Photovoltaik-Unternehmen erklärt der FDP die Sorgen der Branche
Offener Brief des geschäftsführenden Gesellschafters der relatio Unternehmensgruppe, Bernd Bodmer, an die FDP zu den Kürzungen der Einspeisevergütung für Photovoltaik-Anlagen. Ich stehe in keinerlei Kontakt zu dem Unternehmen relatio, denke aber, dass die Argumente die gesamte Branche betreffen und daher für meine Leser interessant sind.
Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister Rösler,
sehr geehrte Damen und Herren der FDP-Bundesgeschäftsstelle,
stellen Sie sich folgendes Bild vor: Berlin-Marathon. Zieleinlauf. Alle jubeln dem ersten Läufer zu. Gleich wird er die Ziellinie passieren. Der Erfolg, zum Greifen nah. Doch plötzlich, mitten im Finalsprint, kehrt der Sportler ermattet auf dem Absatz um. Und läuft zurück. Dem Publikum bleibt der Jubel im Halse stecken. Was ist passiert? Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen hat Energiewende und Atomausstieg unlängst mit diesem Bild versehen: „Das ist ein Marathon, aber Deutschland läuft los. Und wir haben auch ein klares Ziel.“ Unsere Frage ist: Haben CDU und FDP tatsächlich dieses große Ziel vor Augen? Denn was Sie mit der Einspeisekürzung für Solarstrom vorhaben, kommt dem Bild vom auf dem Absatz kehrt machenden Läufer sehr nahe.
Ich möchte Ihnen in diesem Zuge herzlich für ihre umgehende Antwort auf mein Schreiben vom 3. März danken. Wie mir allerdings scheint, haben Sie meinen Brief nicht genau gelesen, sondern eine standardisierte Email gesandt. Schade – das war nicht Sinn und Zweck meines Schreibens. Ein paar Anmerkungen habe ich dennoch zu Ihren – standardisierten – Ausführungen.
Mich würde beispielsweise brennend interessieren, in welcher Form die von Ihnen beschriebenen sechs Milliarden Euro an staatlichen Subventionen in die Photovoltaik geflossen sein sollen. Ich räume es ehrlich ein, mich erstaunt diese Zahl, zumal ich bisher davon ausgegangen bin, dass Solarstrom – wie Teile des Atom- oder Kohlestroms auch – über Umlagen an die Verbraucher weitergegeben und in keiner Weise Steuergelder kosten, sondern bescheren. Aber ein Blick in den Bundeshaushalt 2011 von Deutschland dürfte hier leicht Abhilfe schaffen – das Wirtschaftsministerium obliegt schließlich Ihrem Refugium, und Sie können mir in diesem Punkt sicherlich weiterhelfen. Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang allerdings die grundsätzliche Frage nach der Entsorgung der atomaren Abfälle. Meines Wissens geht genau diese zu vollen Lasten des Steuerzahlers, übrigens genauso wie der Aspekt, dass aufgrund ihrer tatkräftigen Regierungsmitarbeit Großunternehmen sowohl von der EEG-Umlage als auch vom Netzentgelt befreit sind. Sind wir einmal ehrlich: Damit haben Sie gezielt das Gegenteil von dem eingeführt, was man gemeinhin als „Verursacherprinzip“ kennt. Solche Regelungen kennen wir ansonsten ausschließlich aus sozialistischen und totalitären Staaten. Wir kämen von uns aus nie auf den Gedanken, diese politischen Ziele einer „liberalen“, marktwirtschaftlich orientierten Partei zuzuschreiben – normalerweise. Uns stellt sich die Frage, wie Sie dies mit Ihrem eigentlichen politischen Anspruch vereinbaren, Deutschland auf Wachstumskurs halten zu wollen? Sie, die sich als traditionelle Partei Steuersenkungen und Wirtschaftswachstum auf die Fahnen geschrieben haben?
Nur kurz sei in diesem Kontext erwähnt, dass Endlager wie Gorleben oder Asse mit großer Personal- und damit Kostenintensität bewacht und betrieben werden müssen. An immense Rückbau-Kosten atomarer Anlagen, über Jahrzehnte ins Unermessliche wachsend, sei gar nicht gedacht. Verwundert zur Kenntnis genommen haben wir hier übrigens, dass Ihrer Regierung an diesem wichtigen Thema gänzlich das Interesse abhanden gekommen zu sein scheint. Anders können wir es uns als deutsche Steuerzahler nicht erklären, dass Bundesumweltminister Norbert Röttgen Anfang dieser Woche erstmals in seiner Amtszeit das Atommülllager Asse besichtigt hat. Angesichts dieser Laissez-Faire-Politik überraschen die jüngsten Atommüllfunde im AKW Brunsbüttel nicht wirklich.
Zu Ihrem Argument, für private Haushalte sei der Strompreis mittlerweile zum „Brotpreis der Neuzeit“ geworden, möchten wir Ihnen ein Rechenbeispiel geben. Ein Vier-Personen-Haushalt zahlt für die von Ihnen stets als Negativbeispiel zitierte Solarstromumlage rund 70 Euro im Jahr an die Stromkonzerne, also die von uns bereits beschriebenen 5,83 Euro pro Monat. Für die Gewinne der Stromkonzerne hingegen muss die gleiche Familie im Schnitt 380 Euro berappen – und da sind Posten wie Parteispenden und Sponsoring für die Regierungsparteien schon abgezogen. Von daher kann in keinem Fall die Rede davon sein, dass die großen Energieunternehmen die steigenden Energiekosten über den Produktpreis an die Verbraucher weitergeben müssen, wie Sie ausführen. Sie müssen es nicht – aber Sie tun es. Um der eigenen Gewinnanhäufung willen. Genau das macht den Strom teuer und nicht etwa die EEG-Umlage.
Grundsätzlich: Ich persönlich zahle diese 5,83 pro Monat gerne – für die atomstromfreie Zukunft meiner Kinder! Ihr Argument, mit der Begrenzung des PV-Zubaus seien diese 5,83 Euro nicht wegzubekommen (es kämen lediglich keine neuen Kosten hinzu), können wir getrost entkräften: Unserer Meinung nach wären die durch einen potenziellen Neuzubau entstehenden Kosten sehr gering, weil der EEG-Vergütungspreis ohnehin schon im Bereich des regulären Bezugspreises liegt.
Wenn sich Ihre Partei tatsächlich mit dem Gedanken trägt, Photovoltaik schnell ohne Förderung auskommen zu lassen, dann sollten Sie nicht kurz vor dem Ziel die komplette Aufbauarbeit der vergangenen zwölf Jahre zunichtemachen. Wir plädieren nachdrücklich für eine mäßige Absenkung und vor allem für den Erhalt des Vertrauensschutzes. Letzterer macht Politik verlässlich und schafft stabile Rahmenbedingungen, die vernünftige und nachhaltige unternehmerische Planungen ermöglichen. Nur dadurch kann Photovoltaik tatsächlich innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums zum Selbstläufer werden. Ihr aktueller Gesetzesvorstoß lässt – mit Verlaub – jedoch eher das Gegenteil vermuten. Das ist tatsächlich so, als würde ein Marathonläufer kurz vor dem Ziel einfach umkehren.
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