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Wie wird der künftige Strommarkt mit Reserven gestaltet sein?

Hochspannung auch in der Diskussion über die künftige Stromversorgung
Hochspannung auch in der Diskussion über die künftige Stromversorgung

Mit dem weiteren Ausbau des Anteils von erneuerbaren  Energien an der Stromversorgung muss man sich auch Gedanken machen über die Sicherung der Stromversorgung in Zeiten schlechten Wetters, in dem auch nicht ausreichend Wind weht. Wie kann ein Strommarkt aussehen mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien, der gleichzeitig eine sichere Stromversorgung gewährleistet? Kann der Markt so gestaltet sein, dass der Anteil an Strom aus nicht-erneuerbaren Energieträgern auch wirtschaftlich betrieben werden kann und Reserven immer vorhanden sind? Wie soll dieser Markt aussehen?

Diese Fragen werden momentan viel diskutiert, daher habe ich sie auf Anregung eines Lesers aufgenommen. Wer erneuerbare Energien sagt, muss auch die auch die Frage der Reserven beantworten.

Hintergrund der Diskussion

Hintergrund dieser Frage ist laut dem Beratungsunternehmen A.T. Kearney eine drohende Versorgungslücke, insbesondere in Süddeutschland:

Bis zum Jahr 2040 müssen in Deutschland mehr als 50 Gigawatt (GW) an Kraftwerksleistung zugebaut werden. Insbesondere in Süddeutschland gibt es aber bereits heute akuten Handlungsbedarf: Bis 2020 ist dort mit einer Versorgungslücke von 6 GW zu rechnen – selbst dann, wenn die verfügbaren Importkapazitäten genutzt werden. In Norddeutschland hingegen besteht bis nach 2020 noch kein Bedarf an zusätzlichen Erzeugungskapazitäten. Der Ausbau der Stromnetze, verfügbare wirtschaftliche Stromspeichermöglichkeiten und Maßnahmen zum Demand-Side-Management werden den Bedarf beim derzeitigen Marktdesign nicht kompensieren können. Hinzu kommt, dass der Ausbau der Wind- und Solarenergie die derzeitige Situation sogar noch verschärfen wird. Flexible Erzeugungskapazitäten wie Gas- und Dampf-Kombikraftwerke (GuD), die die Lücke schließen könnten, sind derzeit nicht wirtschaftlich. Dies zeigt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney. Die Einführung eines wettbewerblichen Kapazitätsmarktes schafft neue Investitionsanreize und trägt so maßgeblich zum Gelingen der Energiewende bei.

Kapazitätsmarkt kann der Energiewende zum Erfolg verhelfen

Eine Antwort gibt die Studie von A.T. Kearney gleich selbst und betont, dass der diskutierte Netzausbau, die aktuell verfügbaren Speicher und eine nachfrageseitige Steuerung des Stromverbrauchs (Demand-Side-Management) nicht ausreichen werden. Bei der heutigen Gestaltung des Marktes, der nur dem produzierten Strom einen Wert gibt, können neue Kraftwerke nicht wirtschaftlich betrieben werden, vor allem wenn sie nicht, wie früher, ständig Strom produzieren.

Daher wird ein Marktmodell verlangt, das „entweder die jeweilige regionale Angebots- und Nachfragesituationen besser abbildet oder ein ergänzendes Marktdesign, das den Wert der verfügbaren Kapazität abbildet. Flexible Gaskraftwerke werden allerdings immer notwendiger, um die stark wachsenden Kapazitäten der erneuerbaren Energien bereits jetzt und auch mittelfristig integrieren zu können.“

Anreize für den Bau von Kraftwerkskapazitäten könnte ein wettbewerblicher Kapazitätsmarkt liefern. Es würden zwar zusätzliche Kosten anfallen, aber eine sichere und klimafreundliche (da auf neuen und effizienten Gaskraftwerken beruhend) Stromversorgung könnte so gewährleistet werden.

Neue Gaskraftwerke sind aber nicht in allen Fällen zwingend, mit dieser Marktgestaltung werden auch Anreize geschaffen für die Entwicklung und den Einsatz von Stromspeichertechnologien, die mit zunehmender Bedeutung von Solar und Wind ebenfalls immer wichtiger werden. Zudem können Demand-Side-Management-Maßnahmen einbezogen werden und nachfragebasierte Impulse setzen.

Grüne Unterstützung für Kapazitätsmarkt

Der baden-württembergische Umweltminister Untersteller hatte bereits im vergangenen Jahr einen ersten Vorschlag für einen Kapazitätsmarkt vorgelegt. Hintergrund ist die gewollte und stetig steigende Einspeisung erneuerbarer Energien in das Stromnetz. Diese Entwicklung führt zwar auf der einen Seite zu einem sinkenden Börsenpreis, auf der anderen Seite aber auch dazu, dass fossile Kohle- oder Gaskraftwerke immer weniger Betriebsstunden pro Jahr erreichen und kaum noch wirtschaftlich zu betreiben sind.

Franz Untersteller: „Überlässt man die Entwicklung sich selbst, werden fossile Kraftwerke langsam aus dem Markt gedrängt. Da Sonne und Wind aber nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit die Nachfrage decken können, sind fossile Kraftwerke auch künftig noch unverzichtbar. Sie sind flexibel zu- und abzuschalten und können die Fluktuation der Einspeisung durch erneuerbare Energien ausgleichen. Damit das funktioniert, brauchen wir einen Kapazitäts-Mechanismus im Markt.“

Die Idee dabei sei einfach, sagte Untersteller. Kapazitätsmarktmechanismus bedeute, dass die Bereitstellung von Kapazitäten zur Deckung des Strombedarfs vergütet werde, so dass trotz sinkender Börsenpreise der Betrieb von Gas- und Kohle beziehungsweise der Bau neuer moderner Gaskraftwerke rentabel bleibe.

„Die Kapazitäten müssen durch hohe Anforderungen an Effizienz, Emissionen, Flexibilität und Verfügbarkeit technologieoffen qualifiziert und dürfen keinesfalls auf fossile Kraftwerke beschränkt werden. Dabei kommen neben Gaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) auch Potenziale der Laststeuerung und Stromspeicherung und Verstetigung der erneuerbaren Energien, zum Beispiel über Biogas in Frage“, so Untersteller, Trittin und Krischer.

Quelle: Pressemitteilung des Umweltministeriums Baden-Württemberg

Weiter ergänzt Franz Untersteller im Deutschlandfunk, dass man in diesem Kapazitätsmarkt wichtige Regeln verankern kann, die so heute nicht möglich sind. Diese wären Energieeffizienz, Einhaltung von Klimaschutzzielen, Flexibilität, Regionalität und auch Verfügbarkeit:

„Kapazitäten kann man auch anders sicherstellen. Über Stromspeicher, über Verträge mit Unternehmen, über abschaltbare Lasten – all diese Dinge gehören dazu. Unsere Vorstellung ist, dass es dann zu einer europaweiten Ausschreibung einer bestimmten Kapazität kommt. Es käme zu einer Auktionierung und letztendlich käme das kostengünstigste Angebot zum Zuge, wenn es denn die Kriterien der Ausschreibung erfüllt. Ich bin da auch offen: Wenn man mir günstigere Möglichkeiten aufzeigt, wie man zu diesen Kapazitäten kommt, können wir darüber gerne diskutieren. Ich kenne aber bisher keine.“

Umweltbundesamt sieht Kapazitätsmarkt kritisch

Das Umweltbundesamt hat hingegen in der letzten Woche betont, dass der gegenwärtige Strommarkt durchaus einen geeigneten Rahmen für die Energiewende darstellt und eine sichere Stromversorgung leisten kann. In der Studie des Umweltbundesamtes, in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Ecofys, sieht man bei Kapazitätsmärkten das Problem von Risiken von Ineffizienzen, unter anderem weil sie zu wenig Anreize für das Lastmanagement setzen.

Ein verstärktes Engagement in Lastmanagement und eine strategische Reserve (ähnlich wie bei Öl) würden ausreichen für eine sichere Stromversorgung, so das Umweltbundesamt. Die Engpässe in der Stromversorgung könnten durch den Ausbau der Stromnetze behoben werden. Mit dieser Lösung würden die Kosten eher im Rahmen gehalten werden.

Was wird sich durchsetzen?

Was am Ende umgesetzt wird, ist nicht immer die beste Lösung. Vor allem in der Energiebranche ist das politische Ergebnis meistens eher ein Erfolg von Lobbyisten. Mir persönlich sagt der wettbewerbliche Kapazitätsmarkt aus verschiedenen Gründen eher zu:

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