Geschichte der Energiekostensenker Energieeffizienz-Netzwerke
Gastbeitrag von Prof. Dr.-Ing. Eberhard Jochem, IREES Institute for Resource Efficiency and Energy Strategies
Kurzfassung/ TL;DR: Vorreiter für Klimaschutz und Energieeffizienz in der Wirtschaft treffen sich zum Erfahrungsaustausch. Als lernende Energieeffizienz-Netzwerke könnten sie Energiekosten in der Wirtschaft schnell senken und Deutschland langfristig einen Spitzenplatz bringen.
Man spricht von der Energieeffizienz als „zweite Säule“ der Energiewende neben den Erneuerbaren Energien. Das ist die richtige Reihung, wenn man in die Vergangenheit schaut: die Energieeffizienz befindet sich bisher auf der „Kriechspur“ (2000 bis 2014: 0,5 % weniger Energiebedarf pro Kopf und Jahr), während der Ausbau der Erneuerbaren Energien mit rasantem Tempo um fast 10 % pro Jahr voranschritt und damit den Strompreis in die Höhe trieb. Doch trotz steigender Energiekosten bleiben zahlreiche, hoch rentable Energieeffizienzpotenziale in der Wirtschaft ungenutzt. Würden diese Potenziale realisiert, könnten Preissteigerungen für Strom und andere Energieträger kompensiert und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gestärkt werden.
Inhalt
Lernende Energieeffizienz-Netzwerke: Wer Wissen teilt, vermehrt es
Ein überaus erfolgreicher Ansatz, diese Potenziale zu heben, sind lernende Energieeffizienz-Netzwerke. Deren Schlüssel zum Erfolg liegt in einem regelmäßigen (alle drei Monate) und professionell begleiteten Erfahrungsaustausch mit jeweiliger Betriebsbegehung innerhalb eines regionalen Netzwerks, eines Branchen- oder Konzern-internen Netzwerkes: Dabei schließen sich zehn bis 15 Betriebe für einige Jahre zusammen, um gemeinsam ihren Energieverbrauch und ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Voneinander lernen – das ist das Herzstück dieser Netzwerke. Hinzu kommt zu Beginn ein professionelles Energieaudit, darauf aufbauend ein gemeinsames Netzwerkziel und ein jährliches Monitoring der Effizienz-Fortschritte bei jedem Teilnehmer.
Die Idee stammt aus der Schweiz und wurde im Jahr 2002 durch den Autor nach Deutschland übertragen. Nach einer Test- und Entwicklungsphase (2002 bis 2008) folgten das flächendeckend angelegte und vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) ausgerollte Projekt „30 Pilot-Netzwerke“ mit 366 Betrieben zwischen 2008 und 2014. Als einziges großes EVU nahm die EnBW die Idee im Jahre 2006 mit der Gründung des ersten EnBW-Netzwerkes auf. Bis heute sind von EnBW 35 Netzwerke mit mehr als 400 Betrieben an den Start gegangen.
Mit Energieeffizienz den Gewinn steigern und das Klima schützen
Die 366 Betriebe in den „30 Pilot-Netzwerken“ konnten im Durchschnitt jeweils 2.700 MWh Energie, 940 t CO2-Emissionen und 180.000 Euro Energiekosten pro Jahr einsparen. Jedes Netzwerk liefert damit einen substanziellen Beitrag zum Klimaschutz: nach drei, vier Jahren sind es 11.000 t CO2 pro Jahr. Bei 500 Netzwerken rechnet die Bundesregierung ab 2020 mit 5 Mio.t CO2 pro Jahr.
Zusätzlich steigerten die Netzwerkteilnehmer langfristig Ihre Wettbewerbsfähigkeit durch einen innovativen Kapitalstock und stärkten das regionale Gewerbe durch ihre Investitionen. Im Durchschnitt kommt es durch ein Energieeffizienz-Netzwerk zu 7 Mio. € Investitionen binnen drei, vier Jahren. Bei mehreren großen beteiligten Unternehmen kann sich diese Investitionssumme auch verdoppeln. Und nicht selten finden die Investitionen auch Nachahmer in der Region oder im betroffenen Konzern durch nicht teilnehmende Unternehmen.
Die Gewinnsteigerung durch eine vierjährige Teilnahme am Netzwerk lag bei einem Durchschnittsbetrieb (mit 2 Mio. € Jahresenergiekosten) bei 1,3 Mio. € in der Phase des „golden end“ nach der durchschnittlichen Amortisationsdauer von drei Jahren.
Mit Energieeffizienz-Netwzerken die Entscheidungsroutinen ändern
Außer über die Möglichkeiten zur Energieeffizienz tauschen sich die Netzwerkteilnehmer auch über Hindernisse aus, über Entscheidungsroutinen und das Verhalten ihrer Zulieferer:
- 85 % der Unternehmen treffen ihre Entscheidung für oder gegen eine Energieeffizienz-Investition allein nach der Amortisationszeit statt nach einem Rentabilitäts-Indikator wie z.B. der internen Verzinsung. Zwei oder drei Jahre als geforderte Amortisationszeit führen damit zu einer systematischen Fehlentscheidung, weil dann rentable Energieeffizienz-Investitionen trotz einer internen Verzinsung von 49% bzw. 30% nicht realisiert werden.
- Das Management schenkt der Energieeffizienz wenig Aufmerksamkeit, weil die Energiekosten oft nur 1 bis 5 Prozent der Produktionskosten betragen.
- Bei Ausschreibungen fehlen deshalb häufig hinreichende Effizienz-Vorgaben für energieverbrauchende Komponenten bei Maschinen und Anlagen.
- Auch die Zulieferer verhindern optimale Innovationen, weil sie die Standardlösungen statt energieeffiziente Alternativen anbieten. Oft kennen Technologiehersteller den Energiebedarf ihrer Maschinen, EDV-Lösungen oder Anlagen gar nicht („Das hat uns noch niemand gefragt“).
Im gemeinsamen Gespräch der Netzwerke findet man die Lösungen, man hat Vertrauen zu einander über die Jahre gewonnen und erkannt, dass der Erfahrungsaustausch belebend, motivierend und gewinnbringend ist – in vielerlei Hinsicht.
Ergänzung: Neues EnBW Energieeffizienz-Netwerk startet in Berlin
Unter dem Motto „Keiner weiß so viel wie alle“ soll nach dem Sommer in Berlin ein neues EnBW-Netzwerk gestartet werden. Interessierte sind zu einem Informations-Nachmittag am 08.07.2015 ab 15 Uhr eingeladen sich über die Arbeit im Netzwerk zu informieren. Es gibt auch Einblicke in den Ablauf der Netzwerk-Arbeit und die Möglichkeit potentielle Netzwerk-Teilnehmer kennen zu lernen oder sich mit erfahren Netzwerkern zu unterhalten.
Wer Interesse hat, kann sich gerne im Kommentar oder per Mail melden, ich leite die Kontaktdaten dann weiter. Mein Interesse gilt dem Erfolg der Energieeffizienz-Netzwerke, daher informiere ich gerne über neue Netzwerke und helfe mit bei der Suche nach teilnehmenden Unternehmen.
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Sehr geehrter Herr Kühl, Sie haben mit Ihrer Analyse den Nagel auf den Kopf getroffen. Tatsächlich ist das einzige Problem bei der industriellen Energieeffizienz-Steigerung das notwendige Investment und das daraus resultierende ROI. Aus diesem Grunde habe ich gestern ein neues Beratungsunternehmen gegründet, das exakt dieses Problem eliminieren wird. Da das Unternehmen sich noch in der Gründung befindet, möchte ich nicht zu viele Details öffentlich machen, wäre aber sehr daran interessiert, wenn Sie über meine E-Mail-Adresse mit mir Kontakt aufnehmen möchten, damit wir uns vorab austauschen können und eventuell sogar Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit finden könnten. Ich bin sicher, dass unser Geschäftsmodell für Sie hochinteressant sein dürfte und selbstverständlich ist unsere Beratung völlig kostenlos. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich von Ihnen eine Mail erhalten würde, damit wir zunächst auf diesem Wege zusammenfinden könnten. Mit freundlichen Grüßen, Robert Piller, ESP Consulting Group (der Name meines neuen Unternehmens)
Guten Tag,
ich glaube ja, um eine gute Energieeffizienz bzw. eine Bedarfssenkung zu erreichen, braucht es weitaus mehr Aufklärung in den einzelnen Unternehmen. Viele, zumindest gehe ich davon aus, wollen auch nichts ändern, weil der Betrieb ja gut läuft oder die Erstanschaffung ist ihnen zu teuer. Nur die Einsparung, die man danach hat, wird absolut nicht mit berechnet. Es is schwierig, hier wirklich einen Grund zu nennen. Selbst die Heizung oder die Klimaanlage zu erneuern kann schon wahre Wunder bewirken, was Einsparung betrifft.
Beste Grüße,
B. Sahlmann