Großwärmepumpen als Puzzleteil für eine grüne Fernwärme
Ein Gastbeitrag von Nele Otto
Für das Erreichen der Klimaschutzziele der Bundesregierung und das Umsetzen der notwendigen Energiewende sind Großwärmepumpen in Nah- und Fernwärmenetzen oder zur Effizienzsteigerung von Industrieprozessen vielversprechend. Durch die Nutzung „kostenloser“ Wärmequellen und unter Zuhilfenahme regenerativer Stromquellen ist der Energieeinsatz nahezu klimaneutral.
Inhalt
Technik und Funktionsweise
Wärmepumpen kennt man durch ihren Einsatz im Gebäudebereich, wobei die (kostenfreie und in der Nähe verfügbare) Umweltwärme aus Erdreich, Grundwasser oder Luft genutzt wird, indem diese entzogen und mithilfe eines Kältekreislaufs auf ein höheres Temperaturniveau gebracht wird. Der Kältekreislauf führt ein Kältemittel, das durch die Wärme aus der Wärmequelle verdampft wird. In einem mit Strom angetriebenen Kompressor wird es dann verdichtet. Dadurch erhöht sich die Temperatur so weit, dass die Wärme über einen Wärmetauscher an das Heizsystem abgegeben wird. Das Kältemittel wird durch die Wärmeabgabe wieder flüssig, über ein Expansionsventil auf niedrigeren Druck entspannt und der Kreislauf beginnt von vorne. Das Funktionsprinzip ist ähnlich dem eines „umgekehrten Kühlschranks“.
Im Zuge der Energiewende wird diese Funktionsweise auf einen größeren Maßstab übertragen. Die „Großwärmepumpe“ (GWP) wird über ihre Leistung und das erreichbare Temperaturniveau definiert. Man spricht von einer Hochtemperaturwärmepumpe, wenn die Einbindetemperatur > 60 °C beträgt. Dabei ist vorrangig der Einsatz in Nah- oder Fernwärmenetzen zu betrachten, wobei der Einsatz von elektrisch angetriebenen Kompressionswärmepumpen favorisiert wird. Großwärmepumpen können auch hervorragend in bestehende Industrien zur Erzeugung von Prozesswärme oder als Energieeffizienzmaßnahmen eingesetzt werden.
Vor allem in Skandinavien gibt es bereits umgesetzte Projekte und jahrelange Erfahrungen. Zuletzt wurde die Großwärmepumpenanlage in Esbjerg unter deutscher Beteiligung der MAN errichtet, die Fernwärme für ca. 12.500 Häuser im Stadtgebiet liefern soll. Die Nutzung erneuerbarer, naheliegender Wärmequellen wie Luft, Wasser oder Geothermie sowie sonstigen Abwärmequellen wie Abwasser oder Abluft steht dabei im Vordergrund und wird im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung auch in Deutschland immer präsenter.
Wärmequellen für Großwärmepumpen
Wärmepumpen sind aus technischen Gründen auf eine vorhandene Wärmequelle angewiesen. Der wichtigste Faktor ist dabei das lokale Angebot an Wärmequellen, welche technisch nutzbar und wirtschaftlich erschlossen werden können. Dabei sind die Auswahlfaktoren eine möglichst hohe Verfügbarkeit und eine nahezu konstante Quelltemperatur. Je geringer die Differenz der Temperatur zwischen Quelle und Senke, dem Verbrauchsort der Wärme, desto effizienter der Betrieb. Je höher der Grad an Verfügbarkeit, desto belastbarer sind die Einsatzplanung und die Verfügbarkeit der Wärmepumpe. Die Wärmequelle sollte CO2-frei sein.
Folgende Wärmequellen könnten für Großwärmepumpen genutzt werden:
- Umgebungsluft (Einsatz als GWP in Fernwärme-Netzen (FW) nur bedingt oder als Grundlastdeckung geeignet, da der höchste COP in den Sommermonaten zu erwarten ist)
- Seen, Flüsse, Meere (für Übergangszeiten und bei in etwa gleichbleibenden Temperaturen können die GWP die hohe Verfügbarkeit fast ganzjährig ausnutzen, behördliches Abklären des Wiedereinleitens des abgekühlten Wassers notwendig, Quelltemperatur darf aus Effizienzgründen nicht zu niedrig sein)
- Grund- und Brunnenwasser (konstant verfügbar, grundsätzlich für GWP-Einsatz denkbar, Wasseraufbereitung notwendig, da Ablagerungen am Wärmeübertrager auftreten können)
- Abwasser (konstant verfügbar, Grundtemperatur vorhanden, grundsätzlich für GWP-Einsatz denkbar, Wasseraufbereitung notwendig, da Ablagerungen am Wärmeübertrager auftreten können)
- Oberflächennahe Geothermie (hohe Verfügbarkeit und konstante Entnahmetemperatur, jedoch Einsatz als GWP eher unwirtschaftlich, da für die Erschließung einer hohen Leistung viel Fläche mit Erdwärmekollektoren belegt werden muss)
- Tiefengeothermie (je nach regionaler Verfügbarkeit und mit konstanter Entnahmetemperatur in hohen Grad-Bereichen, Einsatz für GWP denkbar), weitere Infos zur Geothermie
- Industrielle Abwärme (fast jede Quelle ist nutzbar, aktive Rückkühlung als Energieeffizienzsteigerung denkbar, prozessabhängig und somit individuell zu betrachten, für GWP hervorragend geeignet, Verfügbarkeit abhängig vom Produktionsprozess und Unternehmen), weitere Infos zur Abwärmenutzung
- Industrielle Rauchgase/Abgase (Nutzung der sowieso vorhandenen Restwärme, Energieeffizienz-Steigerung, Einsatz für GWP vor allem in bestehenden Industrien denkbar, chemische Bestandteile sind zu berücksichtigen)
Anforderungen an Kältemittel
Wie bereits beschrieben, arbeiten die GWP mit dem Einsatz von Kältemitteln, deren Auswahl durch die Temperatur-Anforderungen der FW-Netze schon eingeschränkt ist. Bei der Entscheidung sind die Klimaschädlichkeit, die Umweltverträglichkeit (z. B. toxisch), die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen (Stichwort: Ex-Schutz) und die Betriebskosten zu berücksichtigen.
In Bezug auf die Klimaschädlichkeit sollten vor allem natürliche Kältemittel mit einem GWP (global warming potential) von 0 gewählt werden, da der Einsatz von synthetisch erzeugten Kältemitteln – sogenannten F-Gasen – mit einem GWP > 0 zukünftig noch mehr eingeschränkt wird. Eine mit diesen Kältemitteln betriebene GWP wäre damit nicht zukunftsfähig und im Zweifel nicht auf ein natürliches Kältemittel umrüstbar.
Betriebsweisen der Großwärmepumpen
Als Grundlastanlagen sind Großwärmepumpenanlagen grundsätzlich gut geeignet, da sie kontinuierlich Wärme bereitstellen können. Je nach Abnahme ist es vor allem im Sommer möglich, komplette Wärmebedarfe mit einer GWP-Anlage zu decken, zum Beispiel durch Unterstützung mit einem Wärmespeicher. Für die Übergangszeit kann es sinnvoll sein, die Wärmeerzeugung durch Wärmespeicher und Elektrodenheizkessel zu ergänzen. Je nach Wärmequelle ist es in den Wintermonaten notwendig, andere Erzeugungsanlagen hinzuzuziehen (z. B. Biomasse).
Worauf ist bei der Genehmigung zu achten?
Aus Sicht der Genehmigungsplanung kann noch erwähnt werden, dass eine GWP nicht zwingend nach BImSchG (Bundes-Immissionsschutzgesetz) beantragt werden muss. Sie bedarf aber in jedem Fall einer Baugenehmigung gemäß Landesbauordnung. Wenn die GWP allerdings in eine BImSch-Anlage integriert wird, muss aufgrund der „Verklammerungs-Regel“ eine Genehmigung beantragt werden. Bei Einbindung in ein bestehendes Fernwärmenetz ist dies vermutlich fast immer der Fall. Weiterhin ist je nach Auswahl der Wärmequelle eine Genehmigung für die Nutzung zu stellen (z. B. Wasserrecht bei Nutzung von Grundwasser).
Reallabor Wärmepumpe
In einem sogenannten Reallabor der Energiewende „Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen – Installation, Betrieb, Monitoring und Systemeinbindung“ werden in Deutschland erstmalig Großwärmepumpenanlagen in bestehende FW-Netze eingebunden. Die Projektlaufzeit ist für 2021 bis 2028 angesetzt.
An fünf Standorten werden bis 2026 mehrere GWP-Anlagen mit bestehenden Wärmenetzen verbunden. Daraus sollen technische Erkenntnisse gewonnen werden, um GWP im Markt etablieren und auch die bestehenden regulatorischen sowie wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hinterfragen zu können. Der Projektverbund besteht aus AGFW-Projekt GmbH, EnBW, Fraunhofer ISE, FHW Neukölln, MVV Energie, Stadtwerke Rosenheim, Vattenfall Wärme Berlin sowie dem IER der Uni Stuttgart. Die GWP-Projekte entstehen in Berlin, Stuttgart, Mannheim und Rosenheim an bestehenden Kraftwerksstandorten. Die Anlagen verfügen über thermische Leistungen von 1,2 MW bis 22 MW und nutzen unterschiedlichste Wärmequellen.
Unter anderem geht es darum, konkrete und praktische Erfahrungen zu sammeln und herauszufinden, ob und wie GWP in Deutschland wirtschaftlich(er) betrieben werden können. Aktuell sind die Projekte auf Förderungen angewiesen und die Fernwärme kann für den Endverbraucher noch nicht sozialverträglich günstig erzeugt werden.
Der Verlauf des Reallabors sieht vor, dass die beteiligten Versorger zunächst die GWP-Anlagen planen, errichten und in Betrieb nehmen. Danach wird der Betrieb mit den Projektpartnern über einen längeren Zeitraum beobachtet, ausgewertet, analysiert und optimiert.
Weitere Informationen zum Reallabor “Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen” bei der AGFW und beim Fraunhofer ISE.
Aktueller Großwärmepumpen-Markt
Nach dem Hochlauf der Hersteller-Industrie, die Wärmepumpenanlagen in dieser Leistungsgröße produzieren und auf dem Markt anbieten können, gehen nun auch weitere Energieerzeuger und Stadtwerke den Weg der dekarbonisierten Wärmeerzeugung. Dabei stehen die Optimierung von Erzeugungsprozessen, die effizientere Nutzung von Prozesswärme oder das Schaffen von neuen Nahwärmenetzen im Vordergrund.
Leider gibt es keine öffentliche Statistik über die im Jahr 2024 öffentlich ausgeschriebenen Großwärmepumpenprojekte in Deutschland, jedoch wurden bei der BAFA Fördergelder in Höhe von 1,4 Milliarden Euro im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) für rund 1.400 Anträge bewilligt. Unter anderem die Stadtwerke Flensburg, Duisburg, Riesa und Landshut haben Projekte zwischen 2 MW und 60 MW thermischer Leistung angekündigt.
Herausforderungen in der Planung
Da sich die Großwärmepumpenanlagen momentan noch im Hochlauf befinden, gibt es aktuell noch keine standardisierten Planungswege. Die Module müssen auf unterschiedliche Wärmequellen, unterschiedliche Kältemittel und unterschiedliche Leistungsdaten ausgelegt werden. Dies führt zu individuellen Überlegungen, die im Wesentlichen in bestehende Erzeugungsstrukturen eingebunden werden. Daher sollten der Betrieb und der Stromeinkauf früh in den Planungsprozess einbezogen werden.
Fazit
Großwärmepumpen haben das Potenzial, die Wärmeerzeugung zu dekarbonisieren, indem sie eine möglichst kostenlose Wärmequelle mit hoher Verfügbarkeit nutzen und daraus eine hohe Leistung mit möglichst hoher Temperatur erzeugen. Dabei ist zu beachten, dass der Wärmebedarf mit der Verfügbarkeit der Wärmequelle einhergeht und somit eine möglichst große Anzahl an Betriebsstunden sicherstellen kann.
Beim Einsatz von regenerativem Strom, z. B. aus Windkraft, kann die GWP klimafreundlich Wärme produzieren und so die fossil erzeugte Wärme in den Netzen ersetzen. Um die Nutzung noch effizienter zu machen, ist der Einsatz von Wärmespeichern zu empfehlen. Zur Abdeckung der Grundlast in kommunalen Wärmenetzen ist die GWP ein wesentlicher Baustein auf dem Weg in eine dekarbonisierte Zukunft.
Quellen
- Praxisleitfaden Großwärmepumpen AGFW, Stand März 2022
- Reallabor Großwärmepumpen – Reallabore der Energiewende, Fraunhofer ISE
- Neues Reallabor der Energiewende gestartet zur Integration von Großwärmepumpen in Fernwärmenetze, Energieforschung
Vielen Dank für deinen Beitrag zu Großwärmepumpen! Besonders hilfreich war die Erklärung der Wärmequellen und Kältemittel. Du kannst auch an Lastmanagement denken, damit du erneuerbaren Strom besser nutzt. Mit Monitoring und vorausschauender Wartung läuft die Anlage zuverlässiger. Eine klare Planungs-Checkliste und der Austausch mit anderen helfen, Hürden zu senken. Wärmespeicher und Power-to-Heat-Lösungen unterstützen das Netz. Denk auch an eine vollständige Lebenszyklus-Betrachtung, damit die Umweltbilanz stimmt. Binde Bewohner:innen früh ein, damit sie verstehen und mitmachen. Dein Text regt dazu an, Großwärmepumpen in kommunale Projekte einzubinden.
Interessanter Beitrag und ja, es werden immer mehr Kommunen, die eine Großwärmepumpe planen. Am Rhein sind die Standorte natürlich besonders attraktiv. Düsseldorf scheint hier jetzt auch mitzuziehen.
Vielen Dank für den spannenden Beitrag! Ich finde es beeindruckend, wie vielseitig die Einsatzmöglichkeiten von Großwärmepumpen sind und wie viel Potenzial gerade in der Nutzung industrieller Abwärme steckt. Besonders interessant fand ich auch die Infos zum Reallabor und den aktuellen Projekten in Deutschland. Hoffentlich kommen wir bald an den Punkt, an dem solche Anlagen auch ohne hohe Förderquoten wirtschaftlich betrieben werden können. Gibt es eigentlich schon Erfahrungen, wie sich Großwärmepumpen in Bestandsnetzen mit sehr hohen Vorlauftemperaturen schlagen?
Danke für die gute Zusammenfassung.
Wenn am Anfang erläutert wird, daß GWP der Umwelt Wärme entziehen, was die Umgebung der GWP abkühlen wird. So lese ich im Abschnitt „Seen, Flüsse, Meere“ eine nicht präzise formulierte Ungereimtheit in „Wiedereinleitens des aufgewärmten Wassers notwendig“ und frage mich, ob dahinter angenommen wurde, daß im Gesamtkonzept von Wärmenetzen mit Wärmepumpen auch das Angebot der Gebäudekühlung enthalten sein kann. In diesem Fall würde es Sinn machen, daß an der Schnittstelle Wärmenetz/Umwelt, wo die GWP ihr Werk verrichtet, nicht nur Wärme entzogen, sondern auch abgegeben werden kann.
Hallo Herr Birett, danke für Ihre Kommentierung und den Hinweis. Dort ist mir leider ein Fehler beim Schreiben unterlaufen. Natürlich wird das Wasser bei der Nutzung abgekühlt, bevor es wieder eingeleitet wird. Redaktionell wurde es jetzt geändert und der Text müsste jetzt passen. Der Ansatz, dass man GWP natürlich auch als Gebäudekühlung nutzen kann ist dennoch nicht zu vernachlässigen, war in dem Fall aber nicht berücksichtigt. Viele Grüße, Nele Otto
Danke für die gute Zusammenfassung.
Wenn am Anfang erläutert wird, daß GWP der Umwelt Wärme entziehen, was die Umgebung der GWP abkühlen wird. So lese ich im Abschnitt „Seen, Flüsse, Meere“ eine nicht präzise formulierte Ungereimtheit in „Wiedereinleitens des aufgewärmten Wassers notwendig“ und frage mich, ob dahinter angenommen wurde, daß im Gesamtkonzept von Wärmenetzen mit Wärmepumpen auch das Angebot der Gebäudekühlung enthalten sein kann. In diesem Fall würde es Sinn machen, daß an der Schnittstelle Wärmenetz/Umwelt, wo die GWP ihr Werk verrichtet, nicht nur Wärme entzogen, sondern auch abgegeben werden kann.