Zertifikatehandel für Ökostrom kann durchaus sinnvoll sein
Die Diskussion zum Ökostrom läuft auch bei energynet.de weiter. Gehört Strom, der durch die Nutzung von Zertifikaten zum Ökostrom wird dazu? Im Klima-Blog des Handelsblatt hat Susanne Bergius den Sinn der Zertifikate beschrieben, und warum die Zertifikate notwendig sind. Schließlich kann nicht jeder Stromversorger von heute auf morgen Strom aus regenerativen Energien anbieten. Doch die Stromindustrie muss gleichzeitig aufpassen, dass sie glaubwürdig bleiben und Gewinne in regenerative Energien investieren und nicht in neue Kohle- oder Atomkraftwerke.
Das Öko-Institut, das mit der Zertifizierung von Ökostrom beschäftigt ist und die Regeln des RECS in Deutschland überwacht wehrt sich gegen die Kritik an der Nutzung der Zertifikate, die unzutreffend sei und am eigentlichen Problem vorbei gehe:
Seit einigen Tagen wird in den Medien eine intensive Debatte zum Thema Ökostrom geführt. Die Diskussion wurde durch die Meldung des Spiegels „Stromanbieter verkaufen Atomstrom als Ökostrom“ vom 5. Januar 2008 ausgelöst. Im Mittelpunkt steht dabei zum einen die Frage, unter welchen Bedingungen Ökostrom aus ökologischer Perspektive zu empfehlen ist. Zugleich wurde die Verwendung von Ökostromzertifikaten des RECS-Systems in der Stromwirtschaft kritisiert. Das Öko-Institut ist seit neun Jahren in der Zertifizierung von Ökostrom tätig und überwacht zugleich die Regeln des RECS-Systems in Deutschland. „Entscheidend für die Bewertung von Ökostrom-Angeboten ist, ob sie den Anteil an Strom aus Erneuerbarer Energien und umweltfreundlicher Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung tatsächlich erhöhen“, sagt Veit Bürger vom Öko-Institut. Christof Timpe, Koordinator des Bereichs Energie & Klimaschutz, ergänzt: „Diese Frage ist unabhängig davon, ob Zertifikate für den Nachweis des Ökostroms eingesetzt werden. Die aktuellen Vorwürfe gegenüber der Nutzung von Zertifikaten sind eine Scheindebatte und verstellen den Blick auf die eigentliche Herausforderung: Ökostromangebote so auszugestalten, dass sie den Ausbau von Erneuerbaren Energien wirksam fördern.“
Das Öko-Institut begrüßt es, dass diese Frage wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestellt wird. Zu empfehlen sind solche Stromangebote, die den Bau neuer Kraftwerke zur Nutzung Erneuerbarer Energien und der umweltfreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung wirksam fördern. Durch die neuen Anlagen wird fossile und atomare Stromerzeugung verdrängt und somit ein Beitrag zu Klimaschutz und Versorgungssicherheit geleistet. Andere Produkte, bei denen Kunden lediglich aus bereits bestehenden Anlagen beliefert werden, haben dagegen keinen Nutzen für die Umwelt.
Um den Verbrauchern im Strommarkt eine Orientierung bei der Wahl eines Ökostrom-Angebots zu geben, hat das Öko-Institut zusammen mit dem WWF Deutschland und der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bereits im Jahr 2001 das Gütesiegel „ok-power“ entwickelt. Derzeit sind 16 Produkte von 13 Anbietern mit diesem Label ausgezeichnet. Sie alle tragen zum Ausbau der Erneuerbare Energien bei und sind uneingeschränkt empfehlenswert. „Das ok-power-Gütesiegel hat unter den deutschen Ökostrom-Labels die anspruchsvollsten ökologischen Kriterien und zertifiziert zugleich die größte Strommenge“, sagt Veit Bürger.
Mehrere deutsche Stadtwerke haben in den letzten Monaten wesentliche Teile ihrer Stromversorgung auf Erneuerbare Energien umgestellt. Dies wird den Kunden im Rahmen der für alle Stromversorger verpflichtenden Stromkennzeichnung ausgewiesen. Diese Umstellungen sind in erster Linie als symbolischer Akt und als ein Bekenntnis für Erneuerbare Energien und gegen Atomkraft und Kohlekraftwerke zu bewerten. Aus Kostengründen basiert die Strombeschaffung jedoch in der Regel auf bereits existierenden Anlagen. Ein Ausbau der Erneuerbaren Energien ist damit derzeit nicht verbunden. Er würde erst dann stattfinden, wenn die Ökostrom-Nachfrage das Angebot auf europäischer Ebene übersteigt. Auch bei diesen Stromversorgern gilt deshalb, dass Kunden, die einen Beitrag zum Umweltschutz leisten wollen, zu einem Anbieter von Ökostrom mit dem ok-power-Label wechseln sollten.
Die heftige Kritik, die an der Verwendung von Ökostromzertifikaten wie RECS durch Stromanbieter geübt wird, entbehrt dagegen einer sachlichen Grundlage. Diese Zertifikate stellen zuverlässige Herkunftsnachweise für Strom aus Erneuerbaren Energien dar und tragen wesentlich dazu bei, eine Doppelvermarktung von Ökostrom zu verhindern. Andere Nachweisverfahren sind weniger zuverlässig und europaweit nicht standardisiert, so dass Fehler zu Lasten der Ökostrom-Kunden leichter auftreten können. Die Zertifikate können genutzt werden, um Ökostrom-Angebote mit Ausbauwirkung für Erneuerbare Energien zu realisieren, aber auch für Stromangebote ohne diesen Umweltnutzen. „Die von verschiedenen Seiten aufgestellte Behauptung, dass Ökostrom auf Basis von Zertifikaten generell keinen Nutzen für die Umwelt darstelle, ist schlichtweg falsch“, sagt Christof Timpe. „Es kommt darauf an, aus welchen Anlagen der Stromanbieter die Zertifikate erwirbt.“
Auch der Vorwurf, dass Stromversorger durch die Zertifikate ihren Atom- oder Kohlestrom in unzulässiger Weise in Ökostrom umetikettieren würden, trifft nicht zu. Wenn zum Beispiel ein deutsches Stadtwerk Zertifikate aus dem Ausland importiert, so entspricht dies in seiner Wirkung der bisher üblichen Praxis des Austauschs von Strom. Dabei importiert das Stadtwerk Wasserkraftstrom und exportiert gleichzeitig Strom aus Kohle- oder Atomkraftwerken, der dann im Partnerland mit diesen Merkmalen gekennzeichnet werden muss. Dieser Vorgang ist nach den national und international gültigen Regeln für die Stromkennzeichnung zulässig und wäre auch ohne die Nutzung von Zertifikaten möglich. „Entscheidend für die ökologische Bewertung ist wiederum, ob beim Bezug der Zertifikate auf die Förderung von neuen Kraftwerken aus Erneuerbaren Energien geachtet wird“, sagt Veit Bürger.
Aufgrund der deutlich besseren Zuverlässigkeit und Transparenz empfiehlt das Öko-Institut der Stromwirtschaft die Verwendung von Zertifikaten des europaweiten European Energy Certificate System (EECS), das derzeit das RECS-System ablöst, als Herkunftsnachweise für Ökostrom. Dies gilt sowohl innerhalb Deutschlands wie auch im grenzüberschreitenden Handel von Strom. „Die Verwendung von EU-weit harmonisierten Herkunftsnachweisen trägt dazu bei, dass die Ökostrom-Kunden noch besser als bisher vor Doppelvermarktung geschützt werden“, sagt Christof Timpe. „Eine wichtige Aufgabe der Umwelt- und Verbraucherverbände ist es, die Verbraucher darüber aufzuklären, dass nur solcher Ökostrom zu empfehlen ist, der neue Anlagen fördert. Das ok-power-Gütesiegel trägt hierzu maßgeblich bei. Darum empfehlen wir Verbrauchern Ökostromangebote zu wählen, die mit diesem Siegel zertifiziert sind.“
Ein Hintergrundpapier mit weiterführenden Erläuterungen kann von der Website des Öko-Instituts als pdf-Datei heruntergeladen werden: http://www.oeko.de/hintergrund_oekostrom.