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Klimapositiv vs. klimaneutral bauen

klimaneutral vs. klimapositiv bauen

Seit November 2020 gilt in Deutschland das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Es regelt die Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden und soll das Niedrigstenergiegebäude einführen. Dabei müssten Gebäude heute schon viel weiter im Klimaschutz sein, denn ihre Emissionen haben einen wesentlichen Anteil an den gesamten CO2-Emissionen. Daher müssen wir beginnen, die realen Emissionen zu betrachten und neue Wege zu suchen. Sind klimaneutrale Gebäude die Lösung und was heißt das genau? Oder müssen wir gar klimapositiv bauen? Diesen Fragen gehe ich in dem folgenden Artikel nach.

Beitrag der Gebäude zu den CO2-Emissionen in Deutschland

Die Bedeutung von Gebäuden bei den Treibhausgasemissionen habe ich hier bereits mehrfach erwähnt und geteilt. Knapp 30 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland stammen aus dem Gebäudesektor, wenn wir direkte und indirekte Emissionen betrachten. Daher steht dieser Sektor in einer besonderen Verantwortung und hat eine große Aufgabe.

Die Bundesregierung hat im Klimaschutzplan 2050 vorgesehen, dass die Emissionen von 118 Millionen Tonnen 2019 bis 2030 auf 70 Millionen Tonnen sinken – eine Reduzierung um 66 Prozent gegenüber 1990. Bis 2050 soll der gesamte Gebäudebestand in Deutschland nahezu klimaneutral sein. 

Jeder Neubau verursacht zusätzliche Emissionen

Neubauten müssen heute mehr denn je mit einem Blick auf die Zukunft errichtet werden. Denn alle Gebäude, die heute neu errichtet werden, gehören 2050 zum Gebäudebestand. Sie sind besonders langlebig und sollten sich daher bereits heute an dem Ziel der Klimaneutralität orientieren. In der Zeit bis 2050 wird an den heutigen Neubauten maximal eine Sanierung der Außenbauteile und der Gebäudetechnik durchgeführt.

Neue Immobilien müssen auch in den kommenden Jahren noch wirtschaftlich betrieben werden können. Denn der CO2-Preis sorgt dafür, dass Öl und Gas für die Wärmeversorgung immer teurer und durch klimafreundliche Alternativen ersetzt werden müssen.

Es gibt jedoch bei Neubauten einige Probleme, die aktuell nicht ausreichend bedacht werden:

Wie können wir klimaneutrale Gebäude bauen?

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB e.V. definiert ein klimaneutrales Gebäude wie folgt: 

Die Differenz der ausgestoßenen Emissionen und der Emissionen, die durch Produktion und Bereitstellung nach extern von CO2-freier Energie eingespart werden, ist auf ein Jahr hin betrachtet null oder kleiner als null.

Es muss am Gebäude also mehr klimaneutrale Energie erzeugt, verbraucht und nach außen abgegeben, als Emissionen ausgestoßen werden. Diese Definition betrachtet jedoch nur die Nutzung des Gebäudes.

Auf der anderen Seite verschlingt der Bau von Immobilien eine große Menge Energie und erzeugt somit auch Emissionen. Um diese graue Energie bei der Planung eines klimaneutralen Gebäude einzubeziehen, gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Konsequente Verwendung von Materialien, die keine zusätzlichen Emissionen verursachen. Dazu gehören die Wiederverwendung von bereits genutzten Bauprodukten und der Einsatz von Naturmaterialien.
  2. Einsatz von Produkten und Produktionsverfahren mit einem möglichst geringen ökologischen Fußabdruck plus lokale Erzeugung und Nutzung von CO2-freier Energie.

Herausforderungen beim klimaneutralen Bauen

So einfach, wie es oft dargestellt wird ist es nicht (oder noch nicht), Bauprodukte aus einem alten Gebäude wieder zu verwenden. Es muss geklärt sein, ob diese Bauprodukte zum Beispiel noch den Anforderungen an den Stand der Technik entsprechen. Hat die bauaufsichtliche Zulassung noch ihre Gültigkeit? 

Auch weitere Fragen wie Brandschutz, Feuchte- und Wärmeschutz müssen die beteiligten Planer:innen bei der Zweitverwendung von Baustoffen klären. 

Reicht es uns, klimaneutral zu bauen?

Für den Gebäudebestand ist immer wieder die Rede von dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Dies ist eine riesige Herausforderung, insbesondere im Bestand. Vielleicht reicht ein klimaneutraler Neubau nicht mehr aus und wir müssen Gebäude zunehmend klimapositiv errichten.

Den Begriff “klimaneutral” sieht der Verfahrenstechniker und Entwickler des Cradle-to-Cradle Konzeptes, Prof. Dr. Michael Braungart, kritisch. Er hat dafür zwei Beispiele vor einigen Wochen in Podcasts genannt:

Wann ist ein Gebäude klimapositiv?

In der oben aufgestellten Bilanzierung ist ein Gebäude klimaneutral, wenn die Klimabilanz die Zielgröße Null erreicht. Nach der Definition des DGNB leisten Gebäude, die heute schon klimaneutral betrieben werden, einen positiven Beitrag zum Klimaschutz. Dazu muss das Gebäude im Betrieb eine ausgeglichene oder negative CO2-Bilanz über das Jahr hinweg aufweisen. In der Bilanz ist der gesamte Energieverbrauch, inklusive des Nutzerstroms enthalten. Dieser wird den vermiedenen Emissionen gegenübergestellt, die durch die Abgabe von am Gebäude erzeugter Energie entsteht. Entscheidend für die Beurteilung sind die real ermittelten Verbrauchsdaten. 

Der Verband verleiht diesen Gebäuden daher die Auszeichnung “Klimapositiv”. Diese Auszeichnung ist nur für ein Jahr gültig, da sie von Messwerten abhängig ist, die Schwankungen unterliegen können.

Für den DGNB gibt es drei Schlüssel für ein klimapositives Gebäude:

  1. Hohe Energieeffizienz mit intelligenter Planung, sinnvollem Einsatz von Gebäudetechnik und aufgeklärten Nutzer:innen
  2. Nutzung erneuerbarer Energiequellen
  3. Einspeisung von selbst erzeugter Energie ins Netz

Es reicht also nicht aus, auf eingekaufte regenerative Energie zu setzen. Vor Ort erzeugte Energie, z. B. durch eine Photovoltaikanlage ist notwendig. Eine Anrechnung von CO2-Zertifikaten ist nicht zulässig.

Bedeutung des Grünstroms im Netz für die Klimabilanz von Gebäuden

Der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien im Netz ist ein wichtiger Faktor für die Klimabilanz der Gebäude.

Zum einen sorgt die Nutzung von Strom mit einem zunehmend höheren Prozentsatz aus erneuerbaren Energien für eine Verringerung der CO2-Emissionen aus dem Gebäude. So verbessert sich die Klimabilanz von Gebäuden mit einem hohen Stromverbrauch bereits automatisch, wenn der Strom klimafreundlicher wird. 

Auf der anderen Seite verringern sich die vermiedenen Emissionen durch einen höheren Anteil von klimafreundlichem Strom im Netz. Damit hat die Einspeisung von sauberem Strom einen sinkenden Einfluss auf die Klimabilanz. Um so wichtiger ist die Reduzierung der Emissionen des Gebäudes durch eine optimierte Konstruktion und Gebäudetechnik.

Beispiele klimapositiver Gebäude

Ende 2019 hat der DGNB bereits erste Projekte als klimapositiv ausgezeichnet. Die Bandbreite der unterschiedlichen Gebäude zeigt, dass jede Art von Gebäude klimapositiv sein kann. 

Hinzu kommt das aus zwei Bauteilen bestehende Eisbärhaus in Kirchheim unter Teck. Das 2009 errichtete Wohn- und Geschäftshaus erhielt neben der Auszeichnung “Klimapositiv” zusätzlich noch ein DGNB Zertifikat in Platin.

Gebäude brauchen mehr eigene Energieerzeugung

Für klimapositive Gebäude müssen wir die Ausrichtung nicht ändern. Der Weg führt wie bisher über eine hohe Energieeffizienz von Gebäudehülle und Anlagentechnik. Die Planer:innen und Projektentwickler:innen müssen jedoch, im Gegensatz zur Vergangenheit, eine zusätzliche lokale Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien einplanen. Und sie müssen das Bauwerk auf die realen Verbrauchs- bzw. Erzeugungsdaten optimieren, nicht auf einen Energiebedarf auf dem Papier.

Mit diesem Fokus können wir Gebäude errichten, die über mehrere Jahre hinweg klimapositiv sind. So können neue Gebäude über die Zeit ihren ökologischen Rucksack abbauen und wirklich klimaneutral werden. Daher benötigen wir bereits heute mehr klimapositive Gebäude, denn jedes bringt uns einen Schritt näher an das Ziel der Klimaneutralität im Gebäudebestand.

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