Ich zahle nicht einmal 1.000 Euro für Strom
Ich muss gestehen, den Unmut über steigende Strompreise durch die Energiewende kann ich gut nachvollziehen. Aber was ich absolut nicht nachvollziehen kann, sind falsche Behauptungen über erneuerbare Energien und schnell kopierte Textbeiträge. Das bringt die Debatte kein Stück weiter.
Der Anlass meiner aktuellen Erregung darüber ist wieder ein Medienbeitrag, der mir vorhin bei Twitter untergekommen ist. Der Journalist und Chefredakteur der Wirtschaftswoche Roland Tichy möchte in seinem Blogbeitrag die Gesetze der Physik erklären und, dass diese endlich wieder einmal über grüne Romantik gestellt werden. Inhaltlich ist der Text eigentlich nichts neues und ich habe, zugegeben, auch nicht alles gelesen. Darauf möchte ich auch nicht weiter eingehen.
Nur die Rückbesinnung auf Gesetze der Physik statt grüner Romantik rettet die #Energiewende, schreibt @RolandTichy: http://t.co/Vz0HXAiHQg
— WirtschaftsWoche (@wiwo) February 1, 2014
Aber, wer die Physik erklären möchte, der sollte auch die Mathematik verstehen. Physik geht einfach nicht ohne Mathematik.
Was ist mir konkret aufgestoßen? Nun, er schreibt, dass ein Vier-Personen-Haushalt etwa 1.000 Euro mehr im Jahr bezahlen muss durch die Energiewende. Weiter habe ich dann gar nicht mehr gelesen. Moment, dachte ich mir, ich bezahle gar keine 1.000 Euro für den Strom, bekomme ich dann etwas raus? Und wenn ja, von wem?
Der durchschnittliche Vier-Personen-Haushalt verbraucht 5.000 kWh im Jahr, habe ich bei Wikipedia gefunden (bezogen auf 2006). Den Strompreis habe ich ebenfalls bei Wikipedia gefunden und mit 28 ct/kWh angenommen. Damit ergeben sich Stromkosten von 1.400 Euro im Jahr. Nach der Rechnung von Herrn Tichy hat diese Familie vor der Energiewende also lediglich 400 Euro Stromkosten gehabt, da muss man doch die Erregung über den Kostenanstieg verstehen.
Wie kommt er aber auf diese Zahl, ich kann mich nicht mehr an Zeiten erinnern als der Strompreis 8 Cent/kWh betrug. Seit ich den Strom selbst bezahle, ist der Preis mindestens doppelt so hoch.
Mein eigener Stromverbrauch im Vier-Personen-Haushalt liegt unter 3.000 kWh im Jahr und ich zahle deutlich weniger als 1.000 Euro. Würde ich dann noch was rausbekommen oder schickt mir jemand noch eine Rechnung über den fehlenden Betrag?
Falsch abgeschrieben!
Wer von anderen abschreibt, der sollte wenigstens richtig abschreiben, das lernt man doch schon in der Schule. Die Lösung findet man in einem Beitrag der FAZ vom 09.01.2014, dort wurde vorgerechnet, dass jeder Bundesbürger im Jahr 2013 ganze 240 Euro EEG-Umlage gezahlt hat. Bei einer vierköpfigen Familie kommt man also auf die besagten 1.000 Euro. Den Satz „Eine vierköpfige Familie hat sich 2013 zwangsweise mit 1.000 Euro am Ausbau der regenerativen Energien beteiligt“ findet man in dem Beitrag der FAZ allerdings nicht mehr, da hat man wohl mittlerweile das Problem eingesehen.
Im Blog des BHKW-Infozentrums ist dieser Satz jedoch dokumentiert und bereits die gleiche Rechnung aufgestellt worden, wie hier oben.
So konnte Herr Tichy aber schön wieder mal auf den Putz hauen und seine Argumentation verstärken. Seiner inhaltlichen Argumentation hilft das nicht weiter, da wird er wohl auch Phrasen abgeschrieben habe. Von wegen Physik und so.
Update:
Per Twitter wurde ich noch von WDR-Energieexperten Jürgen Döschner auf eine gute Aufstellung des IWR hingewiesen, warum noch mehr falsch ist an dieser Rechnung. Da sollten die Haushalte auch noch die komplette EEG-Umlage der Industrie bezahlen. Na dann wird es richtig teuer und unglaubwürdig.
Update II:
Versteckt in Facebook gibt es mittlerweile eine Klarstellung der Berechnung von Herrn Tichy, dieses mal bleibt es sachlich.
Bravo!
ich habe das auch immer wieder gesehen und als Unsinn nicht weiter verfolgt. Da siegte leider der Phlegmatismus. Danke für die Recherche 🙂
Es wurde einfach angenommen dass alle EEG Umlagekosten die nicht von den Privathaushalten getragen werden auf die Produktpreise draufgeschlagen werden und sie doch beim Bürger ankommen.
Sehr vereinfachende Sichtweise die kaum die Realität der Exportnation (immerhin platz 3 nach den Riesen China und USA) wiederspiegelt.
Boah, bei dem Verbrauch bin ich neidisch. Ich dachte, mit 2.800 kWh im Jahr mit 4 Personen bin ich schon gut im Verbrauch (Reihenhaus). Dahin werde ich nicht so schnell kommen, es wird schwer den Verbrauch noch weiter runter zu bringen.
Also die 400€ Stromkosten im Jahr kann ich in etwa bestätigen. Wir liegen mit unserer Stromrechnung jedes Jahr nur ein bißchen drüber. Wir sind ein 4 Personenhaushalt, Verbrauch rd. 1.200 kWh/a.
Ich kann mich immer nur wundern, über welche Jahresverbäuche und entsprechende Kosten diskutiert wird. Konsequentes Stromsparen bringt eine ganze Menge. Und nein, wir leben nicht in einer Höhle und Kerzenlicht mag ich auch nicht besonders. Wir sehen (viel) fern, kochen täglich mit Strom, haben eine Wasch- und Spülmaschine und arbeiten teilweise von zu Hause aus.