Wärmespeicher Hennigsdorf: Finanzierung über Crowdinvesting
In einem kommunalen Wärmenetz ist die Speicherung der Wärme wichtig, sie ermöglicht, einen größeren Anteil erneuerbarer Wärme zu nutzen. Die großen, meist oberirdisch aufgestellten (zylindrischen) Behälter sind der Teil des Wärmenetzes, der für die Bevölkerung sichtbar ist. Was liegt näher, als einen Wärmespeicher mit einem Crowdinvesting anteilig über die Bürgerinnen und Bürger zu finanzieren?
Über den Wärmespeicher und die Erfahrungen mit dem Crowdinvesting habe ich im Juli 2025 mit Christoph Schneider, dem Geschäftsführer der Stadtwerke Hennigsdorf gesprochen.
Inhalt
Multifunktions-Wärmespeicher Hennigsdorf
Wer für sein Wärmenetz Quellen nutzt, die teilweise nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehen, braucht Wärmespeicher. Diese können unterirdisch, in einem Erdbecken oder als riesige Behälter gebaut werden. Letztere kann man sich als überdimensionale Thermoskannen aus Stahl vorstellen.
Die Stadtwerke Henningsdorf nutzen bereits industrielle Abwärme aus einem lokalen Stahl- und Walzwerk für ihr Wärmenetz. Allein dadurch konnte der Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung auf 65 Prozent steigen. Auch ein Biomasse-Heizkraftwerk und ein Bioerdgas-Blockheizkraftwerk gehören zu den Wärmeerzeugern. 2024 haben die Stadtwerke den ersten Großwärmespeicher bauen lassen.
Grund: Die industrielle Abwärme steht nur zur Verfügung, wenn in dem Stahl- und Walzwerk produziert wird. Daher ist der Speicher ein wichtiges Bindeglied in der Hennigsdorfer “Wärmedrehscheibe”, die verschiedene Wärmequellen in das Netz einbindet und um weitere Erzeuger erweitert werden kann. Das Wärmenetz ist für die Zukunft mit einer vollständig klimaneutralen Versorgung gerüstet. Ein intelligentes Netzmanagement sorgt für die passende Einbindung der Speicher und Wärmequellen und die bedarfsgerechte Verteilung.
Wärmedrehscheibe
Die Wärmedrehscheibe ist ein intelligentes Netz, das Wärmeenergie von verschiedenen Erzeugern bezieht, Lastspitzen über einen Zwischenspeicher puffert und unterschiedliche Verbraucher beliefert.
Für das Projekt Wärmedrehscheibe haben die Stadt und die Stadtwerke Henningsdorf zwei Auszeichnungen erhalten:
2021: Wettbewerb Klimaaktive Kommune in der Kategorie Ressourcen- und Energieeffizienz
2022: ZfK-NachhaltigkeitsAWARD Preis der Redaktion
Mit einem Durchmesser von 18 Metern und einer Höhe von 24 Metern ist der neue Wärmespeicher am nördlichen Stadtrand deutlich sichtbar. Er ist mit 5.100 Kubikmetern Heißwasser gefüllt und sorgt dafür, dass der Anteil erneuerbarer Wärme auf 80 Prozent steigt. Die Wassertemperaturen von 85 °C im Sommer und 90 °C im Winter entsprechen den Temperaturen des Wärmenetzes.
Durch den Speicher können zusätzliche 13.400 MWh Abwärme genutzt werden, das sind ca. 14.700 MWh Primärenergie und entspricht einer Reduzierung der CO2-Emissionen um 3.310 Tonnen.

Finanzierung des Wärmespeichers
Technologisch betrachtet ist ein Wärmespeicher keine große Neuheit. Die Intelligenz steckt in seiner hydraulischen Anbindung und Steuerung. Dennoch muss für einen Wärmespeicher in dieser Dimension eine hohe Investition getätigt werden. Die Kosten des Speichers in Hennigsdorf lagen bei 5 Millionen Euro.
Die Finanzierung hat sich wie folgt aufgeteilt:
- 2,7 Mio. Euro (54 %) finanziert durch die DKB, die auch das gesamte Projekt der Wärmedrehscheibe finanziert
- 1,3 Mio. Euro (26 %) aus Mitteln der Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW)
- 1,0 Mio. Euro (20 %) durch Crowdinvesting über eine Plattform der DKB.
Im Crowdinvesting konnten sich Bürger ab einem Betrag von 250 Euro finanziell am Projekt beteiligen. Für die Vorzeichnungsphase vom 01.07.2024 bis 31.08.2024 waren ausschließlich Hennigsdorfer Bürgerinnen und Bürger zur Beteiligung eingeladen. Sie erhalten für ihre Investitionen eine Verzinsung von 5,5 %.
Die Stadtwerke haben mit Informationsveranstaltungen, Flyern und auf Social-Media für das Projekt geworben. Für Geschäftsführer Christoph Schneider war der Stand auf der lokalen Festmeile Ende August 2024, eine Veranstaltung in der Stadt mit 27.000 Einwohnern, besonders wichtig. Dort bot sich die Gelegenheit, das Projekt und die Möglichkeit zur Beteiligung persönlich vorzustellen.
Am Ende der Vorzeichnungsphase hatten sie rund 500.000 Euro eingesammelt, die Hälfte des geplanten Volumens. Ab dem 01.09.2024 folgte die offene Zeichnungsphase mit einem Zinssatz von 4,5 %. Sie sollte bis Ende des Jahres laufen. Der restliche Betrag wurde innerhalb weniger Stunden gezeichnet und die Möglichkeit zur Beteiligung wurde wieder geschlossen.
Interessant war ein Fakt, den mir Christoph Schneider verraten hat: Im Schnitt waren die Beträge der lokalen Investoren doppelt so hoch wie die ortsfremder.

Vorteile eines Crowdinvestings für die Stadtwerke
Die Stadtwerke Hennigsdorf haben mit diesem Projekt zum ersten Mal die Möglichkeit zur Beteiligung an ihren Investitionen angeboten. Es war eine Gelegenheit, den Bürgerinnen und Bürgern das Wärmenetz und die Arbeit der Stadtwerke näherzubringen. Sie konnten sich dadurch informierter mit dem lokalen Wärmenetz beschäftigen, denn sonst ging es nur um die Wärmepreise und den Anschluss- und Benutzungszwang. Die Stadtwerke konnten durch die Bürgerbeteiligung das Wärmenetz positiv besetzen und “greifbar” machen, berichtete Christoph Schneider in unserem Gespräch.
Crowdinvesting
Bei dieser Form der Finanzierung beteiligen sich viele Investoren mit einem verhältnismäßig kleinen Betrag (hier ab 250 Euro) in Form eines Nachrangdarlehens. Damit ermöglichen sie alle zusammen die Umsetzung des Projektes. Die Investoren erhalten im Gegenzug die Rückzahlung über einen vorher festgelegten Zeitraum mit einem definierten Zinssatz.
Die Bürgerbeteiligung über das Crowdinvesting wirkt sich positiv auf das Image der Stadtwerke aus. Sie kommen aktiv mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch und können ihre Strategie vorstellen. Das waren die wesentlichen Gründe für Christoph Schneider, sich für diese Form der Finanzierung zu entscheiden.
Wichtig war ihm aber auch, dass der Aufwand für seine Mitarbeitenden gering bleibt, denn sie waren in der Zeit mit diversen regulatorischen Aufgaben beschäftigt. Für die Umsetzung der Bürgerbeteiligung hat die DKB gesorgt, die das gesamte Projekt finanziert hat. Für Projekte dieser Art hält sie eine eigene Plattform für die Bürgerbeteiligung bereit.
Auf die Frage, ob er diese Form der Finanzierung anderen Stadtwerken empfehlen kann, antwortete Christoph Schneider, dass er gemeinsam mit der DKB Vorträge über Bürgerbeteiligung für Energieprojekte hält.
Es handelt sich jedoch “nur” um eine finanzielle Beteiligung ohne Recht auf Mitsprache am Projekt. Soll die Bevölkerung aktiver eingebunden werden, müssen andere Modelle der Beteiligung gewählt werden, wie z. B. eine Energiegenossenschaft. Zudem handelt es sich bei der Investition um ein Nachrangdarlehen. Bei einem Ausfall oder einer Insolvenz des Emittenten (Projektnehmer) werden die Bürgerinnen und Bürger als letztes berücksichtigt, was bei einem Stadtwerk mit der Stadt als alleinigem Gesellschafter sehr unwahrscheinlich ist.
Fazit
2024 haben die Stadtwerke Hennigsdorf einen großen Wärmespeicher errichtet und in ihr Wärmenetz eingebunden. Für einen Teil der Finanzierung haben sie sich für ein Crowdinvesting entschieden, wobei die Hälfte der angestrebten Summe durch die lokalen Bürgerinnen und Bürger zusammengekommen ist. Die finanzielle Bürgerbeteiligung bot den Stadtwerken die Gelegenheit, mit der Bevölkerung über das Wärmenetz ins Gespräch zu kommen und es “anfassbar” zu machen.
Der Wärmespeicher als Teil der mehrfach ausgezeichneten Wärmedrehscheibe ist ein wichtiger Teil der Wärmestrategie der Stadtwerke Hennigsdorf. Weitere Schritte zur vollständigen Dekarbonisierung der Wärmeversorgung, wie z. B. der Transformationsplan, sind derzeit in der Planung.
Soll ich von weiteren Wärmewende-Projekten aus der Praxis berichten? Vielleicht aus Ihrer Stadt oder Gemeinde?

Klingt nach einem starken Signal für lokale Wärmenetze, vor allem weil der Speicher den Anteil erneuerbarer Wärme sichtbar nach oben schiebt. Trotzdem würde mehr echte Mitbestimmung gut tun, zum Beispiel über eine Genossenschaft statt nur Nachrangdarlehen, damit aus Beteiligung auch Beteiligungsgefühl entsteht. Im Hauskreis steht gerade eine Sanierung an und eine neutrale Energieberatung wäre uns fast noch wichtiger als Rendite, damit Effizienz, Tarife und Verbrauch zusammenpassen.
Gute Erfahrungen gibt es hier mit einem unabhängigen Dienstleister aus Arnsberg, der seit Jahren per Ausschreibung bei über fünfzig Versorgern die Verträge prüft und automatisch wechselt, was die Kosten spürbar senkt.