Kommunale Nahwärme ist eine Chance für Wärmewende und Bürgerenergie
Zunehmend wird das Feld der kommunalen Nahwärmeversorgung für die Energiewende erschlossen. Auch für die Bürger-Energiegenossenschaften kann die Nahwärme ein neues Betätigungsfeld werden, um die Energiewende im Wärmesektor voran zu bringen. Das Potential im Wärmesektor ist schließlich noch groß, viele Kommunen sind daran interessiert und der Wärmemarkt ist nicht so stark reguliert wie der Stromsektor. Viele spricht dafür, dass Nahwärmenetze künftig eine größere Rolle spielen werden. Doch die praktische Umsetzung ist auch sehr komplex, benötigt erfahrene Partner und die Kommune, um das Projekt mit lokaler Wärme erfolgreich an die Hausbesitzer zu bringen. Im folgenden Beitrag etwas Hintergrund zum Thema kommunale Nahwärme, ein paar Zahlen, etwas zu den verwendeten Technologien und ein paar praktische Beispiele.
Inhalt
Nahwärme mit Energiegenossenschaften
Nahwärme ist eine Wärmelieferung auf verhältnismäßig kurzen Strecken, eine genauere Definition bietet auch Wikipedia nicht. Es wird also auch rechtlich nicht zwischen Fern- und Nahwärme unterschieden. Bei einer Versorgung von ganzen Städten und Stadteilen wird in der Regel von Fernwärme gesprochen, was also auch bei Kommunen richtig wäre. Nur bei der Wärmeversorgung einer Wohnsiedlung wäre Nahwärme der korrekte Begriff.
In der Studie „Geschäftsmodelle für Bürger-Energiegenossenschaften“ von der Energieagentur Rheinland-Pfalz und dem Landesnetzwerk Bürger-Energiegenossenschaften Rheinland-Pfalz e.V., die in 2016 veröffentlicht wurde, sind Nahwärme – Erzeuger-VerbraucherGenossenschaften mit direkter Kundenbeziehung eine der möglichen Geschäftsmodelle. Es spricht auch viel für das bürgerschaftliche Engagement in diesem Bereich. Es hilft die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren, vorhandene Abwärme zu nutzen und erhöht die regionale Wertschöpfung. Die Nahwärme kann ein Beitrag sein zu kommunalem Klimaschutz und zur Generationenverantwortung für die jeweilige Region.
Doch solche Projekte sind auch mit einem enormen Engagement und Aufwand verbunden, damit sie erfolgreich umgesetzt werden und für eine kostengünstige Wärmeversorgung sorgen. Die Bürger vor Ort, die Kommune und lokale Experten müssen eingebunden werden. Die Bebauungsdichte und Ressourcen für die Wärmeversorgung müssen entsprechend vorhanden sein.
Wachsendes Engagement von Energiegenossenschaften und Kommunen in Nahwärmenetze
Bisher ist Deutschland nicht gerade bekannt für eine Nah- oder Fernwärme. Vom Gebäudebestand sind, laut BDEW, gerade mal 13,7 Prozent aller Gebäude an Fernwärmeleitungen angeschlossen. Im Neubau sind es jedoch immerhin 23,8 Prozent. In Deutschland gilt Fernwärme auch als eine eher teure Form der Wärmeversorgung. Dies zeigt auch der Heizkostenvergleich im Altbau vom BDEW.
Dennoch zeigt sich bei Energiegenossenschaften im Bereich Nahwärmenetze eine erfreuliche Entwicklung. Der DGRV – Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband berichtet von mehr als 50 neuen Genossenschaften im Bereich Nahwärme seit 2013. Kein anderer Bereich der Energiewirtschaft weist ein so hohes Wachstum an neuen Genossenschaften auf.
Auch bei Kommunen berichtet die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) von großem Engagement. Zwei von drei Energie-Kommunen, die von der AEE ausgezeichnet wurden, melden verstärkte Aktivitäten im Bereich Nahwärmenetze.
„Gerade bei der Wärmeversorgung von Wohngebieten sind Energiegenossenschaften und Kommunen die idealen Partner“, erklärt AEE-Geschäftsführer Philipp Vohrer. „Häufig werden die Nahwärmenetze genossenschaftlich durch die Hausbesitzer selbst betrieben, während die Kommunen das Projekt planerisch und organisatorisch unterstützen.“
Neue Technologien für die Nahwärme
Der große Vorteil von Nahwärmenetzen ist, sie sind technologieoffen. Sie können viele verschiedene Wärmequellen effizient einbinden. Dies ist gerade bei der Nutzung von erneuerbaren Energien ein entscheidender Vorteil gegenüber der Einzelheizung. Besonders häufig wird lokale Biomasse als Wärmequelle genutzt, z.B. in Holzhackschnitzelanlagen. Möglich sind Kombinationen mit Nutzung von industrieller Abwärme, thermischer Solarenergie, Erdwärme und weiteren Energieträgern.
Noch spannender wird es durch die neue Technologie der Niedertemperatur-Wärmenetze, auch bekannt als kalte Nahwärme oder Wärmenetze 4.0. Bei diesen Wärmenetzen wird mit einer Vorlauftemperatur von unter 40 Grad gearbeitet. Dadurch können weitere Energiequellen mit erneuerbaren Energien besser eingebunden werden, die Verluste sind geringer, die Nutzung kostengünstiger Materialien und die Möglichkeit zum schrittweisen Ausbau des Netzes, bzw. der Anschlüsse. Im Unterschied zu herkömmlichen Wärmenetzen wird neben der Wärmeübergabe-Station in den Häusern eine Wärmepumpe benötigt. Diese hebt die Temperatur an, damit sie für die Heizung und Warmwasserversorgung genutzt werden kann.
Für mich ist das Thema Nahwärmenetze und besonders kalte Nahwärme noch neu. Daher verweise ich für weitere Informationen auf diese schönen Beiträge „Wärmenetze neu gedacht“ und „Kalte Wärmenetze vs. herkömmliche Wärmenetze?“ von C.A.R.M.E.N., sowie auf das Interview „Kaltes Netz in Dollnstein“ im Paradigma-Blog.
Aktuelle Beispiele für Nahwärme-Projekte
Es gibt auch ein paar Beispiele aus der Praxis für Nahwärme in Kommunen, auch mit dem Engagement der Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Ein paar davon habe ich für Euch rausgesucht:
Energie-Kommune Büsingen
In der 1.300-Einwohner-Gemeinde Büsingen am Hochrhein in Baden-Württemberg versorgt seit dreieinhalb Jahren eine Kombination von Bioenergie und Solarthermie 107 Haushalte sowie alle öffentlichen Gebäude mit klimafreundlicher Wärme. Ein sechs Kilometer langes Nahwärmenetz liefert die erneuerbare Wärme direkt ins Haus. Dieses Projekt hat die Agentur für Erneuerbare Energien im Februar 2017 als Energie-Kommune des Monats ausgezeichnet.
Ein 1.090 Quadratmeter großes Solarthermie-Kollektorfeld erzeugt 12 Prozent der Wärme, vorwiegend für den Bedarf im Sommer. Der größte Teil der Vakuumröhrenkollektoren befindet sich auf zwei Freiflächen. Als innovative Lösung wurden zusätzlich auf der Fassade der Heizzentrale Kollektoren installiert. Die restlichen 88 Prozent Wärme stellt ein Hackschnitzelheizwerk mit einer Leistung von 1.350 Kilowatt zur Verfügung. Zwei Speicher mit der Kapazität von je 50 Kubikmetern Warmwasser unterstützen die Versorgung.
So ist es möglich, dass die Solarthermieanlage im Sommer das Heizen mit Holz entlastet. Der Holzbedarf der Gemeinde Büsingen wird pro Jahr um viele Kubikmeter Holz gesenkt und ermöglicht so Einsparungen bei den Betriebskosten. Die Solarthermie vermeidet unwirtschaftliche Teillastbetriebszustände und schafft Zeit für Wartungen an der Holzhackschnitzelheizung.
Weitere Informationen zur Energie-Kommune Büsingen.
Dorfwärme Ellern
Das Projekt „Dorfwärme Ellern“ wird künftig 105 Häuser mit Wärme aus regenerativer Energie versorgen und dabei 87 Prozent CO2 einsparen. Die Bürgerinnen und Bürger aus Ellern haben das Nahwärmenetz sowie die Solarthermie- und Biomassefeuerungsanlage selbst initiiert. Daraus entstand der Arbeitskreis Dorfwärme Ellern, es wurde eine Machbarkeitsstudie durchgeführt und um Anschlussnehmer unter den Gemeindemitgliedern geworben. Das Projekt erhält eine Förderung vom Land Rheinland-Pfalz in Höhe von 404.000 Euro aus dem Landesprogram „Zukunftsfähige Energieinfrastruktur“ (ZEIS).
Die Anschlussleistung für die 105 Häuser soll bei 1.654 Kilowatt liegen. Die Solarthermie-Anlage wird eine Fläche von fast 1.200 Quadratmetern haben und 15 Prozent des Wärmebedarfes liefern. In Rheinland-Pfalz gibt es nur eine weitere vergleichbar große Solarthermieanlage. Außerdem wird die Heizanlage Holz-Hackschnitzel verbrennen. Die Investitionskosten betragen insgesamt 4,7 Millionen Euro. Bei der KfW sind 956.000 Euro beantragt. Die Gemeinde Ellern beteiligt sich mit 400.000 Euro. Quelle
Nahwärme mit industrieller Abwärme in Venne
Es muss nicht immer Biomasse oder Solarthermie sein für die lokale Wärmeversorgung. In der Ortschaft Venne der Gemeinde Ostercappeln in Niedersachsen wird die Abwärme einer Fabrik für Eiswaffeln genutzt um 154 Gebäude in der Gemeinde mit Wärme zu versorgen. Die Fabrik muss die Wärme damit nicht mehr ungenutzt an die Umwelt abgeben und die Bewohner benötigen keine eigenen Heizungen mehr. Je nachdem, welche Heizung sie vorher hatten, sparen sie im Jahr 500 bis 1.000 Euro im Jahr. Sie mussten dazu Mitglied werden in der Genossenschaft Venner Energie eG mit einem Anteil von 500 Euro und für den Hausanschluss weitere 2.000 Euro bezahlen. Weitere Informationen über die Abwärmenutzung und das Projekt.
Große Chancen für eine Wärmeversorgung mit Nahwärme
Diese Beispiele zeigen nur einen Teil der vielen Möglichkeiten für die kommunale Nahwärme. So sind auch Kostenreduktionen möglich, wenn auch Glasfaserkabel verlegt werden, gemeinsam mit den Aufbau des Nahwärmenetzes. Wichtig ist in allen Projekten die frühzeitige Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in das Projekt. Damit ist die Akzeptanz gesichert und vor allem die notwendige Beteiligung für einen wirtschaftlichen Erfolg.
Kennt Ihr weitere Projekte und welche Fragen habt Ihr zu dem Thema und den Projekten?
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