Hauswärme-Studie betrachtet nur die Kosten von energetischen Gebäudesanierungen
Die neue Hauswärme-Studie von Shell betrachtet die nachhaltige Wärmeversorgung bzw. -nutzung privater Haushalte für Wohnzwecke. Ihr Untertitel lautet: Fakten, Trends und Perspektiven für eine nachhaltige Wärmeversorgung bis 2030. Schade, dass dabei die Kosten im Vordergrund stehen und weniger im Vergleich zu den volkswirtschaftlichen Gewinnen stehen. Wie viele Arbeitsplätze in der Baubranche werden damit gesichert oder andere Fragen fehlen mir in der Studie, bzw. habe ich nicht gefunden.
Schade, dass wieder einmal nur die Kosten im Vordergrund stehen und nicht die Vorteile. Aufschlussreich ist aber das Fazit der Studie, dass Teilsanierungen wirkungsvoller sind um die Klimaschutzziele zu erreichen, als umfassende Vollsanierungen. Das heißt doch, dass Hausbesitzer eher dazu bereit sind, kleine Maßnahmen durchzuführen, da diese sich schneller bezahlt machen. Daher müssen auch weiter Einzelmaßnahmen von der KfW gefördert werden.
Die ehrgeizigen energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung für den Gebäudebereich werden die privaten Haushalte milliardenfach belasten. Soll die jährliche Sanierungsrate von jetzt einem auf zwei Prozent des gesamten Gebäudebestandes verdoppelt werden, müssten bis 2030 rund 750 Milliarden Euro in die Gebäudesanierung investiert werden. Jedoch könnte dadurch der Energieverbrauch um bis zu 40 Prozent und die Treibhausgasemissionen um bis zu 44 Prozent sinken.
Das ist das Ergebnis der ersten Shell Hauswärme-Studie, die Shell als führendes Energieunternehmen in Zusammenarbeit mit dem Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) unter dem Titel Nachhaltige Wärmeerzeugung für Wohngebäude – Fakten Trends und Perspektiven erstellt hat. Ausgehend von den technischen Potenzialen von Heizsystemen, Brennstoffen und Wärmeschutz werden vier Szenarien mit unterschiedlichen Sanierungsraten und unterschiedlicher Sanierungstiefe durchgerechnet und daraus Handlungsoptionen abgeleitet. Dabei ist unter Sanierungsrate der Anteil der pro Jahr sanierten Wohnfläche an der Gesamtwohnfläche und unter Sanierungstiefe der Umfang der Sanierungsmaßnahmen, insbesondere ob Teil- oder Vollsanierung, zu verstehen.
Ausgangslage Hauswärme in Deutschland
Deutschland will den Energieverbrauch sowie die Treibhausgasemissionen senken. Nach Industrie, Gewerbe und Verkehr rückt dabei auch immer mehr die Wärmeversorgung von Wohngebäuden in den Fokus. Das Ziel ist klar: Die Wärmeversorgung soll effizienter werden, weniger CO2 ausstoßen und sich vermehrt auf erneuerbare Energieträger stützen.
Die rund 40 Mio. privaten Haushalte mit ihren 178 Mio. Räumen auf einer Fläche von insgesamt 3,4 Mrd. Quadratmetern stehen für etwa 28,5% des Endenergieverbrauchs in Deutschland. Rund 18 Mio. Feuerungsanlagen in den privaten Haushalten verursachten 2010 Treibhausgasemissionen in Höhe von 113,1 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent; das waren 14,2% der direkten energiebedingten Treibhausgasemissionen in Deutschland.
Heizsysteme
Etwa vier Fünftel aller Wohnungen werden heute mit Gas- oder Ölheizungen beheizt. Für den Gebäudebestand werden optimierte Gas- oder Ölheizungen auf Basis von Brennwerttechnik das wärmetechnische Rückgrat bilden. Generell zeichnet sich ein Trend zur Hybridisierung von Heizsystemen ab; das heißt, künftig speisen mehrere Wärmequellen die Heizanlage. Hierbei werden weitere Wärmequellen in bestehende Heizsysteme integriert bzw. unterstützen die Wärmeerzeugung. Der Speicherung von Wärmeenergie kommt eine immer größere Rolle zu.
Brennstoffe
Heute stellen die Brennstoffe Erdgas und Heizöl allein knapp drei Viertel der Endenergie für Hauswärme; einschließlich Strom- und Fernwärmeanteilen dürften konventionelle Energien annähernd 90% der Wärmeenergiebereitstellung sichern. In den kommenden Jahrzehnten werden Zahl und Art der für Hauswärmeerzeugung eingesetzten Brennstoffe und Energieträger deutlich vielfältiger. Holz und Solarenergie gewinnen an Bedeutung; Erdgas und Heizöl werden zunehmend nachhaltige Biokomponenten beigemischt.
Wärmeschutz
Drei Viertel des heutigen Wohnungsbestandes sind über 25 Jahre alt; 90% der Heizenergie werden dort verbraucht. Der Energiebedarf von Bestandswohnungen ist heute im Durchschnitt mehr als doppelt so hoch wie vom Gesetzgeber für Neubauten erlaubt.
Ein Großteil des Wohnungsbestandes wird sich in den kommenden Jahren durch Wärmedämmung der Gebäudehülle einem Niedrighausenergiestandard annähern. Die bauliche Sanierung von Wohnungsbestand ist jedoch vergleichsweise aufwendig und teuer. Neubaustandards lassen sich im Wohnungsbestand daher in der Regel nicht erreichen.
Szenarien Trend und Trendbeschleunigung
Bis 2030 wird die Wohnfläche trotz sinkender Bevölkerung gegenüber 2008 um gut 10% ausgeweitet. Da bis 2030 nur etwa 16% der gesamten Wohnfläche erneuert werden, muss der Wohnbestand energetisch saniert werden. Wird der heutige Trend mit einer Sanierungsrate von 1% fortgeschrieben, würde der Energieverbrauch um 26,2% und die Treibhausgasemissionen um 27% sinken. Die damit verbundenen Investitionskosten belaufen sich auf 386 Mrd. Euro. Wird der Trend beschleunigt, das heißt, die Sanierungsrate auf 2% verdoppelt, würden die Energieeinsparungen auf 36,7% steigen; die Treibhausgasemissionen um 39,2% reduziert werden. Dann belaufen sich die Investitionskosten auf 744 Mrd. Euro und liegen damit etwa doppelt so hoch wie im Trendszenario.
Bio- und erneuerbare Energien
Um die Potenziale von erneuerbaren Energien zu beleuchten, werden in beiden Trendszenarien bis zu 20% Biogas und Bioöl sowie bis zu 55% erneuerbare Energien im Strommix angenommen. Würde keine Sanierung (aber Neubau und Abriss) stattfinden, gingen die Treibhausgasemissionen allein durch Biokomponenten und zusätzlichen Ökostrom um 18,8% und damit doppelt so stark wie ohne Biokomponenten und Erneuerbare zurück. Die Beimischung von Biokomponenten und Erneuerbaren hat folglich spürbares Potenzial zur Treibhausgasreduktion; dabei verursacht die Beimischung von Biokomponenten im Verhältnis zu Sanierungen geringe Kosten.
Szenarien Schnell versus Umfassend
Um die Effizienz verschiedener Sanierungsstrategien zu beurteilen, wurden zusätzlich zwei weitere Szenarien berechnet. Hierbei wurde geprüft, ob sich – bei gegebenen Kosten von 744 Mrd. Euro – mit schnellen und günstigen Teilsanierungen mehr Energie und Treibhausgase einsparen lassen als bei einer umfassenden Vollsanierung, bei der stets das technisch Maximale umgesetzt wird. Bei der schnellen Sanierung werden rund 39% der Treibhausgasemissionen eingespart; bei der höheren Sanierungstiefe 43,8% erreicht. Insofern hat die vollständige Sanierung einen wenn auch relativ geringen Vorteil – und wäre damit eine kosteneffiziente Sanierungsstrategie.
Die höheren Einsparungen sprechen auf den ersten Blick dafür, insbesondere die umfassende Sanierung zu fördern. Sie erfordert jedoch hohe Investitionen in eine relativ kleine Fläche. Im Szenario Schnell könnten bei einer durchschnittlichen Sanierungsrate von 2,5% über zwei Mrd. Quadratmeter Wohnfläche saniert werden, im Szenario Umfassend bei einer Sanierungsrate von 1,6% aber nur 1,3 Mrd. Quadratmeter. Insofern wenige Haushalte hohe fallweise Investitionskosten tragen müssten, dürfte selbst bei hoher staatlicher Förderung die angestrebte Sanierungsrate schwerer zu erreichen sein.
Mit Blick auf mögliche Förderungen empfiehlt der Forschungsdirektor des HWWI, Michael Bräuninger, „dass die Förderung weitgehend technologieunabhängig erfolgen sollte, da sich die technischen Möglichkeiten und deren Rentabilität kontinuierlich wandeln und nur schwer vorhersehbar sind. Ziel muss es dabei sein, die Gebäudemodernisierung möglichst effizient zu gestalten; denn jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden.“
Jörg Adolf, Chefvolkswirt der Shell Deutschland Oil GmbH: „Im Ergebnis kann man sagen, dass sich die energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung mit einer höheren Sanierungsrate (Teilsanierung) schneller erreichen lassen als mit umfassenden Vollsanierungen.“