Klimaschutz und Konsumverzicht
Ein Gastbeitrag von Dr. Thomas Unnerstall
Die deutsche Gesellschaft diskutiert so intensiv wie nie zuvor über den Klimaschutz und über die richtigen Wege, damit Deutschlands einen angemessenen Beitrag zur Bekämpfung des globalen Klimawandels leistet. Eine große und sogar zunehmende Rolle in dieser Debatte spielen die Meinungen, das Grundübel bzgl. der CO2-Emissionen seien unsere gegenwärtigen Konsummuster:
- Individualverkehr per Auto,
- viel Fleischverzehr,
- häufigere Reisen in ferne Länder per Flugzeug,
- Energieverschwendung,
- Plastikverpackungen,
- hoher Ressourcenverbrauch usw..
Oder, weitergehend, das Grundproblem liege in unserem jetzigen, auf Wachstum und Gewinn ausgerichteten Wirtschaftssystem. Folglich werden Konsumverzicht, negatives Wachstum („Degrowth“) oder gar ein kompletter Systemwechsel als die richtigen Lösungsstrategien propagiert, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten.
Nun gibt es sicherlich gute Gründe, unsere Lebens- und Konsumweisen und auch das gegenwärtige System der Marktwirtschaft – inkl. des Wachstumsbegriffs – weiterzuentwickeln. Einen solchen Weg als primäre oder gar einzige Lösungsstrategie für das Klimaproblem anzusehen, beruht jedoch (jedenfalls implizit) auf zwei falschen Hypothesen.
Inhalt
Zwei falsche Hypothesen
Die erste falsche Hypothese lautet: Konsumverzicht/Wachstumsverzicht reicht aus, um die Klimaziele Deutschland zu erreichen. Dies trifft nicht zu. Selbst wenn schlagartig alle Deutschen…
… ab sofort auf ein Drittel aller Autofahrten verzichten
… ihren Fleischkonsum um 50% reduzieren
… alle Einsparmöglichkeiten bzgl. Strom- und Wärmeverbrauch ausschöpfen
… und auf die Hälfte aller Urlaubsflüge verzichten,
vermeiden wir nur ca. 100 Mio.t CO2. Das ist nicht einmal ansatzweise genug, um auch nur das 2030-Klimaziel zu erreichen (dieses Ziel bedeutet, die CO2-Emissionen gegenüber heute um 300 Mio.t zu senken).
Die zweite falsche Hypothese lautet: Konsumverzicht und eine „Post-Wachstumsökonomie“ reichen vielleicht nicht aus, aber ohne sie sind die Klimaziele nicht zu erreichen. Auch dies trifft nicht zu. Alle diesbezüglichen Studien der letzten Jahre (v.a. „Klimapfade für Deutschland“ des BDI, „Integrierte Energiewende“ der DENA, u.a.1) haben klar gezeigt, dass auch bei gegenwärtigen Konsummustern, Verkehrsstrukturen und bei fortgesetztem Wirtschaftswachstum die Klimaziele erreichbar sind. Im Kern bedarf es dafür zum einen eines zügigen Technologiewechsels – vor allem bei Heizungen, Autos/LKWs, Kraftwerken zur Stromproduktion und in der Stahlindustrie. Zum anderen ist ein Brennstoffwechsel erforderlich – von Erdöl und Erdgas hin zu (CO2-frei hergestellten) Wasserstoff und synthetischem Methan/Benzin/Kerosin.
Für beide Elemente der Energietransformation brauchen wir wirtschaftliche Dynamik, Investitionen, Unternehmertum – und es ist überhaupt nicht einsichtig, dass hier für ein grundsätzlich neues Wirtschaftssystem erforderlich sein sollte.
Die internationale Perspektive
Es gibt aber auch noch einen ganz anderen Grund, warum die Strategien von Konsumverzicht und „Degrowth“ fehl am Platz sind: Sie berücksichtigen nicht die internationale Perspektive. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass den Industrieländern und damit auch Deutschland eine besondere Verantwortung bei der Bekämpfung des Klimawandels zukommt.
Um ihr gerecht zu werden, reicht es nicht aus, nur in Deutschland Klimaneutralität bis (spätestens) 2050 zu erreichen; Deutschland muss auch andere Länder dabei unterstützen, ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Moralische Appelle bzgl. Konsumverzicht und Belehrungen bzgl. der zukünftigen Entwicklung des Wirtschaftssystems sind dafür denkbar ungeeignet und deplatziert. Vielmehr geht es um finanzielle Unterstützung, um Technologietransfer und um Erfahrungsweitergabe bzgl. der Effektivität politischer Maßnahmen.
Marktwirtschaft und fossile Energieträger
Noch einmal anders formuliert: Im Grunde ist das Problem ziemlich einfach. Nicht Konsumniveau oder Wirtschaftssystem – ob bei uns oder weltweit – sind das Problem, sondern in erster Linie die Tatsache, dass wir fossile Energieträger nutzen, die bei der Verbrennung CO2-Emissionen verursachen. Diese beiden Dinge – Konsum/Wirtschaftssystem und fossile Energieträger – haben sich zwar, historisch gesehen, in den letzten 150 Jahren gegenseitig befeuert; sie haben aber, systematisch betrachtet, gar nichts miteinander zu tun.
Wenn in 2050 der Strom von erneuerbaren Energien (inkl. Speichern und Reservekraftwerken) aus der Steckdose kommt, wenn wir E-Autos fahren (ob mit Batterie oder mit Brennstoffzellen), wenn wir in besser gedämmten Häusern wohnen, wenn wir statt Öl und Gas Wasserstoff und synthetische Brennstoffe importieren – dann können wir genauso konsumieren und wirtschaften wie jetzt. Aber völlig CO2-frei. Und das ist nicht einmal sehr viel teurer, auf längere Sicht voraussichtlich sogar billiger.
Eigendynamik oder Klimapolitik?
Sehr wahrscheinlich werden sich diese Technologien auf die Dauer ohnehin durchsetzen – von allein, ohne politische Intervention –, einfach weil sie den bisherigen Technologien überlegen sind. PV/Wind sind fast überall verfügbar, im Überfluss vorhanden, in vielen Regionen der Welt schon jetzt billiger als die fossile Konkurrenz; E-Autos haben eine bessere Beschleunigung/Straßenlage, sind wartungsärmer, leiser und verursachen keinen Smog in den Städten; Wärmepumpen stellen bzgl. der Energieeffizienz die herkömmlichen Heizungen weit in den Schatten; usw..
Die Signale mehren sich, dass genau das weltweit mit wachsender Geschwindigkeit passiert: Man schaue zum Beispiel nach Indien, oder auch nach Brandenburg, wo bald der erste Solarpark ohne EEG-Förderung entstehen wird.
Vielleicht reicht diese rein technologisch-wirtschaftliche Dynamik sogar aus, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Das Problem ist nur: Dieses „vielleicht“ reicht angesichts der schwerwiegenden Folgen des Klimawandels nicht aus. Deswegen brauchen wir jetzt gute, konsequente Klimapolitik, um den Technologie- und Brennstoffwechsel zu forcieren. Und deswegen brauchen wir die gesellschaftliche Diskussion, Fridays-for-Future und allgemein den „Druck von unten“: Damit eine solche Politik endlich, endlich Wirklichkeit wird.
Der Gastautor Dr. Thomas Unnerstall
Dr. Thomas Unnerstall war viele Jahre Geschäftsführer/Vorstand in der Energiewirtschaft; seit 2016 ist er selbständiger Autor und Berater. Sein letztes Buch, „Energiewende verstehen“ (Springer, Okt. 2018), hat breite Resonanz gefunden und wurde u.a. auch bei energynet rezensiert.
Wir finden, das ist eine großartige Idee, das eigene Leben mit möglichst wenig Konsum zu verbringen. Wir versuchen in unserer Familie, auch mehr und mehr diesen Minimalismus und die Nachhaltigkeit in der Haushaltsführung und Lebensgestaltung umzusetzen. Zu Beginn ist das gar nicht so einfach. Die ersten Herausforderungen bestehen darin, zu unterscheiden, was man wirklich braucht und auf was man verzichten kann. Sich von liebgewonnenen Dingen und Gewohnheiten zu trennen war bei uns ein längerer Prozess. Aber letztendlich war das nötig, um auf das Wesentliche zu kommen.
Wir stellen unseren Einkauf um, damit wir möglichst wenig Verpackungsmaterial wegschmeißen mussten. Das allein brachte uns bis heute mehr kreative Lebenszeit ein. Denn die Müllentsorgung ist ein großer Zeitaufwand. Zum Glück gibt es jetzt auch in unserer Umgebung einen Laden, der viele Lebensmittel lose verkauft. Wir hoffen, dass möglichst viele Menschen diese Art des Einkaufs annehmen.
Viele Menschen in unserer Umgebung finden es ganz toll, was wir machen. Allerdings schaffen es die wenigsten, die eigenen Einkaufs- oder Lebensgewohnheiten dauerhaft umzustellen. Es braucht schon etwas Durchhaltevermögen und den Willen zur echten Veränderung. Auf alle Fälle haben wir nicht das Gefühl, dass uns etwas abgeht. Es ist für uns immer wieder eine sportliche Herausforderung, mit so wenig wie möglich auszukommen.
Vor einigen Jahren gab es den Slogan „Simplify your life“. Das geht schon in die richtige Richtung. Es lebt sich einfach unbeschwerter, wenn man nicht so viele Dinge in der Wohnung oder im Keller ansammelt. Seltsamerweise hat das wirklich eine Auswirkung auf das eigene Lebensgefühl. Es fühlt sich viel leichter an, weniger zu besitzen und weniger in der Wohnung herumstehen zu haben.
Es bleibt mehr Zeit – wie Ihr richtig betont – herauszufinden, was wirklich wichtig im Leben ist. Der Konsum an sich kann keinen Lebenssinn ergeben. Der Faktor Zeit steht bei uns im Mittelpunkt. Es macht Freude, als Familie viel Zeit miteinander zu verbringen.
Sehr guter Beitrag, gerne mehr davon!
Da muss man keine Ökonomie studiert haben, um einschätzen zu können wie viel „jeder“ Erdenbürger, eben mehr oder weniger, zum Umweltfrevel (nicht nur zum Emissionsausstoß) beiträgt! Und es werden ja nicht weniger, zudem der Wohlstand (inclusive Konsum) wächst genauso (durchschnittlich) unaufhörlich. Also, nicht wieder alles nur auf unser kleines Land produzieren! Konsumverzicht bedeutet gerade bei uns auch „Gefährdung“ von Arbeitsplätzen und Ausfall von Steuereinnahmen! Erst gestern las ich einen Artikel von einem Ökonom der davor gewarnt hatte wirtschaftliches Wachstum zu „stark“ zu bremsen, vor allem wenn dann nicht alle Länder der Erden mitziehen. Fehlen die Gewinne, gehen Firmen Pleite, schon bei einer Stagnation ist dies möglich, da andere Firmen das Schwächeln der Konkurrenz sofort ausnutzen werden, wodurch ergo gar nichts für die Umwelt gewonnen wäre! Auch „keine“ neue Erkenntnis, sondern logische Schlussfolgerung.