Diskussion um Strompreise nimmt immer mehr Fahrt auf
Es geht eine neue Angst um in Deutschland, mit reißerischer Überschrift wird vor riesigen Preiserhöhungen beim Strom gewarnt, ausgelöst allein durch die Energiewende. Auf die großen Überschriften wollte ich gar nicht eingehen, aber jetzt gab es auch einige recht gute Artikel, auf die ich gerne hinweisen möchte. Aber es verwundert mich doch sehr, dass kaum ein Artikel, der sich mit dem Strompreis befasst, zurückblickt auf die Preisentwicklung vor der Energiewende oder überlegt, wie sich der Strompreis entwickeln würde ohne erneuerbare Energien.
Es ist zu einfach, nur den erneuerbaren Energien die höheren Strompreise in die Schuhe zu schieben. Schon vor der Energiewende ist der Strompreis innerhalb von acht Jahren um 45 Prozent angestiegen, durch höhere Preise für Kohle und Öl. Wer weiß heute schon, wie sich die Preise für Kohle und Öl in den nächsten Jahren entwickeln werden? Strom aus Kohle wird kaum so günstig bleiben wie heute, woran übrigens ausgerechnet der Emissionshandel die Schuld trägt, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg Ende Mai berichtet hat.
Für wen wird der Strom teurer? Alle Strombezieher in einen Topf werfen funktioniert nicht, denn für die Großverbraucher wird Strom kaum teurer werden, bzw. ist in den letzten 12 Monaten sogar gesunken. Lediglich für private Abnehmer und kleine Betriebe werden die Stromkosten steigen. Dies hat das Verbraucherportal Verivox in einer Untersuchung der letzten 12 Monate ermittelt. Große Stromverbraucher profitieren zudem von sinkenden Preisen an der Strombörse, kleine Verbraucher hingegen nicht.
Das Magazin Cicero berichtet in einem sehr ausgewogenen Artikel davon, dass laut ARD-Deutschlandtrend 53 Prozent der Deutschen den Atomausstieg lieber verschieben möchten, damit die Preise nicht so stark ansteigen. Soll doch der Staat die Kosten tragen, wozu zahlen wir Steuern, scheint die Einstellung zu sein. In dem Artikel heißt es aber auch weiter, dass die Angst, die von den Medien verbreitet und auch geschürt wird, überflüssig und gefährlich ist. Denn diese Angst liefert die Argumente für alle Bremser und Blockierer der Energiewende.
Dabei sind es die großen Stromversorger, die am meisten von dieser Angst-Diskussion haben – sie verdienen mehr, wenn die Preise erhöht werden und sie profitieren davon, wenn erneuerbare Energien ausgebremst werden. Wie viel die Energiewende wirklich kosten wird, kann immer noch keiner sicher sagen, jedes Gutachten sagt etwas anderes aus, je nach Auftraggeber. Wer vor allem leiden wird unter den hohen Strompreisen, das werden die Geringverdiener und Hart-IV-Empfänger sein. Diese dürfen aber nicht instrumentalisiert werden von den Gegnern der Energiewende (siehe Artikel von Antje Radcke), sondern müssen entsprechend unterstützt werden mit z.B. kostenlosen Energieberatungen (z.B. durch die Aktion Stromspar-Check) und Zuschüssen für energiesparende Haushaltsgeräte. Eine reine Subventionierung wäre ein Fass ohne Boden, bzw. eine indirekte Subventionierung der Stromversorger.
So reißerisch wie die Überschrift in dem Artikel der FAZ von letzter Woche ist der Artikel zum Glück nicht. In dem Interview mit Justus Haucap, dem Chef der Monopolkommission, geht es aber doch um die erneuerbaren Energien und deren angebliche „Überförderung“. Dass die Einspeisevergütung nicht mit der Preisreduzierung der PV-Module mithalten kann, ist in der Tat ein Problem, es kann ja nicht sein, dass ein gefördertes Produkt die beste Finanzanlage am Markt ist. Das kann man nur schwer vermitteln, es müssen also flexiblere Lösungen her. Allerdings darf die Festlegung der Einspeisevergütung nicht zwischen Wirtschafts- und Umweltminister beim gemeinsamen Bier festgelegt werden. Daher ist der Vorschlag für eine Festlegung durch die Bundesnetzagentur eine Diskussion wert.
Aber die vorgeschlagene Quotenlösung als Alternative zum EEG ist wieder nur eine Scheinlösung, denn es gibt keinen Beleg dafür, dass die Quote die Preise senkt. Abgesehen davon, dass sich diese Lösung nach Planwirtschaft anhört, haben bisherige Versuche eher zu höheren Preisen geführt als beim EEG.
Ich verstehe auch hier wieder nicht, dass andere Industrien mit allen Mitteln im Land gehalten werden müssen, eine Stahlindustrie brauchen wir vermutlich nur noch aus traditionellen Gründen. Aber bei der Solarindustrie wird immer betont, dass wir sie uns nicht leisten können.
In dem Artikel betont Herr Haucap auch, dass erneuerbare Energien dem Klimaschutz nicht helfen und verweist auf den Emissionshandel. Nur, so wie der Emissionshandel heute organisiert ist, bringt der gar nichts. Das sagt er auch und fordert weniger Zertifikate und die Einbeziehung von weiteren Industrien, wie auch den Individualverkehr und den Wärmemarkt. Solange sich dies aber nicht ändert, ist der Emissionshandel nicht mehr als eine gut Idee, die schlecht umgesetzt ist.
Zum Netzausbau fordert auch eine europäische Lösung, sind doch die Spitzenlastzeiten völlig unterschiedlich in Europa und auch Ost-West-Leitungen sind notwendig.
Wo bleibt die Energieeffizienz?
Was mich aber wieder einmal sehr verwundert ist, dass viele über steigende Strompreise sprechen und niemand davon über Energieeffizienz. Jede Erhöhung des Strompreises macht Investitionen in effizientere Energienutzung wirtschaftlicher und damit attraktiver. Investitionen in Energieeffizienz sind günstiger als Investitionen in neue Kraftwerke. Wer heute in Energieeffizienz investiert, gehört morgen zu den Gewinnern.
http://i171.photobucket.com/albums/u304/wflamme/Strompreisentwicklungreel1998ltWikipedia.png
@ Wolfgang,
hallo, aber aus dem Link gehen nicht alle politisch gesteuerten Preisänderungen hervor.
Wenn die Politik in diesem Jahr 2012, für die große Industrie beschlossen diese weiter bzw. umfangreicher von der EEG-Umlage zu befreihen, und diese bei der Industrie eingesparten Gelder auf den EEG-Haushaltsstrom umzulegen, dann muss man sich nicht wundern, das der EEG-Haushaltsstrom steigt, und der Industriestrompreis eher sinkt.
Diese Regelung finde ich noch nicht einmal so tragisch. Nur wenn wir eine stabile Wirtschaft mit hoffentlich dadruch guter Beschäftigung erhalten, wird die Bevölkerung auch ein Einkommen haben, mit dem auch der jeweils aktuelle Haushaltsstrompreis bezahlt werden kann.
Dennoch muss der Haushaltsstrompreis bezahlbar bleiben. Haushaltsstrom sollte für jeden preiswert zu beziehen sein…
Aber wie? Was ist bezahlbar, was preiswert, oder ist es bald nur überwiegend im Sommer bei Sonnenschein sehr günstig, oder wenn der Wind stark weht?
Wann ist der Benzinpreis günstig/preiswert, wann ist dieser nicht mehr „bezahlbar“?
Die Frage(n) stehen natürlich im Raum, wie und wo geht die Reise hin, möglichst volkswirtschaftlich kosteneffiziente Energie für alle?
Ich glaube, das es künftig deutlich günstiger wird, seinen eigenen Strom selber zu nutzen. Genau so wie die Regenwassernutzung z.B. im Garten.
Auf Regenwasser muss man i.d.R. keine Steuern bezahlen, für selbst genutzen Strom z.B. von einer PV-Anlage vom eigenen Dach ebenfalls nicht.
Blos wenn immer weniger Strom aus den öffentlichen Netz eingekauft wird, dann werden dort auch weniger Steuern bezahlt, die Betriebskosten für das Stromnetz bleiben aber praktisch die gleichen, die dann stromumsatzmäßig auf weniger zahlende Kunden umgelegt müssten.
Wenn das so weiter geht, wird das Energienetz in 20-50 Jahren anders aussehen als heute, und wird wohl währenddessen von vielen Parametern und technischen Entwicklungen abhängen.
Einige fahren doch schon fast Benzin/-und stromsteuerfrei bzw. stromsteuerreduziert mit den Elektroauto durch die Gegend, wobei man dieses sicherlich auch immer wieder mal auflädt, wenn die PV-Anlage abends oder nachts wenig bzw. kein Strom dafür beisteuert.
Das E-Auto wird wohl möglich irgendwann günstiger werden, vor allem wenn der private Eigenstrom günstiger durch günstigere (PV)-Anlagen preiswerter wird, das E-Auto günstiger wird, und die Benzinpreise steigen sollten.
?
Das hatte ich doch in Bild und Text gerade dargelegt, oder?
Nun, Andy,
ich habe Ihnen hier mal die _reellen_ Verläufe lt. Wikipedia-Tabelle visualisiert:
http://i171.photobucket.com/albums/u304/wflamme/Strompreisentwicklungreel1998ltWikipedia.png
Was man erkennen kann, ist ein starker Verfall der Gestehungskosten seit 1998 (Beginn der Liberalisierung) und in den darauffolgenden Jahren ein leichter Anstieg und eine Stabilisierung ab etwa 2009.
Das pfeifen doch die Spatzen von den Publikationsdächern, daß die Marktöffnung, die Möglichkeit Erzeugerkapazitäten (endlich) disktriminierungsfrei europaweit zu vermarkten, zu einem relativen Überangebot an Erzeugungskapazitäten und einem raschen Preisverfall geführt hat. Schließlich wird man mit jeder Anlage eine möglichst hohe Auslastung anstreben, sofern die Selbstkosten nur gedeckt sind. Dh jede Anlage drängt dann mit ihren Grenzkosten in jeden erreichbaren Markt und die Folge dieser Grenzöffnung ist dann natürlich ein rascher Preisverfall.
Und natürlich stellt sich bald ein neues Gleichgewicht ein, teuer produzierende Anlagen werden früher stillgelegt, Neubauten werden wg drohender Unrentabilität hinausgeschoben, die Preise ziehen allmählich wieder etwas an. Ein buchstäblich ruinöser Wettbewerbskampf kann schließlich nicht ewig andauern.
Genau das war zu beobachten und ist an vielen Stellen qualifizierter nachzulesen, wenn man sich nur die Mühe einer kleinen Recherche macht.
So, und welche tatsächlichen Kostentreiber können wir in der Gesamtentwicklung also beobachten? Umsatzsteuer, Stromsteuer und – mit besonders dynamischer Entwicklung in den letzten Jahren – das EEG.
Warum steigen die Strompreise dann stärker an als die EEG-Umlage?
Der PV-Anteil trägt durch die immense Kostensenkung der letzten Jahre nun nicht mehr signifikant zur Steigerung der Umlage bei.
Dazu übrigens noch eine Randbemerkung: Das die Energiekosten im reellen Verlauf über lange Zeit nicht signifikant angestiegen sind, liegt daran, dass Energie- und Rohstoffpreise zu den Hauptinflationstreibern gehören. Daraus folgt auch, dass die langfristige Reduktion der Energiepreise durch erneuerbare Energiequellen und die ebenfalls dadurch sinkende Rohstoffabhängigkeit die Inflation deutlich dämpfen werden, wogegen jedes Festhalten an fossilen Energiequellen das Gegenteil, nämlich eine weitere Steigerung der Inflationsrate zur Folge hat.
„Der PV-Anteil trägt durch die immense Kostensenkung der letzten Jahre nun nicht mehr signifikant zur Steigerung der Umlage bei.“
Da vermisse ich die zugehörige Rechnung (sehr).
Da gibt es eine Untersuchung vom Prognos-Inatitut wie viel 1 GW PV-Zubau zur Erhöhung der Umlage beiträgt. Zu Anfang war die Einspeisevergütung noch viel höher als heute, wobei heute aber die Zubaumenge deutlich höher ist.
Naja, da gibt es aber auch anderslautende Erwartungen, zB hier:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/erneuerbare-energien-eeg-umlage-koennte-um-bis-zu-einem-drittel-steigen/6550986.html
Warten wir’s also mal ab.
Das hier ist doch kein schlechter Überblick, wie mir scheint?
http://de.wikipedia.org/wiki/Strompreis#J.C3.A4hrlicher_Durchschnittsstrompreis_in_Deutschland
Demnach sind die Erzeugungs-, Transport- und Vertriebskosten (Spalte 2) von 1998-2012 nominal kaum um 10% gestiegen, inflationsbereinigt sogar um mehr als 10% gesunken … wofür lt. Verfasser angeblich deutlich steigende Brennstoffpreise (Kohle, Gas) verantwortlich sein sollen?
Ich sehe, dass die Strompreise um über 40% gestiegen sind, bevor die Bundesregierung die Energiewende ausgerufen hat.
Grundsätzliche Frage: Was ist das Problem? Steigende Strompreise sind gut, weil sie zum Energiesparen anhalten. Zu eben diesem Zweck hat man ja 1999 als einen Teil der „Ökosteuer“ eine Stromsteuer neu eingeführt, für die seit 2003 2.05 cent pro kWh zu zahlen sind. Die EEG-Umlage hilft weiter beim Stromsparen.