Energieeffienz: Energetischer Fingerprint der Produktion
Gesetzliche Vorgaben und die zunehmenden Preissteigerungen für Öl, Gas und Strom zwingen Unternehmen zum sparsamen Umgang mit Energie. Ein vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA entwickeltes Energiemanagementsystem ermöglicht den Ressourcen schonenden Energieeinsatz in der Produktion.
Firmenchefs und Manager von Produktionsbetrieben kennen zumeist den Kraftstoffverbrauch ihres Dienstwagens ganz gut, was ihre Maschinen und Fertigungslinien an Energie verbrauchen, wissen sie in der Regel nur in der Summe. Dabei setzt weniger Energieverbrauch bei unverändertem Produktionsumfang mehr Energieeffizienz voraus. Und um diese zu erreichen, sind detaillierte Aussagen über den Energieeinsatz in der Produktion nötig. In vielen Unternehmen fehlen jedoch die Informationen, welche Energiearten in welcher Menge und in welchen Produktionsbereichen zum Einsatz kommen. Derartige Informationsdefizite erschweren es das Verbesserungspotenzialen zu erkennen. Als Grund dafür wurde im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Fraunhofer Gesellschaft beauftragten »Untersuchung zur Energieeffizienz in der Produktion« (EffPro) von einem Großteil der befragten Firmen genannt, dass bisher eine geeignete Methodik fehlt den Energieeinsatz in der Produktion zu optimieren.
Total Energy Efficiency Management (TEEM)
Mit Total Energy Efficiency Management (TEEM) hat das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart ein Analyse- und Monitoringsystem zur Optimierung des Energieeinsatzes in der Produktion entwickelt. Grundlage ist ein System zur Energiedatenerfassung (bestehend aus Software, vernetzten Zählern und Messfühlern), das Energieströme und –verbräuche kontinuierlich und detailliert aufzeichnet – Energie als Bestandteil der digitalen Fabrik. Damit lässt sich der prozessbezogene Energieverbrauch in der Produktion erkennen und Verbesserungs- und Optimierungspotentiale entwickeln. Einsetzbar ist es in sämtlichen Metall-, Kunststoff- und Holz-verarbeitenden Produktionsbetrieben, insbesondere in Unternehmen mit energieintensiven Prozessketten, zum Beispiel Spritzgießen, Lackieren, Galvanisieren. «Unternehmen werden in die Lage versetzt, Potenziale für Energieeinsparungen zu erkennen und konkrete Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten«, verspricht Dipl.-Ing. (FH) Markus Hornberger, Gruppenleiter Produkt- und Qualitätsmanagement beim IPA. Das Gesamtsystem ist zudem in einem Anwendungsleitfaden dokumentiert. Dieser ist nicht nur bei der Umsetzung der technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Energieeffizienzsteigerung, sondern auch bei der Einführung der Norm E DIN EN 16001 (Energiemanagementsysteme) hilfreich.Beispiel Produktionsprozess Lackierung
Zu den energieintensivsten Produktionsprozessen zählt die Lackierung. Im Rahmen eines Pilotprojekts beim Reinigungsgerätehersteller Alfred Kärcher GmbH & Co. KG mit Sitz im baden-württembergischen Winnenden wurde mit TEEM eine Prozesskette, bestehend aus den drei Produktionsschritten Spritzguss, Lackieren und Montage, abgebildet und durch eine entsprechende Logistik miteinander verknüpft. Zu diesem Zweck wurde eine Spritzgussanlage bei Kärcher und die Lackierkabine am IPA mit Messinstrumenten ausgestattet, um als Basis für Simulationen die Energiebedarfe und Produktionsdaten zur erfassen. Aufbauend auf der vorhandenen Mess- und Bustechnik wurden zunächst wichtige Energieverbraucher wie Kühlwasserkreisläufe für das Werkzeug und die Maschinenhydraulik identifiziert und mit schneller vernetzter Energiemesstechnik versehen. Zusätzlich erlauben aufgezeichnete Digitalsignale zum Maschinenzustand den Energiebedarfs zu einzelnen Prozessschritten zuzuordnen. Außerdem wurden für die Produktionsschritte Montage und Logistik realitätsnahe Szenarien für die Abläufe implementiert.Beim Prozessschritt Spritzguss sieht der Benutzer jetzt, wie sich die Variation der Maschinenparameter wie Haltedruck und Länge der Kühlphase auf den Energieverbrauch der Anlage auswirken. Und für das Lackieren und Trocknen werden Optimierungsmaßnahmen wie der Einbau eines Wärmerads (Rotationswärmetauscher) oder der Umluftbetrieb des Trocknungsprozesses simuliert und anschließend bewertet. »Die gesamte Anlage kann jetzt mit optimaler Einstellung für die Produktivität und den Energieverbrauch betrieben werden«, erklärt Hornberger.
Mobiler Meßwagen
Bei allen Branchen beginnt die Analyse immer mit dem so genannten Energiemonitoring: Mobile oder fest installierte Verbrauchsmesstechnik protokolliert die aktuellen Verbrauchswerte – dafür kann auch ein mobiler Meßwagen des IPA eingesetzt werden. Nach dieser IST-Analyse und dem Aufbau des Monitoring-Systems mit Anbindung des EDE-(Energie-Daten-Erfassungs-)Systems liegen die Daten zum aktuellen Energieverbrauch, ein energetischer Fingerprint vor. »Auf dieser Basis werden verschiedenste Maßnahmen simuliert, die die Energieeffizienz verbessern, um die Auswirkungen auf den gesamten Produktionsprozess zu verdeutlichen«, erläutert Hornberger. Die Simulation erlaubt den Vergleich, welchen Einfluss Maßnahmen wie zum Beispiel Änderungen der Maschinenparameter, bauliche Veränderungen oder die Optimierung der Ablaufsteuerung auf den Energieverbrauch haben. »Manchmal sind nicht mal Investitionen nötig, wenn man zum Beispiel durch eine kleine Temperatursenkung die Bearbeitungszeit um zwei Minuten pro Teil reduziert oder durch eine Verschiebung der Maschinen-Taktung Stromspitzen vermeidet und so die Investition in ein eigene Trafostation spart«, berichtet IPA-Gruppenleiter Hornberger aus seiner Praxis.