Deutsche Energiewende könnte Modell für Europa sein, braucht aber mehr Erdgas
Die Vertreter aus Energiewirtschaft, Wissenschaft und Verbänden haben ihre energiepolitischen Einschätzungen angegeben: Wohin entwickelt sich das Energiesystem? Wie wird die deutsche Energiewende im europäischen Ausland gesehen? Welche Bedeutung sollte Erdgas im Energiemix der Zukunft haben? Welche Länder kommen als verlässliche Energielieferanten für die EU in Frage? Die Ergebnisse zu diesen und weiteren Fragen wurden gestern bei einem Presselunch in Berlin präsentiert.
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Energiewende ist ein Modell für Europa
Deutschlands Energiekonzept wird von den befragten Experten nicht nur mit großem Interesse verfolgt, das Projekt erfährt auch eine recht hohe Zustimmung: 84 Prozent halten die Energiewende länderübergreifend für sinnvoll. Dementsprechend betrachten auch drei Viertel der europäischen Experten (76 Prozent) Deutschlands energiepolitischen Weg als mögliche Vorlage für ein europäisches Energiesystem. Auffallend ist jedoch, dass die deutschen Experten in dieser Frage am skeptischsten sind: Während sich in Österreich 81 Prozent der Fachleute dafür aussprechen, die Ziele der Energiewende hinsichtlich erneuerbarer Energien und Kernkraft auf EU-Ebene zu übertragen, sind es in Deutschland nur 67 Prozent.
Für Gerhard König, Sprecher der WINGAS-Geschäftsführung, erklärt sich diese Zurückhaltung mit konkreten Erfahrungswerten: „Wir in Deutschland durchleben mit der Energiewende gerade ein Experiment, das nicht problem- und reibungslos abläuft. Insbesondere die Energiepreise, die soziale Gerechtigkeit, aber auch die Versorgungssicherheit sind Themen, die die Menschen in Deutschland direkt betreffen und beschäftigen.“ So befürchten 41 Prozent der deutschen Fachleute, dass die Energiewende einen negativen Einfluss auf die Versorgungssicherheit haben wird.
Jetzt kommen wir zu der Stelle, an der die übliche Kritik am EEG und an erneuerbare Energien im allgemeinen einsetzt. Eine Überarbeitung des EEG halte ich auch für notwendig und hatte Vorschläge auch schon von den Unterstützern eingefordert. Bei einem Anteil am Strommix von über 25% kann das EEG nicht mehr genauso aussehen, wie bei 5%. Jetzt kommt es nicht nur auf ein quantitatives Wachstum an, sondern auch auf Qualität, das heißt für mich ein Beitrag der erneuerbaren Energien zur Netzstabilität, Versorgungssicherheit durch Speicherung und Kostenbewusstsein in der CO2-Reduktion.
An dieser Stelle geht mir aber die Hutschnur hoch, wenn man die Kostensteigerung allein den erneuerbaren Energien in die Schuhe schiebt. Dann spricht man heute noch von einer Verzinsung von über 10 Prozent bei Photovoltaik-Anlagen. Da ist manche Veränderung aus dem letzten Jahr wohl noch nicht angekommen.
Europäische Regierungen erhalten schlechte Noten für ihre Energiepolitik
Für die konkrete Umsetzung der jeweiligen nationalen Energiepolitik bekommen die Regierungen von den Experten durchgängig negative Bewertungen: So schätzen nicht nur 71 Prozent der deutschen Befragten die aktuelle Energiepolitik der Bundesregierung als eher schlecht bzw. sehr schlecht ein. Derselben Meinung sind auch rund zwei Drittel der befragten Fachleute in Österreich (66 Prozent), den Niederlanden (73 Prozent) und Belgien (60 Prozent) mit Blick auf die jeweilige heimische Energiepolitik.
Weitgehende Einigkeit unter den Experten belegt die Umfrage auch bei der Frage, welcher konventionelle Energieträger hinsichtlich Umweltverträglichkeit, Klimaschutz und Versorgungssicherheit die beste Ergänzung zu den erneuerbaren Energien darstellt: Mit länderübergreifend durchschnittlich 52 Prozent Zustimmung konnte sich Erdgas deutlich gegenüber den anderen Energieträgern durchsetzen; Kohle wurde beispielsweise nur von fünf Prozent genannt. In Deutschland liegt das Votum für Erdgas gar bei 84 Prozent.
Anteil von Erdgas am Energiemix wird steigen
Entsprechend positiv sind nach Einschätzung der Experten auch die künftigen Aussichten von Erdgas. Eine deutliche Mehrheit geht sowohl in Deutschland (74 Prozent) als auch in Österreich (65 Prozent) und Belgien (61 Prozent) davon aus, dass der Anteil von Erdgas am Energiemix des jeweiligen Landes in den nächsten fünf Jahren steigen wird. Und auch die längerfristigen Prognosen sind nach Ansicht der Experten vergleichsweise gut: Mindestens zwei Drittel erwarten in Deutschland (66 Prozent), in Österreich (78 Prozent) oder Belgien (69 Prozent) einen steigenden oder gleichbleibenden Erdgasanteil. Nur die Niederländer sind hier etwas skeptischer. Die dortigen Experten gehen gerade mit Blick auf die kommenden 20 Jahren mehrheitlich (58 Prozent) von einer sinkenden Bedeutung von Erdgas aus. Allerdings sind noch mehr Fachleute in den Niederlanden der Ansicht, dass der Anteil von beispielsweise Kohle (76 Prozent) und Kernenergie (63 Prozent) abnimmt.
WINGAS-Geschäftsführer König: „Die Ergebnisse des Expertenmonitors zeigen, dass Erdgas in der zukünftigen Energiearchitektur eine zentrale Rolle spielen muss. Andernfalls droht die Energiewende zu scheitern.“ Dazu müssen aber Erdgas-Kraftwerke attraktiver werden als Kohlekraftwerke, was heute leider nicht der Fall ist.
Die drängendsten Herausforderungen der Energiewende
Besonders interessant fand ich auch die drängendsten Herausforderungen der Energiewende. An erster Stelle steht in Deutschland die Steigerung der Energieeffizienz, die vielleicht jetzt langsam mehr Aufmerksamkeit erhält. Die CO2-Vermeidungskosten sind gerade in diesem Bereich sehr attraktiv. Dahinter kommen der Ausbau und die Vernetzung der Energienetze, die Schaffung größerer Energiespeicherkapazitäten und dann erst die Sicherstellung von bezahlbaren Energiepreisen. Erst an fünfter Stelle wird der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien genannt, was in den anderen Ländern ganz oben auf der Liste steht.
Ich bin ja ein großer Befürworter der Energiewende und auch Erdgas hat mehr Vor- als Nachteile.
Trotzdem denke auch ich, dass mit dem Thema mehr schlecht als Recht umgegangen wird. Mir fehlt die Transparenz für den Bürger. Ständig hört man aus allen Ecken ein bisschen, aber ein richtiges Konzept, wo man einen Hacken drunter setzen könnte, fehlt bis jetzt, leider.
Die Energiewende ist daher auch eine gefühlte Kurzschlussreaktion, ohne System. Ich hoffe, dass sich da was ändert und es bezahlbar bleibt. Schon jetzt steigen die Strom- und Gaskosten unaufhörlich.
Deutschland und die EU sollten da in allen Bereichen und für alle Länder versuchen die gleichen Gegebenheiten zu schaffen. Der Energiehandel ist global unterwegs, die Energiewende leider nur in Deutschland, daran muss sich was ändern. Lieber das ganze auch langsamer angehen, als Gas unbezahlbar zu machen.
Dringend überarbeitet gehört die „Besondere Ausgleichsregelung“, die dazu führt, dass immer mehr große Stromverbraucher eine geringere EEG-Umlage zahlen brauchen, während die Haushaltskunden immer mehr Kosten tragen müssen! Neben der EEG-Umlage wurden auch die Netzentgelte erhöht und eine Offshore-Haftungsumlage eingeführt.
Es gibt eine aktuelle Petition für eine Streichung der Erweiterung der Besonderen Ausgleichsregelung für stromintensive Unternehmen. Diese Petition kann noch mitgezeichnet werden: https://www.openpetition.de/petition/online/streichung-der-erweiterung-der-besonderen-ausgleichsregelung-fuer-stromintensive-unternehmen