Diskussion zur Zukunft der Energieversorgung auf den Berliner Energietagen
Gastbeitrag von Mike Kess, PR-Berater im Energiebereich, zu den 10. Berliner Energietagen
10 Jahre Berliner Energietage: Veranstalter und Initiator Jürgen Pöschk hatte wieder eingeladen und alle sind gekommen. Sichtlich wohl fühlte sich deshalb auch Pöschk auf der Bühne, eingerahmt von Umweltsenatorin Katrin Lompscher, den Chefs der großen Versorger der Hauptstadt, Vattenfall (Werner Süss) und Gasag (Andreas Pohl), sowie von Stephan Schwarz von der Handwerkskammer Berlin und Hans-Joachim Ziesing vom Berliner Klimaschutzrat. Hat sich doch das kleine Treffen von Energiedienstleistern zur Leitmesse für Energieeffizienz in Deutschland entwickelt.
„Heute müssen die Weichen für das Jahr 2020 gestellt werden“, fordert Pöschk anlässlich einer Veranstaltung zur „Energieversorgung 2020″ auf den Berliner Energietagen. Alle Beteiligten begrüßten ausdrücklich den Schwenk von Vattenfall. Der Nachfolger der BEWAG wollte im Berliner Stadtteil Rummelsburg ein riesiges Steinkohlekraftwerk bauen, zog die Pläne nach massiven Protesten aus der Bevölkerung und Politik zurück und setzt in Zukunft auf Biomasse und Erdgas. Pöschk nannte es einen Wandel „vom Saulus zum Paulus“. Die über 2 Jahre andauernde Debatte entfachte in der Hauptstadt eine Diskussion über umweltfreundliche Energieversorgung und Ziele im Klimaschutz.
Umweltsenatorin Lompscher prophezeite eine dramatische Umstellung der Energieversorgung Berlins, wenn man in der Stadt bis 2050 80 Prozent weniger ausstoßen wolle. „Leider fehlt mir im Moment ein bisschen die Phantasie, wie es konkret aussehen soll“, so Lompscher. Doch jetzt, wo das Kraftwerk vom Tisch ist, könne man endlich an die Arbeit gehen. Auf jeden Fall wolle man die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) weiter ausbauen: „In einen sinnvollen Verhältnis von zentraler und dezentraler KWK“. Vattenfall Chef Werner Süss stimmte dem zu und erklärte, das sein Unternehmen bereits dezentrale Kraftwerke in der Stadt betreibt und im Rahmen der Neuausrichtung Vattenfalls noch weiter ausbauen wird. Süss kann sich auch gut vorstellen, kleine Kraftwerke in der Berlin mit Solar und Biomasse betreiben: „Wir haben da keine Berührungsängste“. Auch der Konkurrent auf dem Berliner Wärmemarkt, der Erdgasversorger GASAG, stellt sich den neuen Herausforderungen. „Reines Mengenwachstum ist nicht mehr das Ziel der GASAG“, sagte Vorstand Andreas Prohl. „Wir setzen auf Energiedienstleistungen und dezentrale Kleinanlagen“. Zudem setzt die GASAG verstärkt auf Solarthermie und Biogas. Noch in diesem Mai wird man im brandenburgischen Rathenow eine Biogasanlage in Betrieb nehmen. „Wenn verschiedene Unternehmen sich um die eine Lösung bemühen, kommt dabei für den Kunden und die Umwelt das Beste raus“, meinte Prohl.
Das Mitglied des Berliner Klimaschutzrates Hans-Joachim Ziesing lobte das Engagement und nannte es einen Schritt in die richtige Richtung. Doch es sei nicht genug. Ziesing fordert einen drastischen Ausbau regenerativer Energieversorgung in Berlin. Ein momentaner Anteil an erneuerbaren Energien in Berlin von 1,1 Prozent sei definitiv zu wenig: „Das ist etwas mehr als nichts“. Umweltsenatorin Lompscher stimmte dem zu und nannte das Ziel des Senates, das bei einer Verdoppelung des Anteils liegt als wenig ambitioniert: „Wir brauchen eher ein Vielfaches davon“, sagte Lompscher .
Doch nicht nur auf Produzentenseite liege Handlungsbedarf. Man muss unbedingt auch an der Verbrauchsseite etwas tun: „Wir müssen an den Gebäudebestand ran“, fordert der Wissenschaftler Ziesing. Sonst hat man keine Chance die Klimaschutzziele zu erreichen. IHK Chef Stephan Schwarz kritisierte, dass es noch zu wenig Anreize für die Wirtschaft gibt um sich stärker im Bereich Energieeffizienz zu engagieren. Schwarz forderte vom Senat eine Informationsoffensive: „Man muss den Unternehmen zeigen, dass sich Investitionen in Effizienz rentieren“, sagte Schwarz. Einer Verschärfung des Ordnungsrechtes erteilte Schwarz jedoch eine klare Absage. Mit der Energieeinsparverordnung (EnEV) habe man schon ein wegweisendes Gesetz. Klimaschutzberater Ziesing kritisierte die „Nicht-Sanktionierung“ von Verstößen gegen die ENEV. Man brauche dringend strengere Kontrollen. GASAG-Chef Prohl sprach von Fällen, wo es Bereich des Neubaus Landstriche in Deutschland gibt, wo die ENEV-Standards bei Neubauten zu 40-50 Prozent nicht eingehalten werden. „Der Bürger hat bislang den Eindruck, dass es kein zwingendes Recht ist, sondern dass es sich bei den energieeffizienten Mindeststandards eher als ein von der Politik gewünschtes Ziel handelt“, sagte Ziesing.
Nachdem die Kraftwerksdebatte vorüber ist und sich Stadt, Wirtschaft und Politik im Großen und Ganzen einig über die Klimaziele sind, muss jetzt die „Arbeit am Detail“ losgehen. „Wir brauchen jetzt eine ehrliche Bestandsaufnahme“ erklärte die Umweltsenatorin. Daher erstelle man im Senat ein Energiekonzept für Berlin, dass noch in diesem Jahr vorgestellt wird: Und so wird das Thema Energie die Hauptstadt wohl noch weiter intensiv beschäftigen. Gute Aussichten für die nächsten Berliner Energietage im Jahr 2010.