Smart-City Hyllie mit dem Ziel 100% erneuerbaren Energien bis 2020
Im neuen Stadtteil Smart-City Hyllie in Malmö (Schweden) läuft eines der ehrgeizigsten Projekte der Energiewende, die Versorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2020. Aus diesen Erfahrungen soll die ganze Stadt Malmö bis 2030 mit erneuerbaren Energien versorgt werden. Dabei ist – auch nach Meinung von E.ON-Vorstand Leonard Birnbaum, der uns zur Bloggertour in Hyllie begrüßte – nicht nur das Tempo ehrgeiziger als in Deutschland, auch der Weg dorthin ist ganz anders. Während wir in Deutschland erst einmal die erneuerbare Stromerzeugung ausbauen, gehen die Schweden einen pragmatischen Weg mit den größten Fortschritten in der Wärmeversorgung. Erst danach kommen Solar- und Windenergie oder Biogas für die Busse. Dieser Weg scheint zum Ziel zu führen, wie mir auf einer eintägigen Reise Anfang Juli gezeigt wurde. Mit dieser Tour wollte der Projektpartner E.ON deutschen Blogger zeigen, dass Energiewende auch anders gehen kann.
Inhalt
Über das Projekt Smart-City Hyllie
Mit dem Abschluss eines Klimavertrages der Stadt Malmö mit dem örtlichen Verteilnetzbetreiber E.ON und Va Syd, vergleichbar mit unseren Stadtwerken, begannen in 2011 die Arbeit für dieses ehrgeizige Projekt. Das Ziel lautet den Stadtteil Hyllie, mit 9.000 geplanten Wohnungen und Arbeitsplätzen, komplett mit erneuerbaren oder recycelten Energien zu versorgen bis zum Jahr 2020. Dieser Stadtteil ist komplett neu, das heißt dieses Ziel muss von Anfang an in die Planungen einbezogen werden. Und es muss auch nichts umgebaut werden, was schon besteht.
Von Anfang an wird die Digitalisierung genutzt für eine intelligente Steuerung der Energieversorgung. Daher kommt auch die Bezeichnung als Smart-City. In der Stromversorgung sind Smart-Meter bereits Standard in Schweden. Es gibt auch Stromtarife mit zeitlich unterschiedlichen Preisen. Und auch im Wärmesektor ist eine intelligente Vernetzung vorgesehen, in Abhängigkeit vom Wärmebedarf der Bewohner und des aktuellen Angebotes.
Zum Thema Smart-City hatte ich vor einem Jahr einen guten Gastbeitrag, der erklärt was darunter zu verstehen ist.
Smarte Fernwärme in Hyllie
Die größten Fortschritte sind in Hyllie bei der Wärmeversorgung zu erkennen. Es zeigt sich wieder mal, dass mit Fernwärme eine erneuerbare Wärmeversorgung einfacher zu erreichen ist, als mit politischen Vorgaben für die Hausbesitzer. Die überwiegende Wärmeversorgung erfolgt daher über die Fernwärme. Gespeist wird diese aus der Abfallverbrennung und aus Abwärme von Industrie-Unternehmen. Als Ergänzung haben einige Häuser Solarthermie, die vor allem für das Warmwasser genutzt wird. Über den Wärmebedarf der Häuser habe ich nichts erfahren, er kann aber nicht sehr hoch sein. In Wohnungen, die wir angeschaut haben, war er so gering, dass sich eine Abrechnung nicht mehr lohnt.
Smart wird die Fernwärme zum einen dadurch, dass Überschüsse in den Gebäuden gespeichert werden – wobei die Bewohner die Speicherung aber nicht spüren sollen. In einigen Gebäuden wird auch überschüssige Wärme aus Solarthermie an das Netz verkauft. Hinzu kommt, neben der ausgeklügelten Steuerung der Wärmeversorgung einzelner Gebäude, noch die Möglichkeit für Bewohner die Heizung per App zu regeln.
Stromerzeugung für Hyllie
Während sich in Deutschland alles auf erneuerbaren Strom fokussiert, scheint es in Hyllie noch zu den großen Herausforderungen zu gehören. Immerhin gibt es hier bereits eine große Multifunktions-Halle, z.B. für Eishockey und Konzerte, und ein riesiges Einkaufszentrum. Beide haben einen riesigen Strombedarf. Das Einkaufszentrum Emporio benötigt alleine 20 GWh Energie insgesamt im Jahr. Wo kommt der Strom dafür her?
Auf der Bahnfahrt über die Öresund-Brücke sieht man einen Offshore-Windpark. Während die Windenergie in Dänemark sehr weit entwickelt ist, hat Schweden hier noch Nachholbedarf. Photovoltaik ist auf den Dächern noch wenig zu sehen, es gibt aber viele dezentrale Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung, in denen Wärme und Strom gleichzeitig erzeugt wird. Woher der Strom für 100% erneuerbare Energien herkommen soll, ist nicht gleich zu sehen, aber sicherlich ein herausforderndes Ziel. Immerhin kommen 57 Prozent des Stroms in Schweden heute schon aus Erneuerbaren, wobei aber die Wasserkraft die größte Rolle spielt.
Bei allen Projekten in Hyllie wird ein integrierter Ansatz verfolgt. Jedes Projekt hat einen eigenen Ansatz, nach den Plänen und Vorstellungen des Projektentwicklers. Auch wenn ein großes Ziel erreicht werden soll, feste Vorgaben scheint es für die Bauten nicht zu geben. Allerdings ist klar, dass alle ihren Beitrag dazu leisten müssen. Vielleicht ist es damit auch schwierig sich die Bereiche einzeln vorzunehmen.
Das Mobilitätskonzept
Der integrierte Ansatz für die Smart-City Hyllie ist besonders gut sichtbar in der Mobilität. Der Stadtteil hat einen eigenen Bahnhof mit direkter Anbindung nach Kopenhagen und zur Innenstadt von Malmö oder anderen Städten im schwedischen Fernverkehr. Das Radwegenetz ist sehr gut ausgebaut. Als Ergänzung befindet sich im zentralen Parkhaus am Bahnhof eine Fahrradgarage mit Duschen. Die Innenstadt von Malmö ist zusätzlich angebunden mit Bussen, die mit Biogas betrieben werden.
Die Elektromobilität scheint hingegen eher noch am Anfang zu stehen. Die Ladestationen an den sogenannten Solargiraffen sehen nicht wirklich nach Hightech aus, auch wenn sie das Laden von Elektrofahrzeugen mit Solarstrom ermöglichen. Weitere Ladestationen sollen erst noch kommen. Zusätzlich haben die Bewohner von Hyllie Zugriff auf einen Fuhrpark von Elektrofahrzeugen, die sie bei Bedarf ausleihen können.
Intelligente Netze in Hyllie
Zur optimalen Nutzung der Energie gehört auch eine smarte Vernetzung von Netz, Erzeugung und Verbraucher. Smart-Meter und zeitvariable Tarife hatte ich bereits erwähnt. Aber zu intelligenten Netzen in der Smart-City Hyllie gehört noch mehr.
Sowohl in der Wärme- als auch in der Stromversorgung sind die Wohnungen, und mit ihnen der Bedarf, an ein smartes Netz angeschlossen. Damit wird die Versorgung mit erneuerbaren Energien optimiert und intelligent gesteuert anhand der Verbrauchsdaten. Im Keller eines Hauses hatten wir die Gelegenheit uns die Übergabestation der Fernwärme mit der smarten Steuerung anzusehen, bzw. erklären zu lassen.
In einer Tiefgarage konnten wir noch einen Blick in eine moderne Umspannstation werfen. Die anfallenden Daten werden in Echtzeit überwacht, per Mobilfunk übertragen und sind durch Automatisierung auswertbar. E.ON plant auf allen Spannungsebenen Smartmeter zu installieren, um das Netz besser überwachen und steuern zu können.
Beteiligung der Bürger für die Smart-City Hyllie
Aktive und mündige Verbraucher sollen ein Standbein des Konzeptes sein. Sie erhalten mehr Möglichkeiten ihren Energieverbrauch auf aktuelle Preise und den Bedarf einzustellen. Ihren Energieverbrauch haben sie immer über den Webbrowser oder einer App im Blick. Ob das ausreicht um alle Bürger auf diesen Weg mitzunehmen? Das Nutzungsverhalten spielt eine wesentliche Rolle für den Energieverbrauch, aber interessieren sich die Menschen im Alltag für den Energieverbrauch?
Eine weitergehende Einbeziehung der Bürger ist geplant. Nur wie sie einbezogen werden sollen ist noch offen. Die Menschen in Malmö stehen mittlerweile hinter dem Projekt. Anfangs waren sie noch skeptisch, da alle Anstrengungen sich auf einen neuen Stadtteil beziehen.
Meine persönliche Sicht auf das ehrgeizige Projekt von Hyllie
Sechs Jahre nach Abschluss des Klimavertrages sind in allen Bereichen bereits deutliche Fortschritte zu sehen. Das Ziel ist heute aber noch immer weit entfernt, drei Jahre vor dem Ende des Projektes. Ich sehe noch viel Möglichkeiten in der erneuerbaren Stromversorgung, die Verantwortlichen sprechen von einem großen Nachholbedarf in der Elektromobilität. Dieser stellt sich gleichzeitig als die größte Herausforderung dar. Sie ist, wie viele andere Themen in der Smart-City Hyllie, abhängig von politischen Entscheidungen und benötigt große Anreize für Bürger und Unternehmen.
Mir gefällt der pragmatische und integrierte Ansatz das Ziel der 100% erneuerbaren Energien mit vorhandenen modernen Mitteln zu erreichen. Es wird dort scheinbar nicht gewartet, bis sich die Politik bewegt, sondern man sucht selbst nach Lösungen und überlässt es einzelnen Projekten sich in das Gesamtprojekt einzusortieren. So kann dieser Stadtteil zu einem Testfeld für viele neue Technologien werden. Das klingt sehr spannend und ich bin neugierig wie es sich weiter entwickelt.
Zum Vergleich der Bericht auf technewable.com von Katja Reissiwg: „Building up a green, sustainable and smart City“ – Hyllie als globales Rollenmodel – Teil 1
Aus Deutschland berichtete E.ON von dem Werksviertel München, dort wird an einem „Smart City“ gearbeitet. In Berlin gib es ebenfalls Gespräche für verschiedene Projekte im Bereich „Smart City. Die Erfahrungen aus Hyllie sind dabei ein wichtiges Vorbild und die erzielten Learnings können weiter genutzt werden.
Ich schwanke aber auch zu einer kritischeren Betrachtung, wie man schon aus dem Text rauslesen kann. In der Stromversorgung kann ich den Fortschritt nicht wirklich abschätzen und in der Elektromobilität ist noch viel zu tun. Die low-hanging-fruits sind alle gepflückt, jetzt müssen die dickeren Bretter gebohrt werden. Wie ich es dort schon in der Abschlussrunde sagte, würde ich mir gerne in die Fortschritte in zwei oder drei Jahren wieder ansehen.
Wow! Das klingt sehr interessant. Wie gerne würde ich in einer autofreien Stadt leben. Werden Sie auch in Zukunft Beiträge schreiben?
Super ! Ich habe über Smart-House zu viel gelesen aber noch nie über Smart-City
gibt es mehr zu dem Projekt Smart-City?
Grüße, Anna
Ja, bitte teilen Sie mit
Es ist einfach schön zu sehen, dass endlich Bewegung in das Thema kommt! 🙂