Gestaltung des Strommarktes unter den veränderten Bedingungen
Wer 100% erneuerbare Energien haben will, muss auch sagen wie sich auf dem Weg dahin der nicht-erneuerbare Anteil am Strommix rechnen soll. Wie sollen sich flexible Kraftwerke rechnen? Es muss Klarheit herrschen, damit die Investitionsblockade gelöst werden kann. Brauchen wir überhaupt neue Kraftwerke?
Vor einigen Wochen hatte ich bereits die Idee des Kapazitätsmarktes vorgestellt und war von der Idee recht angetan. Bei einem Kapazitätsmarkt wird die Fähigkeit in Zeiten hohen Bedarfs schnell Strom anbieten zu können bezahlt – also die Vorhaltung von Leistung. Der bisherige Strommarkt ist hingegen ein sogenannter Energy-Only Markt, bei dem nur die gelieferte Arbeit bezahlt wird.
Gestern durfte ich an einer Handelsblatt-Veranstaltung zu diesem Thema teilnehmen. Es ging um das Strommarktdesign der Zukunft, wie muss sich der Strommarkt den veränderten Bedingungen anpassen. Zahlreiche Vertreter von Kraftwerksbetreibern, Stromhändler und Netzbetreibern haben ihre Vorstellungen in die Diskussion eingebracht.
Einig war man sich über die Notwendigkeit des Netzausbaus und neuer flexibler Kraftwerke, vor allem für Süddeutschland. Engpässe in windschwachen Zeiten im Winter müssen vermieden werden. Interessant war aber die Aussage des Geschäftsführers von 50Hertz, einer der vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland, dass selbst am 13.02.2012 – der Tag mit dem größten Leistungsdefizit im letzten Winter – es noch keine Knappheitssignale am Spotmarkt gab und mindestens 4 GW Leistung noch verfügbar waren. Die Gründe dafür liegen an Abweichungen im Standardlastprofil und an EEG-Prognosefehlern.
Die Lösung wird aber noch nicht in einem Kapazitätsmarkt gesehen, vielleicht langfristig. Eine strategische Reserve an Kraftwerken hat zahlreiche Vorteile. Sie ist kompatibel mit dem europäischen Binnenmarkt, einfach in den bestehenden Markt zu integrieren, setzt nur einen milden ordnungspolitischen Eingriff voraus, bringt geringere Mehrkosten mit sich als bei umfassenden Kapazitätsmechanismen und bietet einen einfacheren Umgang mit nicht-konventionellen Kapazitäten, wie abschaltbare Lasten und Speicher.
Auch Statkraft sieht keine Notwendigkeit eines Kapazitätsmarktes, wenn erneuerbare Energien besser in den Markt integriert sind, Stichwort Direktvermarktung. Die Marktprämie schaffe Anreize zur Übernahme des Prognoserisikos.
Interessant war, wer die Idee der Kapazitätsmärkte ins Spiel gebracht hat, das war niemand anders als die Bundeskanzlerin Angela Merkel am 23.05.2012. Der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier hat bisher jedoch diese Idee von sich gewiesen.
Die Aussage, dass die Variabilität der erneuerbaren Energien und die geringen Margen bei konventionellen Kraftwerken nicht das Problem sind, fand ich auch besonders bemerkenswert. Michael Hogan vom Non-Profit Beratungsunternehmen „The Regulatory Assistance Project hat vielmehr betont, dass die Ursachen im zeitweiligen Überangebot, in schlechter Durchleitung, fehlender lokale Preissignale und unflexbiler Erzeugung zu suchen sind. Genau diese Probleme gibt oder gab es auch in einigen Staaten der USA. Dort spielen die erneuerbaren Energien noch keine so große Rolle.
Gelöst wurde dies durch, wenn ich es richtig verstehe, marktnähere Kapazitätsmechanismen. Diese werden in mehrere Bereiche aufgeteilt und versteigert. Damit wird eine größtmögliche Flexibilität erhalten und Investoren erhalten Planungssicherheit. Wichtig sind aber auch Bereiche wie Verbesserung der Energieeffizienz, Steigerung der EE-Prognosegüte und Einsatz eines Demand-Side-Management – eine Steuerung der Stromnachfrage bei größeren Verbrauchern. Mit letzterem werden fluktuierende Energien durch eine flexible Nachfrage ersetzt, der Kunde fungiert somit als Speicher und nicht nur als Verbraucher.
Eine Lösung wird nicht ja oder nein zum Kapazitsmarkt lauten. Heute gibt es noch zu viele andere Themen zu bearbeiten, wie die EEG-Prognosegüte, Verbesserung der Energieeffizienz, Ausbau des Demand-Side-Management. Passend dazu kann ich den Blogbeitrag des Fraunhofer-Forschungsblogs „Blackout bei Flaute“ empfehlen.
Angesichts dieser Argumente halte ich die Aussage der dena in ihrer Studie zur Integration der erneuerbaren Energien in den deutsch-europäischen Strommarkt, dass ein europäischer Kapazitätsmarkt aufgebaut werden muss, für verfehlt und verfrüht. Die anderen Aufgaben müssen zuerst erledigt werden. Sicher werden wir noch lange konventionelle Kraftwerke benötigen, aber heute Aussagen zu machen über das Jahr 2050 ist in dieser Branche unseriös. Ein einheitlicher europäischer Strommarkt muss erst geschaffen werden, davon sind wir noch weit entfernt. Gleichzeitig fordert Stephan Kohler, der trotz Ankündigung an der gestrigen Veranstaltung nicht teilnahm, eine Unabhängigkeit Deutschlands in der Stromversorgung.
in der Diskussion um den oder die Energiemärkte wird leider (bewußt?) vergessen, dass analog den big four bei den Energieproduzenten auch big four bei den Netzbetreibern existieren.
Wenn ich z. B. trotz Internet und ebay heute noch nicht einmal in der Lage bin z.B. Ihnen meinen auf meinem Dach erzeugten Solarstrom zu verkaufen dann haben wie hier ein sehr großes Hemmnis auf dem Weg zur Gestaltung des Strommarktes.
Ein erster Weg ist m.E. mehr und Mehr das Enstehen von Energiegenossenschaften, die leider noch nicht eine ausreichende Lobby haben, um im eigentlichen Netz diese oligopolistische Stituation aufzulösen.
Aber wenn wir in 5 Jahren statt bisher knapp 600 Energiegenossenschaften vielleicht 6000 Eenergiegenossenschaften haben, lassen sich diese Hindernisse vielleicht leichter überwinden.