergie eine exponentielle Entwicklung nimmt. Die Preise fallen immer weiter und haben eine disruptive Wirkung auf den Markt. Welche Geschäftsmodelle dies sind, möchte ich in diesem Beitrag vorstellen, erörtern welche Folgen diese Entwicklung hat und wie ich eigentlich auf dieses Thema gekommen bin.
Inhalt
Das Buch „Saubere Revolution 2030“ von Tony Seba
Alle Informationen zu den Geschäftsmodellen, die einen beschleunigten Ausbau der Solarenergie zur Folge hatten, stammen aus dem Buch „Saubere Revolution 2030“ von Tony Seba. Er ist mehrfacher Gründer, Keynote-Speaker und Professor an der Stanford-University. Das Buch zeigt sehr anschaulich welche Entwicklung insbesondere die Solarenergie in unterschiedlichen Ländern in den letzten zehn Jahren genommen hat. Der Blick in dem Buch ist dabei besonders auf die USA gerichtet, wo der Autor lebt. Tony Seba zieht immer wieder den Vergleich mit anderen Branchen und will damit zeigen wie schnell die Entwicklung gehen kann. Er möchte damit auch darauf aufmerksam machen, dass Unternehmen, welche die Entwicklung der erneuerbaren Energien nicht ernst nehmen, vom Markt verschwinden können. Oder spielen heute Nokia und Kodak noch eine Rolle im Bereich der Telekommunikation und Fotografie?
Wir leben nicht nur bei Technologien wie dem Smartphone und der IT in einem Zeitalter der exponentiellen Entwicklung. Auch die Photovoltaik breitet sich in einer exponentiellen Entwicklung weltweit aus, ausgelöst durch eine rasante Reduzierung der Preise. Tony Seba zeigt verschiedene Beispiele aus den USA und Australien wie diese Entwicklung abläuft. Diese ergänzt er mit Beispielen von Förderprogrammen oder innovativen Geschäftsmodellen, die zur Entwicklung beigetragen.
Weitere Themen sind die Entwicklung der Batterien, die Folgen für die Energiebranche, Elektromobilität, selbstfahrende Autos, sowie das Ende von Kernkraft, Kohle, Erdöl, Erdgas und auch von Biokraftstoffen.
Deutsche Übersetzung „Saubere Revolution 2030“
Für die Übersetzung des Buches und zur Verfügungstellung eines Rezensionsexemplars bedanke ich mich bei MetropolSolar. Das Netzwerk aus der Rhein-Neckar Region hat viel Arbeit in die Übersetzung des Buches gesteckt und die deutsche Ausgabe in eigener Regie veröffentlicht. Die deutsche Version des Buches „Saubere Revolution 2030“ ist derzeit nur über den Blog MetropolSolar erhältlich. Die Bestellung des Buches ist leider etwas umständlich per Mail und über Vorkasse möglich.
Was bedeutet disruptiv?
Es ist oft die Rede von Disruptionen und disruptiven Innovationen, Technologien und Geschäftsmodellen. Was bedeutet dieses Fremdwort eigentlich?
Nun, „disruptiv“ heißt unterbrechen oder stören. Bei Wikipedia heißt es, disruptive Technologien sind Innovationen, die die Erfolgsserie eines bestehenden Produkts oder einer bestehenden Dienstleistung ersetzen oder diese vollständig vom Markt verdrängen. Im Lexikon des Startup-Magazins Gründerszene heißt es, Disruptionen sind stark wachsende Innovationen, die ein bestehendes Geschäftsmodell ablösen oder zerschlagen.
Während Innovationen ein bestehendes Produkt oder einen Markt verbessern, zerstören disruptive Technologien den Markt und bauen ihn komplett neu wieder auf. Klingt sehr hart, aber die oben genannten Beispiele von Nokia und Kodak zeigen deutlich, dass Disruptionen wirklich zerstörerische Kräfte haben kann.
Innovative Geschäftsmodelle für die weltweite Ausbreitung der Solarenergie
Nach dem Vorgeplänkel, jetzt zu den eigentlich interessanten Inhalten. Was sind die innovativen Geschäftsmodelle und finanziellen Innovationen, die ein Wachstum der Solarenergie ermöglicht haben ohne staatliche Unterstützung? Die Liste ist mit Sicherheit nicht vollständig. Ich habe mich bei der Aufzählung an das Buch von Tony Seba gehalten.
Diese Geschäftsmodelle unterscheiden sich grundlegend von der klassischen Betrachtung mit einer Finanzierung über die Rückzahlung. Die Bezahlung der Investition über einen Kredit, der in den 1920er Jahren eine Innovation war und der Verbreitung des Automobils geholfen hat, ist nicht attraktiv genug. Für eine schnelle Verbreitung der Solarenergie braucht es attraktivere finanzielle Innovationen.
Finanzielle Innovation I: Solar-Leasing
Das Solar-Leasing ist ein Pachtmodell, bei dem die Kunden die Anlagen pachten anstatt sie zu kaufen. Um die Planung, Installation und Instandhaltung kümmert sich der Anbieter. Der große Vorteil ist, dass die Kunden kein Eigenkapital benötigen. Sie bezahlen die Solaranlage über eine feste monatliche Leasingrate, wie beim Auto. Die Leasingrate ist unabhängig von der Stromproduktion der Anlage. Den erzeugten Strom können die Kunden natürlich selbst nutzen. Dieses Angebot hat in den USA SolarCity entwickelt, heute ein Tochter-Unternehmen von Tesla.
Finanzielle Innovation II: Solar-Dienstleistung
Eine andere Variante, die bereits 2008 auf den Markt kam, stammt von dem Unternehmen SunEdison. Sie haben den Kunden ebenfalls angeboten die Solaranlage zu finanzieren, zu installieren und instandzuhalten. Die Kunden schließen einen Vertrag über 20 Jahre mit dem Unternehmen ab und verpflichten sich in der Zeit den Solarstrom vom Dach zu einem festen Preis abzunehmen. Nach Ablauf der Vertragszeit können die Kunden die Anlagen günstig kaufen oder abbauen lassen.
SunEdison musste im April 2016 Insolvenz anmelden, das Verfahren ist seit Ende 2017 abgeschlossen.
Laut Tony Seba waren in 2012 in manchen US-Bundesstaaten über 80 Prozent der privaten Solaranlagen fremdfinanziert. Das Geschäftsmodell „Solaranlagen ohne Eigenkapital“ war so erfolgreich, dass die Zeitschrift Scientific American es auf die Liste der 20 weltverändernden Ideen setzte.
Finanzielle Innovation III: partizipative Finanzierung in Energiegenossenschaften
Ein wesentliches Merkmal der erneuerbaren Energien ist die Dezentralität und die große Anzahl von kleinen Anlagen. Dadurch können Einzelpersonen leichter in Energieprojekte investieren. Sie können daran partizipieren. In Deutschland und auch in einigen anderen europäischen Ländern geschieht dies sehr häufig in Genossenschaften. Tony Seba schreibt, dass in 2001 über 100.000 Familien in Dänemark zu Windenergie-Genossenschaften gehörten. Diese Genossenschaften hatten 86 Prozent der Windräder in Dänemark installiert. In Deutschland sind über 180.000 Menschen in mehr als 850 Energie-Genossenschaften beteiligt. Sie engagieren sich für unterschiedliche Projekte, von der Energieproduktion und -versorgung, über den (Wärme-)Netzbetrieb bis hin zur Vermarktung. Stellvertretend für die vielen Genossenschaften haben die Bürgerwerke eG, eine Art Dachorganisation von über 75 Energiegenossenschaften, im Dezember 2017 den Deutschen Engagementpreis gewonnen.
Die Energiegenossenschaften werden als eine demokratische und verantwortungsvolle Organisationsform betrachtet. Jedes Mitglied hat eine Stimme und die Möglichkeit sich aktiv einzubringen in die Gemeinschaft. Ein weiterer Vorteil ist, dass alle wissen wo sie ihr Geld investieren, und dass es vor Ort bleibt. Der regionale Aspekt ist sehr wichtig bei den Genossenschaften.
Durch Änderungen im EEG ist es in Deutschland schwieriger für Genossenschaften in große Projekte zu investieren. Sie suchen sich heute andere Projekte, wie den Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, Mieterstrom, ein Nahwärmenetz oder andere Themen. Bürger sind in Deutschland aber nach wie vor die wichtigsten Investoren für Anlagen mit erneuerbaren Energien.
Finanzielle Innovation IV: Crowdfunding
Alternativ zu den Energiegenossenschaften können interessierte Bürgerinnen und Bürger sich über Crowdfunding an Energieprojekten beteiligen. Hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten der Partizpation. Anders als bei den Genossenschaften geht es beim Crowdfunding weniger um den regionalen Aspekt oder um die Mitbestimmung. Hier geht es darum Projekte zu ermöglichen oder um eine Investition in der Erwartung einer attraktiven Rendite.
Es gibt das klassische Crowdfunding, bei dem man Projekte ermöglichen kann und dafür eine Belohnung erhält, entsprechend der Investition. Weniger verbreitet ist das spendenbasierte Crowdfunding, bei dem die Unterstützer auch Projekte ermöglichen, aber keine echte Gegenleistung erwarten. Das Kreditbasierte Crowdfunding, Crowdlending, ist im Energiebereich auch nicht weit verbreitet. Häufiger kommt aber das beteiligungsbasierte Crowdfunding, Equity based Crowdfunding oder Crowdinvesting, zum Einsatz.
Diese Art des Crowdfunding wird genutzt um neue Projekte zu ermöglichen oder um Projekte für eine bestimmte Laufzeit zu verkaufen und damit Eigenkapital für weitere Projekte zu sammeln. Man kann auf diesem Weg aber auch Unternehmen im Wachstum mit Eigenkapital unterstützen. Anleger beteiligen sich in der Regel über ein Nachrangdarlehen an dem Projektinhaber. Die Rückzahlung die Zahlung der Rendite erfolgt in der Regel aus den laufenden Einnahmen. Die Rendite im Crowdinvesting ist in der Regel sehr attraktiv, aber es gibt auch immer die Möglichkeit, dass das Projekt scheitert und der Projektinhaber Insolvenz anmelden muss.
Finanzielle Innovation V: Immobilienfonds
Solardachanlagen sind fest mit Immobilien verbunden, könnten also auch über einen Immobilienfonds (REIT) finanziert werden. Ob Solar- und Windenergieprojekte die Anforderungen an REIT erfüllen, muss jedoch die amerikanische Steuerbehörde entscheiden. Immerhin ist mit der Anerkennung eines REIT auch ein steuerlicher Vorteil verbunden. Die Anerkennung ist bisher aber noch nicht realisiert. Auch bei uns haben sich Solarfonds nicht durchsetzen können.
Finanzielle Innovation VI: feste Abnahmeverträge für x MWh pro Jahr mit garantierten Preisen für 20 Jahre
Große Solarparks sind heute weltweit mit immer neuen Rekordpreisen in Auktionen erfolgreich. Je nach Größe der ausgeschriebenen Menge an MWh pro Jahr liegen die Preise mittlerweile deutlich unter 3 Dollar-Cent pro kWh. Andere Kraftwerke können mit diesen Preisen nicht mehr mithalten. In sonnenreichen Ländern ist die Planung der Stromlieferung vermutlich auch relativ sicher. Gesunkene Batteriepreise machen bald auch die Kombination von PV und Batterie wirtschaftlich attraktiv.
Folge-Entwicklungen die den Markt weiter verändern
Die Folgen dieser innovativen Geschäftsmodelle für erneuerbare Energien sind eigentlich bekannt. In der Vorausschau für die globale Entwicklung 2018 habe ich auch einen kurzen Blick zurück auf 2017 geworfen. Die Preise für Solaranlagen sind in den letzten Jahren extrem gesunken und in vielen Ländern der Welt ist die installierte Leistung an Anlagen zur Erzeugung von Solarstrom rasant angestiegen.
Photovoltaik verbreitet sich, weltweit betrachtet, ähnlich exponentiell wie internetfähige Geräte oder wie Smartphones. Zu Beginn der Entwicklung konnte sich auch noch niemand vorstellen, dass fast jeder Mensch auf der Welt ein Handy und jeder zweite ein Smartphone besitzt – zumindest statistisch.
Welche Folgen hat diese Entwicklung für den Markt? Einiges davon, was Tony Seba aufzählt, können wir bereits beobachten:
- Verfügbarkeit von Kapital steigt und Kapitalkosten sinken
- Regionale, dezentrale Energieerzeugung wächst
- Energiesystem wandelt sich von zentral zu dezentral
- Hilfstechnologien in den Bereichen Sensorik, künstliche Intelligenz, Verarbeitung großer Datenmengen (Big Data) und mobile Kommunikation verbessern sich exponentiell
- Kosten rohstoffbasierter Energieproduktion steigen
- Komplementärmärkte, wie Windenergie, Elektrofahrzeuge und selbstfahrende Fahrzeuge wachsen exponentiell
- Investitionen in andere Speichertechnologien steigen
Der Markt verändert sich immer weiter, der Anteil von Anlagen mit erneuerbaren Energien wächst, sie werden günstiger und das konventionelle Geschäftsmodell gerät in immer mehr Schwierigkeiten. Energieversorger geraten unter Druck, wie ich anhand des Vortrags von Investor Frank Thelen bereits gezeigt habe. Sie müssen sich anpassen und neue Geschäftsmodelle suchen, was teilweise schon der Fall ist. Wie oben schon angesprochen, handelt es sich um eine disruptive Entwicklung.
Einige weitere Beispiele für neue Geschäftsmodelle mit Solarstrom in Europa listet das Magazin Energiezukunft auf.
Blogparade Disruptionen der Energiewirtschaft
Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade Disruptionen in der Energiewirtschaft, gestartet vom SMA Blog und eine Initiative der Energieblogger. Das Ziel dieser Blogparade ist es unterschiedliche Sichtweisen zu den Veränderungen in der Energiewirtschaft zu sammeln und den Blick auf dieses Thema zu lenken. Unter dem Hashtag #disruptenergy sind die Beiträge zur Blogparade zu finden. Aber für Euch, liebe Leserinnen und liebe Leser, sammele ich die bereits veröffentlichten Beiträge hier:
- Milk the Sun Blog: Ist Disruption die Lösung des Energiesektors?
- SMA Sunny: Smart-Meter-Pflicht – was tun?
- HZwei-Blog: Über Disruption, Bitcoins und Blockchain
- HZwei-Blog: Elektrifizierungsprozess hat begonnen
- Oekoenergie-Blog: Tony Seba: „2030 ist auf JEDEM Dach eine PV-Anlage“
Ich frage mich welche Pendants es hier zu den amerikanischen Beispielen gibt.
Der Markt hierzulande ist etwas anders als in den USA. Es gibt dort keine Einspeisevergütung, dafür laufen die Stromzähler bei Einspeisung rückwärts. Wobei auch hier der eingesparte Strombezug an Bedeutung gewonnen hat. Ähnliche Modelle sehe ich aber bei DZ-4, mit einem Mietmodell, und bei Zolar mit einem Online-Kauf der Solaranlage.