Energieeffizienz im Winterpaket der EU-Kommission – wie ambitioniert sind die Pläne?
Gastbeitag von Jan Rosenow, Senior Associate, The Regulatory Assistance Project
Die europäische Energie- und Klimapolitik steht an einem Scheidepunkt: Im Jahr 2020 enden die 20-20-20-Ziele, die eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 20 Prozent vorsehen, die Erzeugung von 20 Prozent der Energie in der EU aus erneuerbaren Quellen und die Verbesserung der Energieeffizienz um 20 Prozent festschreiben. In dem sogenannten Winterpaket hat die EU-Kommission im November vergangenen Jahres Pläne für die Zeit nach 2020 veröffentlicht. Der neue politische Rahmen ist in Teilen durchaus ambitioniert, die vorgestellten Maßnahmen für Energieeffizienz haben jedoch noch viel Luft nach oben. Ein Team von Experten des Regulatory Assistance Project und des Buildings Performance Institute Europe haben genauer hingeschaut und eine umfangreiche Analyse des Winterpaketes durchgeführt.
Inhalt
Was ist das Winterpaket?
Im November 2016 hat die EU-Kommission das „Clean Energy for All Europeans“-Paket vorgelegt, auch als Winterpaket bekannt. Das Winterpaket stellt die Weichen für die europäische Energie- und Klimapolitik für die Zeit nach 2020. Es besteht aus vier Verordnungen und vier Richtlinien mit insgesamt 4.500 Seiten Text. Den Bereich Energieeffizienz betreffen die Reform der Energieeffizienz-Richtlinie, die Reform der Gebäuderichtlinie, die Governance-Verordnung und die Reform des Strommarktdesigns.
Wie ambitioniert ist das 30-Prozent Ziel?
Der EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie Miguel Arias Cañete hat im November verkündet, wie stolz er auf das Einsparziel in der Energieeffizienz-Richtlinie sei. Bis 2030 will die EU 30 Prozent Energieeinsparung als verbindliches Ziel festschreiben. Vor Verkündung dieses neuen Zieles wurde in der 2030-Energiestrategie aus dem Jahr 2014 nur ein indikatives Einsparziel von nur 27 Prozent erwähnt. Damit geht das Winterpaket an dieser Stelle weiter, da es ein ambitionierteres und verbindliches Einsparziel vorschlägt.
Es ist jedoch wichtig zu verstehen, worauf sich die 30 Prozent beziehen – nicht etwa 30 Prozent des jetzigen Energieverbrauches, sondern 30 Prozent des 2007 prognostizierten Energieverbrauches für das Jahr 2030. Laut Analyse der EU-Kommission wird sich der Energieverbrauch in Europa selbst ohne weitere Maßnahmen um 24 Prozent verringern, verglichen mit der Prognose. Aus diesem Grund forderte das EU-Parlament im vergangenen Jahr ein 40-Prozent-Einsparziel.
Die Potenziale sind noch lange nicht ausgeschöpft. Daten vom Fraunhofer-Institut zeigen, dass 40 Prozent Einsparungen volkswirtschaftlich ohne Weiteres möglich sind. Durch Innovation und Kostensenkungen könnte die EU noch weiter gehen.
Efficiency First im Strommarktdesign
Auch im Bereich Strommarktdesign sollte Energieeffizienz eine zunehmende Rolle spielen. Allerdings sind die Regelungen zu schwach. Obwohl die vorgeschlagenen Verordnungen und Richtlinien zum Strommarktdesign das Prinzip „Efficiency First” befürworten, fehlt es an einer Umsetzung dieses Prinzips in den detaillierten Regelungen.
Hier ein Beispiel: Viele Mitgliedstaaten haben Kapazitätsmärkte eingeführt, um sicherzustellen, dass wir in Zukunft genügend Stromerzeugungskapazität haben. In den USA können Energieeffizienz und Demand Response mitbieten – dies führt zu deutlich niedrigeren Auktionspreisen und damit zu Einsparungen für alle Verbraucher. Im Winterpaket sind leider keine Provisionen vorgesehen, die es Energieeffizienz und Demand Response erlauben würden, in Kapazitätsmärkten aktiv zu werden.
Auch im Bereich der Netzregulierung gibt es Möglichkeiten, Energieeffizienz und Demand Response als Alternativen zu Netzinvestitionen gezielt zu fördern. Im Strommarktdesign wird zwar vorgesehen, dass die Regelwerke der EU-Mitgliedstaaten es Netzbetreibern ermöglichen sollen, Energieeffizienz und Demand Response bei Investitionsentscheidungen zu berücksichtigen. Wie Erfahrungen aus Großbritannien und auch in Deutschland zeigen, ist dies jedoch nicht ausreichend. Stattdessen bräuchte es eine Verpflichtung, in Energieeffizienz und Demand Response zu investieren, wo immer dies kostengünstiger und ökonomisch sinnvoll ist — sprich: Efficiency First. In den USA sind solche Modelle in vielen Bundesstaaten gang und gäbe.
Gebäuderichtlinie
Die Gebäuderichtlinie ist ein relativ schwacher Teil des Winterpaktes. Außer einem sogenannten Smartness-Indikator sieht sie keine drastischen Änderungen vor. Positiv ist, dass das bestehende Regelwerk auch weiterhin bestehen wird. Allerdings ist die Gebäuderichtlinie immer noch wenig ambitioniert, was den Gebäudebestand angeht. Mögliche Instrumente zur Förderung der Gebäudesanierung beinhalten individuelle Sanierungsfahrpläne, Investitionsprogramme als Teil der nationalen Sanierungsstrategien und Mindesteffizienzstandards für den Gebäudebestand.
Governance-Verordnung
Der letzte Teil des Winterpaketes mit Bedeutung für Energieeffizienz ist die Governance-Verordnung. Diese schreibt den Mitgliedstaaten vor, wie sie über ihre Energie- und Klimapolitik an die Kommission berichten müssen. Die Governance-Verordnung erkennt die entscheidende Rolle an, die die Energieeffizienz bei der Erfüllung der 2030- und 2050-EU-Klima- und Energieziele spielen muss. Sie legt einen Planungsprozess fest, der einen Weg zur Erreichung der Energieeffizienzziele in jedem Plan nachweisen muss. Die Governance-Verordnung schreibt allerdings nicht vor, was im Falle der Zielverfehlung passiert. Dies ist eine klare Schwäche dieses Instruments.
Das Winterpaket ist ein wichtiges und in vielen Teilen ambitioniertes energiepolitisches Rahmenwerk. Die Bedeutung der Energieeffizienz und des Prinzips „Efficiency First” werden vor allem in der Energieeffizienzrichtlinie und der Governance-Verordnung hervorgehoben. Nichtsdestotrotz gibt es viele Bereiche, in denen das Winterpaket nicht überzeugt. Die Einsparziele spiegeln nicht die volkswirtschaftlich sinnvollen Potenziale wider, die Regelungen zum Strommarktdesign bleiben hinter dem Prinzip „Efficiency First” zurück, die Gebäuderichtlinie adressiert den Gebäudebestand nur unzureichend und die Governance-Verordnung sieht keinen Sanktionsmechanismus vor. All dies ließe sich durch relativ einfache Änderungen beheben und würde das Prinzip von „Efficiency First” Wirklichkeit werden lassen.