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Auf welchem Weg ist die Energepolitik in Europa?

Heute morgen hat EU-Energiekommissar Günther Öttinger in Brüssel den Fahrplan für die Energiepolitik in Europa für 2050 vorgestellt. Nach den Zielen für das Jahr 2020 mit 20% mehr Energieeffizienz, 20% mehr Erneuerbare Energien und 20% weniger CO2-Emissionen, sollten frühzeitig neue Ziele für das Jahr 2050 festgelegt werden, um Investoren Planungssicherheit zu geben.

Es ist noch gar nicht klar, ob die Ziele für 2020 erreicht werden können, schon sollen neue Ziele für 2050 mit einem Zwischenschritt 2030 gemacht werden. Bis zur Mitte des Jahrhunderts sollen die CO2-Emissionen um über 80% reduziert werden, Öttinger spricht gar von einer Dekarbonisierung der Energiewirtschaft. Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Energieeffizienz weiter erhöht, der Anteil Erneuerbarer Energien weiter gesteigert und die Netze aus gebaut werden. Damit muss schnell angefangen werden, sonst werden die Kosten immer höher.

Kohle und Gas, in Verbindung mit CCS, sollen ebenfalls weiter Bestandteil der Stromerzeugung bleiben. Und Kernenergie? Die hat er mit keinem Wort erwähnt, auch in der offiziellen Pressemitteilung ist nur die Rede davon, dass sie Bestandteil der verschiedenen Szenarien ist. In welchem Maße die Kernenergie nach Öttingers Plänen zur Stromproduktion in Europa beitragen soll, dazu äußert er sich nicht. Dies soll erst in der genauen Festlegung 2013 erfolgen.

Da der Verkehrssektor bis 2020 nicht mehr als 10% an der Minderung der CO2-Emissionen und dem Anteil Erneuerbarer Energien beitragen wird, muss die Stromproduktion einen höheren Anteil erreichen, um das Gesamtziel der EU bis 2020 zu erreichen – das wäre in der Stromproduktion ein Anteil von 35% erneuerbare Energien in der gesamten EU. Um das Ziel von 30% Erneuerbare Energien bis 2030 zu erreichen, müsste die Stromproduktion im Jahr 2030 einen Anteil von 50% Erneuerbarer Energien aufweisen.

Meine Befürchtung ist weniger die Glaubwürdigkeit und eine eventuelle Hintertür für Kernenergie, als die praktische Umsetzung. Es fehlt mir eine ehrliche Antwort, welchen Anteil Kohle, Gas und  Atom haben werden, wenn die Erneuerbaren Energien bei 50% liegen. Und, wie will man Aussagen über den Zeitraum bis 2050 machen, wenn man noch immer nicht weiß wie man die Ziele für 2020 erreichen soll. Auf eine Nachfrage zum Effizienz-Ziel für 2020, wie man das Ziel noch erreichen will, hieß es, dass noch Beratungen laufen und bis März 2012 soll entschieden werden, ob es bei einer freiwilligen Lösung bleibt oder verbindliche Vorgaben geben soll. Die deutsche Bundesregierung, so sein Seitenhieb nach Berlin, solle sich mit einer gemeinsamen Linie aktiv in die Beratungen einbringen.

Für den SPD-Abgeordneten im Europaparlament Matthias Groote ist der Fahrplan für 2050 ein Schlag gegen die Energiewende in Deutschland, für Atomenergie und Kohlekraft bleibt in Zukunft eine Hintertür offen. Dekarbonisierung wird von Öttinger falsch ausgelegt, wenn er damit mehr Atomkraft meint.

Von einem Rückschritt ins Jahr 1950 spricht gar Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis90/ Die Grünen. „Damit die EU-Kommission die Zukunft in der Vergangenheit  finden kann, werden die Kosten der Erneuerbaren Energien künstlich hoch und die von Atom- und Kohle runter gerechnet. Die EU-Kommission träumt von dutzenden neuen Atomkraftwerken, die angeblich jetzt sicher werden, sowie von massenweisen scheinbar günstigen CCS-Kraftwerken.“

Für Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hingegen begrüsst die Energy Roadmap 2050. Für ihn „muss Europa stärker als bisher auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz setzen. Das ist für mich die zentrale Botschaft des EU-Energiefahrplans 2050. Die vorgelegten Energieszenarien zeigen außerdem, dass der Umstieg auch unterökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll ist. Der stärkere Einstieg in die erneuerbare Energieversorgung ist keineswegs teurer als eine Energiestrategie, die auf höhere Anteile der konventionellen Energien baut. Die Gesamtkosten des Energiesystems liegen in allen Szenariengünstiger, als wenn wir so weitermachen würden als bisher. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind die Schlüssel für eine sichere und bezahlbare Versorgung und einen wirksamen Klimaschutz.“ Er sieht es weiterhin als Vorteil, dass die Komission keine bewusste Empfehlung für den künftigen Energiemix abgebe.

Für Greenpeace Europa zeigt sich mit dem Roadmap, dass Erneuerbare Energien den Steuerzahler nicht mehr kosten als schmutzige und gefährliche Energieträger wie Kohle und Kernenergie. Die EU-Kommission muss dabei aufpassen, dass sich die Kernenergie-Freunde wie Frankreich und Polen nicht durchsetzen. Eine moderne Energieversorgung kommt nicht ohne Erneuerbare Energien aus, kann aber zeigen, dass Kohle und Kernenergie der Vergangenheit angehören.

Der Bundesverband Erneuerbare Energien sieht die Kosten für den Ausbau Erneuerbarer Energien und für die Infrastruktur zu hoch angesetzt. Auch die Annahmen für die Kostenentwicklung der konventionellen Energieträger sind viel zu optimistisch, so berichtet der Photovoltaik-Guide.

Die Roadmap 2050 ist für den  Blog 100% erneuerbar erstaunlich unkonkret, was nicht gerade zur beabsichtigten Lenkungswirkung beitragen wird. Auch sonst enthält sie wenig neues oder innovative Lösungen. Dafür spricht das Papier viele wichtige Aufgaben bei der Neugestaltung der Energieversorgung an.

Der Verband kommunaler Unternehmen (Sprachrohr der Stadtwerke) begrüsst die Roadmap 2050 und sieht, dass „die Europäische Kommission der lokalen und regionalen Ebene die Bedeutung beimisst, die den Stadtwerken beim Umbau des Energiesystems zukommt“. Positiv ist für den VKU neben der langfristigen Planungssicherheit, „dass Transport- und Verteilnetze in Zukunft als ganzheitliches System zu sehen sind. Sowohl die dezentrale und erneuerbare Energieerzeugung, als auch die Entwicklung der Elektromobilität sind ohne intelligente Verteilnetze nicht realisierbar. Der Aus- und Umbau der Verteilnetze ist daher der Schlüssel zu den Zielen der Energy Roadmap.“ Jetzt sei aber die Politik gefordert, um stabile Rahmenbedingungen zu schaffen.

Auch der europäische Windenergieverband EWEA hätte sich gerne bindendere Vorgaben für 2030 gewünscht. Die Kommission sollte nun, nach der deutlichen Ansage von Herrn Öttinger für einen Ausbau der Erneuerbaren Energien, vom Rat und vom Parlament ein klares Mandat erhalten für verbindliche ambitionierte Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren Energien bis 2030. Die Windenergie ist in allen Szenarien der größten Energieträger mit einem Anteil zwischen 32% und 49% an der gesamten Stromerzeugung, darauf wurde in der Roadmap mit keinem Wort eingegangen.

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